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daß ich dich um die Beichte bitte.“

      „Ich würde sie dir auch gar nicht abnehmen“, entgegnete Pater David. „Auch eine Million Vaterunser würden nicht ausreichen, dich zu entlasten. Kein Geistlicher kann dich von dem befreien, was an Schuld auf dir lastet.“

      „Was ist denn meine Schuld?“ zischte der Dicke. „Daß ich der Provinzgouverneur von Potosi bin? Ich habe nur meines Amtes gewaltet. Und wer seid ihr, daß ihr euch anmaßt, über mich zu urteilen?“

      „Du bist ein Mörder“, sagte Pater David ruhig. „Du hast nicht nur genehmigt, daß die Indios im Cerro Rico zu Tode gequält werden, du hast es befohlen. Du bist ein Massenmörder, Don Ramón de Cubillo.“

      „Das Indio-Pack ist von Gott dazu auserwählt, für die spanische Krone zu arbeiten“, sagte Don Ramón leise. „Das weißt du so gut wie ich, Padre.“

      „Wo steht das? In der Bibel?“

      „Nein. Das sagt unser König.“

      „Dieser frömmelnde Halunke“, sagte Pater David erbost. „Aber das Jüngste Gericht wartet auch auf ihn, verlaß dich drauf.“

      Don Ramón riß die Augen weit auf. „Was? Du versündigst dich gegen Seine Allerkatholischste Majestät? Das ist – Verrat!“

      „Nenn es, wie du willst“, sagte der Gottesmann. Er blieb auch weiterhin völlig gelassen. „Aber die Verbrechen, die Spanien mit Genehmigung der Kirche in der Neuen Welt verübt, sind ungeheuerlich. Das alles wird ein böses Ende nehmen. Mord, Ausbeutung, Bestechung – Spaniens Niedergang ist schon jetzt abzusehen. In wenigen Jahren ist Spanien das Armenhaus Europas. Gold und Silber helfen nicht, sie führen zum Ruin.“

      „Verräter!“ kreischte Don Ramón, aber er hatte nicht auf Carberry geachtet, der hinter ihm stand. Carberry riß ihn hoch und trat ihm mit Kraft und Wonne in seinen fetten Allerwertesten. Don Ramón stolperte ein Stück vorwärts, ruderte mit den Armen und stürzte jammernd auf seinen durchlauchten Bauch.

      „Aufstehen!“ brüllte der Profos. „Auf die Beine, Dicker! Wird’s bald? Marsch! Es geht weiter! Du wirst marschieren, bis dir das Wasser dort kocht, wo du drauf sitzt!“

      Don Ramón schaute auf, als Carberry bereits wieder bei ihm war und sich mit in die Seiten gestemmten Fäusten über ihn beugte.

      „Nicht mehr treten“, jammerte der Dicke.

      „Wirst du marschieren?“

      „Ja, ich werde marschieren.“ Aus eigener Kraft rappelte sich der Dicke wieder auf und wankte voran – verfolgt von den Blicken der Männer. Er taumelte an den Maultieren vorbei – und genau in diesem Augenblick ließ Diego eins seiner fürchterlichen Hinterbackensignale los.

      Don Ramón stöhnte auf.

      „Gemein!“ schluchzte er. „Ihr wollt alle nur, daß ich sterbe!“

      Wimmernd watschelte er weiter, gefolgt von Carberry, der Diego zugrinste und sagte: „Na, du Furzesel, was hast du denn auf dem Herzen? Willst du uns vor den Soldaten warnen? Laß die nur kommen, dann werden sie schon sehen, was sie davon haben.“

      Der Trupp setzte sich wieder in Bewegung, die Rast hatte nicht lange gedauert. Tiefer drangen die Männer in die bizarre Felsenregion ein. Noch am frühen Nachmittag gelangten sie auf ein Plateau, an dessen Rand sich Berghöhlen befanden.

      „So, hier bleiben wir“, sagte der Seewolf. „Das wird unser Biwak.“

      Zu dem Plateau führte nur ein schmaler Bergpfad. Rechter Hand, von Potosi aus gesehen, nördlich also, waren zerklüftete Steilfelsen, die am Pfad aufragten, links ging es steil ab in unauslotbare Tiefen. Von den Steilfelsen aus, in die man aufsteigen konnte, hatte man einen hervorragenden Blick ostwärts. Von dort aus schlängelte sich der Bergpfad heran.

      „Da sind zwar Biegungen und Felsnasen dazwischen, aber wir erkennen rechtzeitig genug, ob sich jemand nähert“, sagte Jean Ribault nach einer ersten Inspektion.

