Скачать книгу

Es mußte eine Möglichkeit geben, die Hundesöhne doch noch zu packen und zu überwältigen.

      „Welche Möglichkeiten haben wir, diesen Bastarden in den Rücken zu fallen?“ fragte er.

      „Keine, Señor“, entgegnete der alte Soldat, der sich am besten von allen in dieser Bergregion auskannte. „Es gibt nur den einen Pfad, ein anderer existiert nicht.“

      „Wir müssen den Spieß umdrehen“, sagte Gomez. „Noch können wir es schaffen.“

      „Das dürfte außerordentlich schwierig sein“, sagte der alte Soldat.

      „Das finde ich auch“, fügte der Sargento hinzu.

      Gomez’ Gesicht war eine Grimasse des Hohns und der Verachtung. „Ihr würdet gern kapitulieren, was? Das könnte euch so passen, ihr Feiglinge. Nein! Wir haben den Feind vor uns und werden ihn vernichten. Wir haben immer noch genug Männer, um gegen ihn bestehen zu können. Und noch etwas: Wer meinen Befehlen nicht gehorcht, wird von mir persönlich bestraft.“

      „Ja, Señor“, murmelten die Männer, aber sie hätten den Teniente am liebsten umgebracht.

      Das Unternehmen hatte bereits zu viele Opfer gefordert. Sie waren nicht bereit, sich von ihm verheizen zu lassen. Sie wußten, daß der Teniente auf eine Beförderung hoffte, wenn er als Sieger nach Potosi zurückkehrte. Aber sie wollten nicht, daß er auf ihre Kosten aufstieg. Alles hatte seine Grenzen.

      Es gab keine Alternative. Sie mußten über den Pfad vorrücken, auf Biegen und Brechen. Gomez überlegte hin und her und wägte alle Gegebenheiten ab, dann fällte er seine Entscheidung.

      „Wir nutzen die Dunkelheit aus“, sagte er leise zu den Soldaten. „Es ist jetzt so finster, daß sie uns nicht sehen können. Wir warten aber noch Mitternacht ab, erst dann handeln wir. Die Zeit ist unser Verbündeter. Sie werden glauben, daß wir uns zurückgezogen haben. Wenn sie nicht mehr damit rechnen und einpennen, fallen wir über sie her und nehmen ihr Lager im Sturm.“

      „Sie glauben im Ernst, daß das gelingt?“ fragte der Sargento verblüfft.

      „Habe ich gesagt, daß ich mit Ihnen darüber diskutieren will?“ fragte Gomez drohend.

      „Nein, Señor.“

      „Also, dann halten Sie Ihren Mund!“

      Sie schwiegen. Gomez spürte, daß ihn die Soldaten zum Teufel wünschten, aber das war für ihn das geringste Problem. Sie sollten nur wagen, offen gegen ihn aufzubegehren! Ein Exempel genügte, und die anderen kuschten wieder. Wenn die Kerle aufmüpfig wurden, würde er nicht zögern, einen von ihnen eiskalt niederzuschießen.

      Er ließ sich auf dem Pfad nieder und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Felswand. Ruhig Blut, dachte er, und nicht die Nerven verlieren.

      Natürlich: Er durfte seine Gefühle nicht offen zeigen. Je disziplinierter er sich verhielt, desto größer war das Vertrauen der Soldaten in ihn. Keine Blöße durfte er sich geben. Seine Härte und Unnachgiebigkeit waren das Vorbild, das er ihnen vorlebte. Daran orientierten sie sich. Er mußte sie energisch zum Ziel führen und die Stellung der Banditen im Handstreich nehmen.

      Er blickte zu den Maultieren. Die würden jetzt nicht mehr viel nutzen. Sie konnten sie hier, an diesem Platz, zurücklassen. Das war sogar empfehlenswert, denn leicht konnten die Tiere sie im Dunkeln durch ihr Schnauben verraten.

      Die Zeit verstrich schnell, schneller, als Alvaro Gomez gedacht hatte. Bald war Mitternacht – dann ging es los.

      Hasard und seine Männer berieten zur selben Zeit an der Steinbrustwehr miteinander. Ribault, von Hutten, Dan und Carberry waren zu ihm herübergekommen, nur Pater Aloysius hielt zur Zeit in den Steilfelsen Wache.

      „Wie wäre es mit einem Ausfall?“ fragte der Profos. „Abgehauen sind die Dons noch nicht, da gehe ich jede Wette ein. Sie kauern hinter der Biegung. Es wäre doch fein, wenn wir sie da mal besuchen würden.“

      „Wir müßten über die Felsen hinwegklettern, vergiß das nicht“, sagte Hasard. „Das ist mir zu riskant. Warum sollen wir das Risiko eingehen?“

      „Ich fürchte bloß, sie hecken wieder was Neues aus“, sagte Carberry.

