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betrat, konnte der Stadtkommandant bereits besser abschätzen, welche Auswirkungen der Überfall gehabt hatte. Alles war ausgeplündert worden, die Mine und die Münze gab es praktisch nicht mehr. Als er vom Bürgermeister und vom Polizeipräfekten vernahm, was sich in der Nacht abgespielt hatte, erlitt er einen Wutanfall.

      „Schweinerei!“ tobte er. „Diese Hurensöhne! Ich stelle sie alle an die Wand!“

      „Sprechen Sie jetzt von den Banditen oder von den Plünderern?“ fragte ihn der Präfekt ironisch.

      „Von allen! Diese Bastarde! Ich bringe sie eigenhändig um!“

      „Wir konzentrieren uns zunächst auf die Verfolgung der Banditen“, sagte der Bürgermeister. „Das ist vordringlich. Wir senden ihnen dreißig Soldaten nach.“

      Der Stadtkommandant beruhigte sich ein wenig.

      „Das Problem ist das Pulver“, sagte er. „Wir müssen uns das Zeug überall zusammensuchen, denn der Pulverturm ist ja gesprengt worden.“

      „Dann vorwärts“, sagte der Bürgermeister und musterte den Kommandanten dabei aufmerksam. Wenn er zum Provinzgouverneur ernannt wurde, würde er diesen Mann dann in seinem Amt belassen? Oder war es besser, ihn abzusetzen? Schließlich hätte er auch viel eher bemerken können, daß er einem Schwindel aufgesessen war. Mal sehen, dachte der Bürgermeister. „Auf was warten Sie noch, Señor?“ fragte er kühl.

      Der Stadtkommandant schickte seine Soldaten los. Sie mußten überall nach Pulver für ihre Waffen suchen. Sie trieben auch gut drei Dutzend volle Hörner und sechs Fäßchen auf, mit denen sie auf die Plaza eilten, wo der Kommandant die Männer auswählte, die die „Strafexpedition“ gegen die Banditen durchführen sollten.

      Alvaro Gomez hatte sich längst freiwillig gemeldet.

      „Teniente“, sagte der Kommandant jetzt. „Sie werden den Trupp anführen.“

      „Danke, Señor Comandante.“

      „Denken Sie daran, daß keiner dieser Hunde überleben darf, wenn Sie sie gefunden haben.“

      „Ich werde Ihre Befehle ausführen, Señor Comandante.“

      „Und Sie werden mir auch den Kopf des Anführers bringen“, sagte der Stadtkommandant voll Haß. „Den Kopf dieses teuflischen schwarzhaarigen Bastards.“

      „Darauf können Sie sich verlassen“, entgegnete Gomez. Er hatte sich aber auch geschworen, sich an dem Narbenmonster mit dem Rammkinn zu rächen. Langsam würde er diesen Hund krepieren lassen, und anschließend würde er ihn enthaupten. Er konnte es kaum erwarten, aufzubrechen.

      Die dreißig Soldaten waren schnell herausgesucht. Sie wurden mit Musketen und Tromblons, Pistolen und Säbeln bewaffnet. Gomez kontrollierte sie genau, dann meldete er dem Kommandanten, daß sie abmarschbereit wären.

      „In Ordnung“, sagte der Kommandant. „Brechen Sie auf, Teniente. Viel Erfolg. Ich erwarte spätestens in vier Tagen Ihre Meldung vom Gelingen der Expedition.“

      „Jawohl, Señor. Verlassen Sie sich auf mich“, erwiderte Gomez. Dann trat er an die Spitze des Trupps, ließ wenden und marschierte mit den Soldaten von der Plaza nach Westen aus der Stadt hinaus – vorbei an den frischen Gräbern, in denen man die Toten der Nacht beigesetzt hatte. Zehn Maultiere, die die Ausrüstung trugen, wurden mitgeführt.

      Der Stadtkommandant, der Polizeipräfekt und der Bürgermeister waren sich einig: Alvaro Gomez war genau der richtige Mann für das Unternehmen. Er schäumte vor Wut und Haß über die Schmach, vor den Augen der Soldaten verprügelt worden zu sein, er konnte es nicht vergessen. Sein Haß trieb ihn voran. Er würde nicht ruhen, bis er die Banditen gestellt hatte.

      Im übrigen war er ehrgeizig und auf Orden und Beförderungen versessen, dieser Gomez. Ein knarscher Typ, bei dem die Soldaten nichts zu lachen hatten.

