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der Bürgermeister. „Schuld haben wir alle!“

      „Sie ganz besonders, Señor!“ entgegnete ein Ratsmitglied.

      „Das ist eine infame Lüge!“ brüllte der Bürgermeister ihn an. „Nehmen Sie das sofort zurück, Señor!“

      „Den Teufel werde ich tun!“

      „Ruhe!“ schrie der Präfekt. „Nehmen Sie endlich Vernunft an! So kommen wir nicht weiter!“

      Aber es ging auch weiterhin bissig und hitzig zu, weil einer dem anderen die Schuld zuschob. Schließlich war es jedoch der Bürgermeister, der einen heroischen Entschluß faßte.

      „Señores“, sagte er, als wieder etwas Ruhe eintrat. „Sie sehen in mir nunmehr den Stellvertreter des Provinzgouverneurs, da dieser nicht mehr zugegen ist. Ich ersuche Sie in aller Form, die Ruhe zu bewahren und auf mein Wort zu hören.“

      „Sehr richtig“, sagte der Präfekt. „Alles hört auf den Señor Bürgermeister!“

      „Vielleicht können wir die Feinde der Krone doch noch packen“, sagte der Bürgermeister. „Zumindest können wir einiges unternehmen, um wenigstens Arica zu warnen. Folgendes also: Ein Bote begibt sich sofort nach Sucre und holt unseren Stadtkommandanten und die Truppe zurück.“

      „Jawohl!“ rief ein Ratsherr.

      „Gut so!“ fügte ein anderer hinzu.

      „Ich verbitte mir jeden Zwischenruf“, sagte der Bürgermeister. Er fühlte sich in seinem Amt bestätigt, das Selbstvertrauen kehrte in ihn zurück. „Weitere zwei Boten setzen sich unverzüglich nach Arica in Marsch, um den dortigen Bürgermeister und Stadtkommandanten erstens zu warnen und zweitens, um sie um Unterstützung zu bitten.“

      „Das halte auch ich für das allerbeste“, sagte der Präfekt, verstummte aber sofort wieder, als der Bürgermeister weitersprach.

      Der Bürgermeister warf sich ein wenig in die Brust und hob das Kinn. Erst blickte er die Versammlung an, dann fuhr er fort: „Arica muß versuchen, die fremden Banditen, die Don Ramón entführt haben, aufzugreifen und festzusetzen, denn es ist so gut wie sicher, daß sie sich nach Arica gewandt haben, von wo aus sie aller Wahrscheinlichkeit nach mit Schiffen verschwinden werden.“

      Die Ratsmitglieder klatschten Beifall. Der Bürgermeister sah dies als den besten Beweis dafür an, daß man ihm wieder den erforderlichen Respekt zollte. Und es war ja auch nicht seine Schuld, daß sich alles derart fatal entwickelt hatte. Wenn jemand die Schuld daran trug, daß die Banditen Potosi überhaupt hatten überfallen können, dann war es Don Ramón de Cubillo, dem es aus diesem Grund eigentlich recht geschah, daß er sich in der Gewalt der Übeltäter befand.

      Und wenn er niemals nach Potosi zurückkehrte? Nun – dann gab es eben bereits einen Nachfolger für ihn.

      Die Boten, die sich von Potosi auf den Weg nach Arica begeben sollten, würden mit vier Maultieren reisen, um schneller voranzukommen. Sie würden den Banditentrupp überholen müssen – unbemerkt natürlich, das verstand sich von selbst. Eine knifflige Aufgabe, die nicht leicht zu bewältigen war. Man mußte die richtigen Männer dafür aussuchen, sie durften auf keinen Fall Hasenfüße sein. Entscheidend war nur, daß sie um jeden Preis vor dem Banditengesindel in Arica eintrafen.

      Der Bürgermeister von Potosi setzte für seinen Amtskollegen in Arica ein entsprechendes Schreiben auf, in dem er auch ausführte, wie viele Banditen es waren, wie sie aussahen und daß sie sich in Begleitung von zwei Padres befanden, die aber genausogut auch ganz gewöhnliche Galgenstricke sein mochten. Gott allein wußte, wo sie die Kutten entwendet hatten, die sie trugen.

      Der Polizeipräfekt suchte von den dreißig Aufsehern die beiden härtesten Burschen heraus. Sie hießen Delon und Ventura und standen an Brutalität und Rücksichtslosigkeit dem inzwischen spurlos verschwundenen und vermißten Luis Carrero in nichts nach.

