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das Messer bereit. Den ersten, der mich anfaßt, steche ich ab wie ein Schwein, dachte er grimmig.

      Die anderen Bürger hatten inzwischen die Casa de la Moneda erreicht und drangen durch die Tür, die nur angelehnt war, ins Innere ein. Sie erwischten die Plünderer, die gerade die letzten Barren verteilten, und stürzten sich wutentbrannt auf sie.

      Palmiro wurde von einem Knüppelhieb getroffen und stürzte schwer auf den Fußboden. Er stöhnte auf. Jemand trat ihm in die Seite. Er sah rot, warf sich herum, packte den ersten Knüppel, den er erwischen konnte, und riß seinen Besitzer um. Dann stieß er diesem das Knüppelende in den Bauch, rappelte sich wieder auf und drosch wild um sich.

      Der Kampf tobte durch alle Räume. Die Bürger waren in der Überzahl, aber die Galgenstricke hatten Messer, die sie jetzt einsetzten. Ein Bürger sank getroffen zu Boden, ein anderer sank über einem Tisch zusammen. Schreie gellten, Flüche ertönten.

      Salimbene und El Moreno waren in der Residenz des Gouverneurs noch ungestört, aber sie gaben sich keinen Illusionen hin. Die Bürger rückten an und würden über sie herfallen, wenn sie ihnen nicht wie durch ein Wunder entgingen.

      Lopez Garcia Marquez führte seinen Trupp von wütenden, knüppelschwingenden Männern über die Plaza. Noch mehr Männer hatten sich zu ihnen gesellt, und alle wollten den Plünderern an den Kragen. Die einen handelten aus Neid, die anderen aus Empörung, daß sich diese Strolche am königlichen Eigentum vergriffen.

      El Moreno entdeckte in einem der vielen Räume einen reich verzierten Schrank. Er öffnete ihn – und prallte zurück. In dem Schrank hielt sich ein Mensch verborgen: ein Indiomädchen, nur spärlich bekleidet.

      Er grinste. „Hallo, so eine Überraschung! Was treibst du denn hier?“

      „Tu mir nichts“, sagte sie, und er sah, daß sie zitterte.

      Salimbene trat ein. „Was ist los, Moreno?“

      „Sieh mal, was wir hier haben.“ El Moreno musterte das Mädchen ungeniert von oben bis unten. Sie war sehr jung, sehr zart und sehr hübsch.

      Salimbene war neben ihm und schaute sich das Mädchen ebenfalls an.

      „Warum bist du nicht abgehauen?“ fragte er. „Alle Sklaven sind freigelassen worden.“

      „Ich – habe Angst gehabt“, stammelte sie. „Angst. Vielleicht ist alles nur ein Spiel. Ein Trick. Don Ramón hat sich immer neue Spiele einfallen lassen.“

      „So ein perverses Schwein, dieser Don Ramón“, sagte El Moreno. Er grinste immer noch und schien das Mädchen mit seinem Blick auf der Stelle festnageln zu wollen.

      „Verstehe schon“, brummte Salimbene. „Aber nein, es ist kein Trick. Lauf jetzt weg. Keiner wird dich aufhalten.“

      „Wir könnten sie aber auch mitnehmen“, schlug El Moreno vor.

      „Schlag dir das aus dem Kopf.“

      „Als Kurzweil für unterwegs, meine ich.“

      „Ich weiß schon, was du meinst“, sagte Salimbene zu seinem Kumpan. „Aber daraus wird nichts. Klar?“ Er ließ das Indiomädchen aus dem Schrank klettern und wollte ihr den Weg zeigen, wie sie am besten aus dem Palast entkam. Aber sie kannte sich besser aus und schlüpfte durch eine Hintertür ins Freie – während von vorn die lärmenden, fluchenden Bürger hereinstürmten.

      Salimbene und El Moreno hatten inzwischen festgestellt, daß sie nicht die einzigen waren, die sich in der Residenz umsahen. Eine andere Gruppe von Dieben war hier – acht Kerle, die im oberen Stockwerk plünderten.

      „Haut ab!“ zischte ihr Anführer Salimbene zu, als er diesen auftauchen sah. „Zeigt die Hacken! Ihr habt hier nichts verloren!“

      „Halt mal die Luft an“, sagte Salimbene und wies nach unten. „Da kommen die Bürger. Wenn wir uns nicht gegen sie zusammentun, sind wir geliefert.“

      Das sah der Anführer der Bande ein. Gemeinsam stürmten sie über die breite Treppe nach unten und warfen sich den Angreifern entgegen. El Moreno lieferte sich mit einigen Bürgern bereits ein hitziges Knüppel-Messer-Gefecht. Es endete damit, daß zwei der Bürger tot zu Boden sanken. Und dann ging der Kampf erst richtig los.