      „Wer von Potosi nach Arica will oder den umgekehrten Weg einschlägt, kann nur diesen Pfad nehmen“, sagte Hasard.

      „Richtig, er führt ja über ein paar Pässe“, sagte Dan. „Er scheint wirklich die einzige Verbindung zwischen den beiden Städten zu sein.“

      „Ja.“ Hasard deutete zu den Steilfelsen nördlich des Pfades. „Wir beginnen gleich mit der Arbeit und präparieren die Felsen für den Ernstfall.“

      Wenig später stiegen die Männer in den Felsen auf und lockerten unter der Aufsicht des bergkundigen Pater Aloysius Felsbrocken, die sie im geeigneten Moment nur anzustoßen brauchten, damit sie auf den Pfad hinunterstürzten.

      Als dieses Werk vollbracht war, verordnete der Seewolf Ruhe und Schlaf. Matt Davies übernahm die erste Wache und konzentrierte sich auf die Beobachtung der östlichen Region. Nach ihm würde Mel Ferrow an der Reihe sein, dann Dan, dann Gary und schließlich Stenmark, so hatte Hasard die vierstündigen Wachschichten eingeteilt.

      „Eine Frage habe ich noch“, sagte Jean Ribault lächelnd, als er sich neben Hasard niederließ. „Heute ist doch Silvester. Wie feiern wir eigentlich?“

      „Hast du Lust zum Feiern?“

      „Na ja, irgendwie müssen wir das neue Jahr ja begrüßen.“

      „Dafür sorgt Diego“, brummte der Profos. „Keine Sorge. Und richtig auf die Pauke hauen können wir ja, wenn wir wieder an Bord der ‚Estrella‘ und der ‚San Lorenzo‘ sind.“

      „Das finde ich auch“, pflichtete Hasard ihm bei.

      Ribault grinste schief. „Ihr könnt einen so richtig in Stimmung bringen“, brummte er. „Dann penne ich doch lieber vom alten ins neue Jahr.“

      Sie streckten sich auf ihren Lagern aus und waren wenig später eingeschlafen. Die Strapazen und Entbehrungen der letzten Tage und Wochen wirkten sich jetzt aus.

      Auch Don Ramón fiel in einen tiefen Schlaf und schnarchte dünn und säuselnd. Toparca, Chupa und Atitla kauerten nicht weit von ihm entfernt in unmittelbarer Nähe der Maultiere. Sie schliefen nicht richtig, sie schlummerten nur im Hocken vor sich hin. Immer wieder rissen sie die Augen auf und starrten zu dem dicken Mann.

      Er war jetzt gefesselt. Er hatte keine Chance, von dem Plateau zu fliehen, aber sie paßten trotzdem auf ihn auf. Gern hätten sie ihm die Kehle durchgeschnitten. Aber sie fügten sich dem Befehl des Mannes, der sie befreit und bestimmt hatte, daß Don Ramón de Cubillo am Leben blieb und den Trupp begleitete.

      Am Vormittag des 1. Januar 1595 übernahm Mel Ferrow wieder eine Wache in den Steilfelsen am Pfad zum Plateau. Er war noch nicht lange auf seinem Späherposten, da sichtete er tief unter sich zwei Männer. Er duckte sich und beobachtete sie aufmerksam durch das Spektiv, dann verließ er seinen Posten und alarmierte den Seewolf.

      „Der Teufel soll mich holen, wenn das nicht zwei Aufseher aus Potosi sind“, sagte Mel. „Zwei ganz üble Hunde. Sie reiten auf zwei Maultieren heran und haben noch zwei Reservetiere dabei.“

      „Das sind garantiert Boten, die in Arica Alarm schlagen sollen“, sagte Hasard. „Die kaufen wir uns.“

      Delon und Ventura, die beiden Aufseher, ritten arglos und nichts ahnend den Pfad hinauf. Sie hatten in der Nacht ebenfalls biwakiert und waren munter und ausgeruht. Ständig mußten sie an die Belohnung denken, die der Polizeipräfekt von Potosi ihnen versprochen hatte. Das waren keine leeren Worte gewesen, der Mann war dafür bekannt, daß er auch hielt, was er versprach.

      Hundert Dukaten, fünfzig für jeden! Damit konnte man schon einiges anfangen. Es war keine Riesensumme, aber der Grundstock eines künftigen Vermögens, wenn man richtig damit umzugehen verstand. Delon war von dem Gedanken besessen, ein Bordell zu eröffnen. Das war noch besser als eine Spielhölle. Sicherer Verdienst!

      In Arica, so hatte er sich bereits vorgenommen, würde er mit einigen Hafenhuren sprechen, die möglicherweise bereit waren, in seine Dienste zu treten. Ventura würde sich

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