      „Ihr erhaltet jeder eine angemessene Belohnung“, sagte der Präfekt. „Vorausgesetzt, ihr erreicht vor den Hundesöhnen Arica.“

      „Wir schaffen das“, versicherte ihm Delon. „Ganz sicher sogar. Wieviel erhalten wir?“

      „Jeder fünfzig Dukaten.“

      „Sehr gut“, sagte Ventura. „Aber wir brauchen eine gute Ausrüstung. Vor allem auch Waffen, falls wir mit diesem Dreckspack zusammenstoßen sollten.“

      „Es ist bereits für alles gesorgt“, sagte der Präfekt.

      Und so wurden die beiden Männer über alles informiert, was sie für ihren Auftrag wissen mußten. Sie erhielten das Schreiben, wurden ausgerüstet und zogen noch am Vormittag des 30. Dezember westwärts.

      Als sie mit den vier Maultieren eine Anhöhe erreicht hatten, blieben sie stehen und drehten sich noch einmal um.

      „Bald kehren wir zurück und bauen hier etwas auf“, sagte Delon. „Ich bin die längste Zeit Aufseher gewesen. Entweder eröffne ich eine Spielhölle oder ein Hurenhaus.“

      „Ich bin mit dabei.“

      „Und wenn wir es nicht schaffen?“

      „Wir schaffen es“, sagte Ventura. „Und wir kassieren unsere Belohnung, das schwöre ich dir.“

      Sie gingen weiter, Potosi blieb hinter ihnen zurück. Sie rechneten sich aus, daß sie den Banditentrupp auf dem Altiplano überholen konnten, was dann nachts geschehen mußte, wenn die „Bastarde“ und „Hurensöhne“ irgendwo campierten.

      Auch der Bote nach Sucre war unterdessen mit zwei Maultieren aufgebrochen. Die Soldaten sollten so schnell wie möglich die Verfolgung der Flüchtigen aufnehmen.

      Der Bürgermeister von Potosi war der festen Meinung, mit dem Trupp, der sich aus Arica in Bewegung setzen würde, und den Soldaten aus Potosi könne man die Bande von Fremden gewissermaßen von zwei Seiten packen. Der Trupp aus Potosi würde sie dem Trupp von Arica praktisch vor die Musketen treiben.

      Aber es wurde auch noch ein dritter Bote in Marsch gesetzt. Er trug ebenfalls ein Schreiben bei sich, wieder vom Bürgermeister verfaßt. Es war an den Vizekönig in Lima gerichtet.

      In diesem Schreiben, das von dem gesamten Stadtrat aufgesetzt worden war, wuschen die Señores ihre Hände in reiner Unschuld. Die Schuld für das, was in Potosi passiert war, schoben sie dem hochwohlgeborenen Señor Provinzgouverneur in die Schuhe, der ja nun leider entführt worden war.

      Die Señores mußten zwar bekennen, daß der gesamte Minenbetrieb im Cerro Rico auf unabsehbare Zeit lahmgelegt war, zogen sich aber aus der Affäre, indem sie in dem Schreiben erklärten, sie hätten sich den Befehlen des Provinzgouverneurs Don Ramón de Cubillo beugen müssen. Im übrigen sei das Leben aller bedroht gewesen, denn die Banditen seien mit unerhörter Brutalität vorgegangen.

      Natürlich mußte der Vizekönig in Lima entscheiden, was im Fall Potosi zu tun war. Don Ramón de Cubillo hatte man somit bereits abgeschrieben. Es mußte ein neuer Provinzgouverneur ernannt und eingesetzt werden, denn Don Ramón hatte eindeutig versagt. Vielleicht würde es der jetzige Bürgermeister sein? Der Bürgermeister hegte in dieser Beziehung einige Zuversicht. Schließlich war er derjenige, der im entscheidenden Moment wieder einen klaren Kopf gezeigt und die richtigen Beschlüsse gefaßt hatte.

      Um den Silberabbau überhaupt wieder aufnehmen zu können, brauchte man in Potosi vor allem Arbeitskräfte. Des weiteren brauchte man einen Ersatz für die zerstörten Gerätschaften, und man brauchte auch Soldaten, mehr Soldaten für den Schutz der Stadt und ihrer Mine.

      Das alles waren Angelegenheiten, die nur der Vizekönig regeln konnte. Der Bote würde Lima nicht so schnell erreichen. Also würden der Bürgermeister und die Stadträte ziemlich lange auf die Antwort des Vizekönigs warten müssen.

      Am Nachmittag dieses Tages kehrten die Soldaten nach Potosi zurück. Der Stadtkommandant hatte bereits auf eigene Faust die Umkehr beschlossen. Er hatte begriffen, daß er auf einen Schwindel hereingefallen war, auf einen frechen, ungeheuerlichen Betrug von nicht zu ermessender Tragweite.

      Es

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