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Blick an.

      „Was ist nach unserem Abmarsch in Potosi geschehen?“ fragte Hasard.

      Delon berichtete, was sich während der Nacht zugetragen hatte, dann schilderte er, wie die Eingeschlossenen aus dem Stadtgefängnis befreit worden waren. Ventura erzählte, was der Rat beschlossen hatte und wie die Befehle des Präfekten und des Bürgermeisters lauteten.

      „Zwei weitere Boten sind nach Lima und nach Sucre in Marsch gesetzt worden“, erklärte er. „Der eine soll den Vizekönig über das Geschehen in Potosi unterrichten. Der andere hat den Auftrag, die Truppe zurückzuholen.“

      „Gut, das genügt vorerst“, sagte der Seewolf. Eigentlich hatte er nicht daran gedacht, daß in Potosi geplündert und gemordet werden würde, aber diese Auswirkungen konnten ihm im Prinzip nur recht sein.

      Die Männer grinsten.

      „Ja, so ist das Leben nun mal“, sagte Ribault. „Es ist zwar bedauerlich, daß wir wegen des Transportproblems die Münze nicht restlos haben ausnehmen können, aber schließlich sind wir ja auch bescheiden.“

      „Und wenn sich der Mob bedient hat, dann wird die Krone auch geschädigt“, sagte Pater David.

      „Verrat!“ schrie Don Ramón de Cubillo schrill. „Ihr endet alle am Galgen! Ihr werdet gevierteilt!“

      Carberry hielt ihm die geballte Rechte direkt vors Gesicht. „Noch ein Wort, Kerl!“ fuhr er ihn an. „Na los!“

      Don Ramón schwieg. Ventura und Delon hielten ebenfalls den Mund. Sie waren noch nicht sicher, was mit ihnen geschehen würde. Vielleicht überließ der Schwarzhaarige sie doch den Indios?

      „Das Ziel des Unternehmens gegen Potosi ist also voll erreicht worden“, sagte Hasard. „Gut.“ Er blickte auf den Provinzgouverneur hinunter, der wie ein großer Klumpen Elend dahockte. „Ja, und den armen Don Ramón hat man also wie eine heiße Kartoffel fallen lassen. Mit dem Gouverneursamt und den damit verbundenen Pfründen, dem Wohlleben und den erzwungenen Liebesspielen mit hübschen Indiomädchen dürfte es aus sein.“

      „Du bist erledigt, Dicker“, sagte Delon zu Don Ramón. „Hast du kapiert?“

      „Wen juckt das schon?“ Ventura blickte zu Hasard auf, während er es sagte. „Eine widerliche Made im Speck weniger, ist das nicht gut?“

      „Versucht nicht, euch bei uns anzubiedern“, sagte Hasard. „Darauf fallen wir nicht herein. Ihr seid genauso schlimm wie dieser Kerl. Ihr könnt froh sein, wenn wir euch am Leben lassen.“

       5.

      Toparca bat darum, mit dem Seewolf sprechen zu dürfen, als dieser in seine Höhle zurückkehrte. Ruhig hörte Hasard sich an, was der Mann ihm zu sagen hatte.

      „Wir haben das Recht, diese drei Mörder in Stücke zu schneiden“, sagte der Indio. „Chupa und Atitla warten wie ich darauf, es tun zu können. Warum läßt du nicht zu, daß wir sie zerfetzen und in die nächste Schlucht stürzen, damit der Kondor sie fressen kann?“

      „Macht euch nicht die Finger an ihnen schmutzig“, sagte Hasard. Von Hutten war bei ihm und übersetzte. „Es lohnt sich nicht.“

      „Weißt du, wie viele von uns diese Hunde getötet haben?“ fragte Toparca.

      „Ich kann es mir vorstellen. Andererseits kann ich aber auch keine weiteren Grausamkeiten billigen.“

      „Ich beuge mich deinem Befehl“, sagte Toparca.

      „Ich werde noch entscheiden, was mit ihnen geschieht“, sagte Hasard. „Ob wir sie mit auf die Schiffe nehmen. Ich weiß es selbst noch nicht. Aber ich informiere dich und deine Stammesbrüder noch darüber, Toparca.“

      Toparca zog sich wieder zurück.

