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Gefängnis tobten derweil die Eingeschlossenen – an die dreißig Aufseher der Silbermine, achtundzwanzig Soldaten, die von dem Seewolf und dessen Männern gefangengesetzt worden waren, ein Teniente sowie die Señores vom Stadtrat einschließlich des Bürgermeisters und des Polizeipräfekten.

      Alvaro Gomez – so hieß der Teniente – hatte nicht vergessen, wie übel der Gegner ihm mitgespielt hatte. Wütend rüttelte er an den Eisenstäben der Gittertür. Daß es keinen Sinn hatte und zu keinerlei Ergebnis führte, wußte er selbst. Aber er mußte etwas unternehmen – um seinen Zorn abzureagieren.

      Keuchend fuhr er herum und lehnte sich mit dem Rücken gegen das Gitter. Er lauschte dem Krawall und sagte: „Hören Sie das, Señores? Da draußen scheinen alle verrückt geworden zu sein.“

      „Das Gesindel holt sich das letzte Silber“, sagte der Polizeipräfekt. „Es wird nichts übrigbleiben.“

      „Wir müssen etwas unternehmen!“ schrie der Teniente.

      „Was?“ brüllte der Bürgermeister ihn an. „Wie kommen wir hier raus?“

      „Wir müssen jemanden rufen“, erwiderte Gomez. „Jemanden, der den Schmied holt. Verflucht, warum denkt denn keiner an uns?“

      „Zur Hölle mit diesen verdammten Gittern!“ wetterte der Polizeipräfekt, dann sprang er auf und eilte an eins der winzigen Fenster. Nie hätte er sich träumen lassen, daß er die soliden Eisengitter der Zellen und Kerkerräume, die von den fremden Bastarden sogar noch zusätzlich mit Ketten abgesichert worden waren, eines Tages verfluchen würde. Er klammerte sich am Fenstergitter fest, spähte zu den vorbeihuschenden Gestalten und brüllte: „Heda! Hört mich keiner? Bürger – hierher!“

      Auch der Bürgermeister und die Señores des Stadtrates beteiligten sich an dem Geschrei. Doch es sollte sich als ebenso sinnlos wie Gomez’ Rütteln an der Tür herausstellen. Keiner der Bürger, der wutentbrannt gegen das Lumpenpack und Gesindel vorging, verfiel auf den Gedanken, die ehrenwerten Señores von ihrem Schicksal zu erlösen, zumal der Teniente, die Soldaten und die Aufseher zweifellos mehr Talent gehabt hätten, die Diebe und Plünderer zu verjagen.

      Es lief eben alles fehl. Alles schien verhext zu sein, die Welt hing schief in ihren Angeln. Alvaro Gomez ballte die Hände zu Fäusten und hämmerte damit gegen die Gitter. Er fluchte und stöhnte, aber all das war nutzlos, er vergeudete nur seine Energien.

      Was niemals hätte eintreten dürfen, war geschehen: Das blühende, reiche Potosi war dem Pöbel freigegeben. Und er, Gomez, hatte dabei die größte Schande erlitten, als er sich von dem Riesen mit dem entsetzlichen Narbengesicht hatte niederschlagen lassen. Der Hund hatte ihn in den Plaza-Brunnen geworfen und ihn anschließend in das Gefängnis gesteckt – und das alles nur, weil er die kleine Pistole bei ihm gefunden hatte.

      Dennoch, er würde sich an diesem Monstrum rächen, furchtbar rächen. Noch wußte er nicht, wie es geschehen würde, aber er spürte, daß es noch eine Chance für ihn gab, spätestens beim Heraufziehen des neuen Tages, wenn das große Plündern vorbei war. Dies war die einzige Hoffnung, an die Alvaro Gomez sich noch klammerte, und er betete zum Himmel, daß sein Wunsch in Erfüllung gehen möge.

       3.

      Als in Potosi der Morgen graute, vollzog sich die erwartete Wandlung. Die Ratten, die wie toll gehaust hatten, huschten in ihre Löcher zurück. Sie wollten nicht erkannt und entlarvt werden, außerdem hatten sie sich alles geholt, was es zu holen gab.

      Salimbene, El Moreno, Rubirosa und auch die anderen hatten sich die Taschen gefüllt. Die Zukunft sah silbern aus, die Vorsehung hatte es gut gemeint mit ihnen.

      Alles in allem fanden sie es gar nicht so schlecht, daß diese tolldreisten Fremden in die Stadt eingedrungen waren. Und geschah es den durchlauchten und eingebildeten Señores nicht ganz recht, daß sie im Stadtgefängnis schmorten? So lernten sie das Leben mal von einer anderen, weniger bequemen Seite kennen.