      Er wird es schaffen, dachte der Stadtkommandant. Er malte sich bereits aus, wie der Kopf des Oberbanditen, dieses schwarzhaarigen Bastards, im Triumphzug durch Potosi getragen wurde.

      Salimbene, El Moreno und Rubirosa beobachteten von ihrem Versteck aus das Davonziehen des Trupps und grinsten.

      „Seht euch diese Narren an“, sagte Salimbene. „Sie ahnen nicht, was ihnen blüht.“

      „Was blüht ihnen denn?“ fragte Rubirosa. „Sie sind den Fremden, die da irgendwo durch die Berge ziehen, doch überlegen.“

      „Diese Fremden“, sagte Salimbene, „haben bereits bewiesen, wie schlau und gerissen sie sind. Die werden dem Trupp da eine schöne Falle stellen, verlaßt euch drauf.“

      „Na dann, zum Wohl“, sagte El Moreno und hob den Weinbecher. „Laßt uns auch darauf einen trinken, Amigos. Ich kann den Soldaten nur wünschen, daß sie sich gegenseitig den Schädel einrennen. Je weniger von ihnen in Potosi sind, desto besser ist es für uns.“

      Sie lachten und stießen mit ihren Bechern an. Sie waren bereits ziemlich stark angetrunken. Es würde noch ein langer, feuchter Abend und eine ebensolche Nacht werden.

       4.

      Don Ramón de Cubillo war sicher, daß er innerhalb der nächsten Stunde sterben mußte. Jagend ging sein Atem, sein Herz hämmerte wie verrückt. Er war naß vor Schweiß, und seine Knie waren weich wie die Götterspeise, die er sich in der Residenz immer gern von seinen Indiosklavinnen hatte zubereiten lassen. Wieder fiel er hin. Er wäre nicht wieder aufgestanden, wenn das Ungeheuer – Carberry – ihn nicht unsanft auf die Beine gestellt hätte.

      Es war der Vormittag des 31. Dezember. Hasard und sein Trupp hatten die Cordillera de los Frailes erreicht und legten wieder eine kurze Rast ein. Aufmerksam hielten sie Umschau, aber nirgendwo in der zerklüfteten Felsenlandschaft zeigte sich auch nur der Schatten eines Verfolgers.

      „Das bedeutet noch nicht, daß sie nicht hinter uns her sind“, sagte der Seewolf. „Wir halten auch weiterhin die Augen offen.“

      Don Ramón legte, von Carberry angetrieben, die letzten Schritte zurück, dann plumpste er wie ein prall gefüllter Mehlsack zu Boden.

      „Ich will sterben!“ jammerte er.

      „Du willst nicht sterben“, sagte Carberry barsch. „Du weißt ja gar nicht, wie das ist.“

      „Wie soll er es auch wissen?“ fragte Matt grinsend. „Er ist ja noch nie gestorben.“

      „Wenn ich ihn so betrachte, erscheint es mir, als sei er ein bißchen dünner geworden“, sagte Ribault.

      „Dünner ist gut“, sagte Gary Andrews. „Er hat wohl nur ein paar Pfunde abgespeckt.“

      „Immerhin.“ Stenmark grinste breit. „Die Kur bekommt ihm gut, er begreift es nur nicht.“

      Dan seufzte. „Wie sollte er auch? Der nötige Weitblick fehlt ihm ja. Er hat immer nur in Saus und Braus gelebt und sich von vorn bis hinten bedienen und in seiner Sänfte herumtragen lassen. So was schränkt die allgemeine Betrachtungsweise erheblich ein.“

      „Hört mit euren dämlichen Sprüchen auf“, sagte der Profos. „Der Kerl ist für uns ein Klotz am Bein.“

      „Ja, aber du kümmerst dich ja wohlwollend um ihn“, sagte Hasard. „Nur weiter so, und wir schaffen unser Tagespensum auch heute.“

      „Was sagen diese Männer?“ fragte Don Ramón Pater David, der gerade in seiner Nähe stand. „Sie reden über mich. Sie verhöhnen mich.“

      „Du verstehst also ihre Sprache?“ fragte der Gottesmann.

      „Nein, kein Wort.“

      „Wie kannst du dann wissen, daß sie dich verhöhnen?“

      Don Ramón schluchzte vor Erschöpfung und Verzweiflung.

      „Ich spüre es – ich weiß es“, stammelte er.

      „Das

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