      „Sicher“, sagte Hasard zu von Hutten und Pater David, der ebenfalls herübergekommen war. „Don Ramón und die beiden Aufseher haben es verdient, zu Tode gequält zu werden. Aber Don Ramón hatte ich versprochen, ihm eine Chance zum Überleben zu geben, wie ihr wißt.“

      „Das stimmt“, pflichtete Pater David ihm bei. „Doch es stellt sich die Frage, wie wir weiter mit ihnen verfahren. Willst du sie irgendwo aussetzen?“

      „Ich weiß es noch nicht“, erwiderte Hasard.

      Es ging inzwischen auf den Nachmittag zu. Daß es nur zu empfehlen war, auch weiterhin auf dem Plateau zu verweilen, war für Hasard logisch und folgerichtig. Erst mußten sie abwarten, ob die Soldaten auftauchten. Sie mußten sie zurückschlagen. Erst dann konnte der Marsch westwärts weitergehen.

      Die Zeit verstrich. Bald wurde es dunkel. Stenmark hatte zu dieser Stunde den Späherposten besetzt, und er war es, der im verblassenden Büchsenlicht die Gestalten von Männern entdeckte, die sich über den Pfad dem Plateau näherten. Sofort begab er sich zu Hasard und den anderen, um es zu melden.

      „Sie kommen aus Richtung Potosi?“ fragte Hasard.

      „Ja“, entgegnete Stenmark. „Es müssen die Soldaten des Stadtkommandanten sein.“

      „Wie viele sind es?“

      „Fünfzehn mit fünf Maultieren, aber weiter hinten sind noch mehr. Noch mal so viele. Sie halten einen Sicherheitsabstand ein, scheint mir.“

      Hasard nickte grimmig. „Schön, wir haben es zwar nicht vorausgesehen, daß sie sich in zwei Gruppen aufteilen, aber irgendwie werden wir auch mit dem zweiten Trupp fertig.“

      „Da fällt mir im Moment aber nichts Brauchbares ein“, sagte Ribault.

      „Wir gehen folgendermaßen vor“, sagte der Seewolf. „Wir schalten als erstes den Voraustrupp aus. Dadurch wird das Kräfteverhältnis schon mal ausgeglichen.“

      „Zwischen ihnen und uns, richtig“, sagte Karl von Hutten. „Aber wie geht es dann weiter?“

      „Das ergibt sich mehr oder weniger“, sagte der Profos. „Laßt uns nicht mehr so viel herumquatschen.“

      „Die Zeit drängt“, sagte Hasard. „Als erstes kaufen wir uns den Soldaten, der die Maultiere führt.“

      „Den übernehme ich“, sagte Pater David.

      „Gut. Die anderen – in die Felsen“, sagte Hasard. „Wir werden am Eingang zum Plateau auch eine Brustwehr aus Steinen errichten, sobald die Tiere durch sind.“

      „Los geht’s“, sagte Carberry und verließ die Höhle. „Ich suche schon mal ein paar Steine zusammen.“

      Kurz darauf hatten sich die Männer auf ihre vorher festgelegten Posten verteilt. Die vorbereiteten Positionen in den Steilfelsen wurden besetzt.

      Don Ramón de Cubillo, Delon und Ventura blieben getrennt voneinander in den Höhlen zurück. Sie waren nicht nur gefesselt, von Hutten hatte ihnen auch Knebel in die Münder geschoben, damit sie nicht durch Rufe die ganze Aktion platzen ließen. Dieses Risiko durften Hasard und seine Männer nicht eingehen. Wenn der Führer des Soldatentrupps vorgewarnt wurde, konnte die Situation sehr bedenklich werden.

      Pater David begab sich auf den Posten, den er sich selbst ausgesucht hatte, und lauerte am Pfad auf den ersten Soldaten. Sehr lange brauchte er nicht zu warten, schon näherten sich die Schritte, und auch das Hufgeräusch und das Schnauben der Maultiere war deutlich zu vernehmen.

      Hernan Tores hieß der Soldat, der die Maultiere führte. Er schnitt eine mürrische Miene und verfluchte innerlich den Teniente Gomez, weil dieser ihnen unterwegs kaum eine Ruhepause gegönnt hatte. Müde und ausgelaugt waren die Soldaten, verbiestert und bereits ziemlich entnervt, denn die länge Tour durch die Berge war alles andere als ein Spaziergang.

      Man wäre eben viel lieber in Potosi geblieben. Nach dem Marsch nach Sucre hätten die Soldaten sich gern ausgeruht. Statt dessen mußten sie erneut durch die Felsenlandschaft klettern – und das unter dem Befehl des zähen, unnachgiebigen

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