      „Recht so“, sagte Salimbene und nagte an dem Schenkel eines gebratenen Hühnchens, das sie aus einem der Häuser hatten mitgehen lassen. „Was weiter passiert, geht uns nichts an.“

      „Sie werden uns suchen“, entgegnete Rubirosa.

      „Die haben was anderes zu tun“, sagte Salimbene. „Wir bleiben erst mal hier, in unserem Versteck. Hier vermuten sie uns am allerwenigsten.“

      El Moreno lachte leise und trank einen tüchtigen Schluck Rotwein. Sie hatten ein Faß aufgetrieben und es zu den Silberbarren auf den Karren gepackt.

      „Es war eine gute Idee von dir, hierher zurückzukehren“, sagte er, nachdem er sich mit dem Handrücken den Mund abgewischt hatte. „Hier sind wir sicher. Ob wir noch ganz abhauen oder nicht, können wir ja in den nächsten Tagen entscheiden.“

      „Ja“, sagte Salimbene mit bedächtigem Nicken. „Erst mal ruhen wir uns aus. Das haben wir wohl verdient.“

      Romano Casablanca trat zum selben Zeitpunkt in das milchige Licht des jungen Morgens und überlegte sich, was zu tun sei. Nachdem er sich davon überzeugt hatte, daß niemand mehr in den Gassen lauerte, vor dem man Angst haben mußte, begab er sich zum Haus des Schmiedes.

      Er klopfte an die Tür und sagte zu der Frau des Schmiedes, die mit vor Schreck geweiteten Augen aus dem Fenster blickte: „Wir brauchen Ihren Mann, Señora. Es befinden sich noch Señores im Kerker, die befreit werden müssen.“

      „Mein Mann – ist verletzt“, stotterte sie. Doch dann erschien der Schmied selbst. Sein Gesicht war verschrammt und von Beulen und blauen Flecken gezeichnet, seine Schulter verbunden. Geringschätzig musterte er den Besucher.

      „Ich habe heute nacht gegen das Gesindel gekämpft“, sagte er mit dunkler, drohender Stimme. „Wo waren Sie, Señor Casablanca?“

      „Ich habe meine Familie beschützt.“

      „Hinter verschlossenen Türen und Fenstern?“

      „Das geht Sie nichts an.“

      „Was wollen Sie?“

      „Die Männer im Stadtgefängnis – der Bürgermeister, der Rat, der Präfekt, die Soldaten und Aufseher. Wir haben sie vergessen“, entgegnete Casablanca.

      Der Schmied schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Das ist wahr! Aber wer kriegt sie dort wieder raus?“

      „Nur Sie können es schaffen“, sagte Casablanca, dann schritt er davon.

      Kurze Zeit darauf suchte der Schmied mit einigen Helfern die Plaza auf, an der das Gefängnisgebäude stand. Dann begann ein hartes Stück Arbeit: Zunächst mußte das Portal aufgebrochen werden, das von dem „Monstrum“ sorgsam verschlossen worden war. Carberry hatte wirklich für alles gesorgt, und so schnell sollten die ehrenwerten Señores, die von den winzigen Fenstern aus die Bemühungen der Männer verfolgten, die ersehnte Freiheit nicht wiedererlangen.

      Was jetzt geschah, war eine schweißtreibende Schufterei für den Schmied und seine vier Gesellen, die mit schweren Hämmern die Schlösser der Ketten und dann der Gittertüren zertrümmern mußten. Stunden dauerte das – und manch einer der Señores vom Rat glaubte bereits, daß es nicht mehr gelingen würde.

      „Wir sitzen hier ewig fest“, jammerte einer von ihnen.

      „Hier kommen wir nicht mehr raus“, sagte ein anderer und verdrehte die Augen.

      „Wir verhungern“, sagte ein dritter. „Oder die Ratten fallen über uns her. Wir verrecken elend. Und das alles haben wir nur Don Ramón de Cubillo zu verdanken.“

      „Ja, das stimmt“, pflichtete der Präfekt ihm bei. „Wenn er sich den Forderungen dieser Kerle nicht so bereitwillig gebeugt hätte, wäre das alles nicht passiert.“

      Schließlich zerbrachen aber auch die letzten Schlösser, und die Ketten rasselten zu Boden. Die Gittertüren wurden aufgerissen, und sofort eilten die Señores des Stadtrates ins Rathaus, um entsprechende

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