      Rubirosa sah, wie einer der Bürger – er schien sich offenbar verirrt zu haben – plötzlich vor dem Eingang der Gasse auftauchte. Rubirosa drückte den Zeigefinger gegen die Lippen und zischte: „Pst!“

      Aber das nutzte herzlich wenig. Der Bürger stieß einen Schrei aus.

      „Hier ist einer!“ brüllte er.

      Rubirosas Messer flog, wie durch Zauberei gelenkt, durch die Luft und traf den Mann mitten in die Brust. Der Mann fiel auf den Rücken und rührte sich nicht mehr.

      Rubirosa trat zu ihm, nahm das Messer wieder an sich, spuckte neben ihm aus und brummte: „Verfluchter Narr.“

      Der Schrei des Mannes hatte jedoch andere Bürger angelockt. Sie stürzten heran. Rubirosa packte die Deichsel des Karrens und zerrte ihn durch die Gasse davon. Sie hetzten hinter ihm her und holten rasch auf. Er begann zu laufen und wollte um eine Ecke lenken, aber der Karren kippte um, und die Silberbarren verteilten sich auf dem Katzenkopf-Pflaster.

      „Auf ihn!“ brüllte ein Bürger. „Das ist einer der Silberdiebe!“

      Mit dicken Knüppeln warfen sie sich auf Rubirosa, doch sie hatten nicht mit seiner Schnelligkeit gerechnet. Ehe sie richtig auf ihn einhauen konnten, hatte er zwei von ihnen bereits mit seinem Messer verletzt. Sie prallten gegen die Mauern der Häuser und krümmten sich vor Schmerzen. Die anderen schienen irritiert zu sein. Es waren sechs oder sieben, wie Rubirosa mit einem Blick feststellte.

      Er stürzte sich auf sie, sein Messer tanzte wie ein Irrlicht. Ganz allein warf er sie zurück, und schließlich flüchteten jene, die noch nicht getroffen waren, zur Plaza.

      Aber auch Rubirosa hatte einige kräftige Hiebe einstecken müssen. Er stöhnte, bückte sich und versuchte, den Karren wieder aufzurichten. Es war kein leichtes Stück Arbeit. Der Karren war schwerer, als er gedacht hatte.

      Völlig unverhofft stießen jetzt jedoch Salimbene und El Moreno zu ihm. Sie halfen ihm, den Karren auf die Räder zu stellen und erneut zu beladen.

      „Hier ist der Teufel los“, sagte Salimbene. „Wir sollten das Durcheinander ausnutzen und erst mal mit dem Karren verschwinden.“

      Sie hatten einen günstigen Moment genutzt und sich aus der Residenz – wo es ohnehin nicht mehr viel zu holen gab – zurückgezogen. Während der Kampf weiterging, entfernte sich das Trio nun mit dem Karren zum südlichen Ausgang der Stadt.

      So entwickelte sich in Potosi eine geradezu chaotische Situation – zumal die Polizeikräfte der Stadt mit der an die hundert Mann starken Garnisonstruppe nach Sucre abmarschiert waren. Die Spitzbuben, Langfinger und Gauner indessen ließen sich noch lange nicht ins Bockshorn jagen – wohl wissend, daß es zur Zeit keine Ordnungsgewalt, keine Büttel und keine Obrigkeit gab.

      Sie zeigten den Bürgern die Zähne, und da Gewalt ihr Metier war und sie keinerlei Hemmungen hatten, schlugen sie auch weiterhin brutal zu und bedienten sich ihrer Messer. In dieser Nacht vom 29. auf den 30. Dezember regierte der Mob die Stadt. Es gab fast ein Dutzend Tote und mehr als doppelt so viele Verletzte – darunter auch Lopez Garcia Marquez, der geglaubt hatte, mit seinem Trupp die Gouverneursresidenz „reinigen und leerfegen“ zu können.

      Garcia Marquez mußte kapitulieren und mit seinen Männern flüchten. Blutend und hinkend kehrte er in sein Haus zurück. Er war am linken Oberschenkel verletzt. Er hatte sich zum Anführer der Bürger von Potosi erhoben, mußte aber einsehen, daß er sich verkalkuliert hatte. Keiner konnte diesem Pöbel trotzen.

      So sollten es Männer wie Romano Casablanca sein, die in ihrer Furcht instinktiv doch den richtigeren Weg gewählt hatten. Sie blieben unversehrt, während die „heldenhaften“ Kämpfer angeschlagen in ihre Häuser flohen und Türen und Fenster verrammelten.

      Salimbene, El Moreno,

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