      „Was denn?“ sagte Ribault. „Sie können uns nur über den Pfad erreichen. Entweder räumen sie die Felsen ab, oder sie steigen darüber hinweg.“

      „Dann knallen wir sie ab“, sagte Carberry. „Einen nach dem anderen. Ja, das stimmt. Wir brauchen uns von hier gar nicht wegzurühren.“

      „Ich hoffe immer noch, daß die Soldaten Vernunft annehmen“, sagte der Seewolf. „Wem dient denn dieses Blutvergießen?“

      „Einem gewissen Rübenschwein“, sagte der Profos. „Wenn mich nicht alles täuscht, ist dieser Teniente dabei, den ich in Potosi ein bißchen herumgestoßen habe. Ich glaube, ich habe seine Stimme vorhin herausgehört. Wenn der den Trupp anführt, kann ich mir gut vorstellen, daß er so rasch nicht aufgibt.“

      „Laßt ihn kommen“, sagte Dan. „Wir bereiten ihm einen gebührenden Empfang.“

      „Sie lassen noch einige Zeit vergehen“, sagte Hasard. „Um uns zu verunsichern, aber auch, um frische Energien zu sammeln. Wahrscheinlich greifen sie erst nach Mitternacht an.“

      Tatsächlich ließ Alvaro Gomez die Mitternachtsstunde noch halb verstreichen, erst dann gab er das Zeichen zum Aufbruch. Die Soldaten erhoben sich von ihren provisorischen Lagerplätzen und schlichen den Pfad entlang. Gomez führte sie und hielt, bevor sie die Felsbrocken erreichten, nach einer Einstiegsmöglichkeit in die Steilwand Ausschau.

      Es gab einen Durchschlupf, sehr eng zwar, aber schlanke Männer konnten sich hindurchzwängen. Gomez blieb stehen und drehte sich grinsend um. Er gab zwei Soldaten das Zeichen, in die Stellfelsen einzusteigen. Ihre Aufgabe war klar, sie hatten vorher alles genau abgesprochen. Die beiden sollten auskundschaften, wo sich der Lagerplatz des Feindes befand.

      Die beiden Männer kletterten nach oben und gelangten an eine Felsennadel, von der aus sie im weißlichen Mondlicht zumindest einen Teil des Plateaus überblickten. Sie sahen aber auch die Brustwehr, die am Zugang zum Plateau errichtet worden war. Gerade wollten sie wieder absteigen und den Teniente informieren, da geschah es.

      Dan hatte die im Mondlicht aufschimmernden Helme und Brustpanzer der Soldaten sofort entdeckt. Jetzt hob er die Muskete und zielte auf den linken Soldaten. Hasard hatte den anderen im Visier. Sie drückten gleichzeitig ab. Die Musketen krachten, und in das Geräusch, das von den Bergwänden widerhallte, mischten sich die Schreie der Getroffenen.

      Hasard und Dan nahmen die schmauchenden Büchsen herunter.

      „Alle Achtung“, sagte Carberry. „Besser hätte ich das auch nicht gekonnt.“

      Sie verfolgten, wie die Gestalten der beiden Soldaten von der Felsnadel verschwanden und in die Tiefe stürzten. Sie waren tot, ehe sie auf den Pfad prallten. Der eine fiel in die Schlucht, der andere rollte dem Teniente vor die Füße.

      „Heilige Mutter Gottes“, sagte der Sargento. „Sie haben ihm zwischen die Augen geschossen.“

      „Diese Hunde sind mit dem Teufel im Bund“, sagte der alte Soldat. „Sie können in der Dunkelheit sehen wie Luchse.“

      Alvaro Gomez war zu betroffen, um etwas sagen zu können. Wie erstarrt stand er da und blickte auf den vor ihm liegenden Toten. War denn alles verhext? Ging es noch mit rechten Dingen zu?

      Das Echo der Schüsse war verhallt, wieder trat Ruhe ein. Gomez blickte in die Felsspalte, in der die beiden Soldaten aufgestiegen waren. Sollte er denselben Weg nehmen und mit mehreren Musketen auf die Widersacher feuern? Welchen Erfolg brachte es ihm? Daß er ebenfalls mit durchschossener Stirn abstürzte?

      „Teniente“, sagte der Sargento.

      Jetzt habe ich nur noch zehn Soldaten, dachte Gomez. Wenn das so weitergeht …

      „Teniente“, sagte der Sargento. „Wie lauten Ihre Befehle?“

Скачать книгу