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ist alles meine Schuld“, sagte Tores.

      „Nein“, entgegnete der Sargento. „Wir wären so oder so in die Falle gelaufen. Und wenn der Teniente seinen Wahnsinn weiter getrieben hätte, wären wir jetzt alle tot.“

      „Wir haben Glück“, sagte Tores.

      „Und wir haben Gnade gefunden“, sagte der alte Soldat mit einem neuerlichen Blick zu Hasard. Er nahm seinen Helm ab und deutete eine Verbeugung an. „Danke, Señor. Auch ich werde nicht vergessen, was Sie getan haben.“

      Wenig später zogen die Soldaten ab und ließen die fünf Maultiere, die sie noch bei sich gehabt hatten, zurück.

      Hasards Männer räumten in mühsamer Arbeit den Felsquader weg. Carberry legte sich mächtig ins Zeug, und er war es schließlich, der dem Klotz den entscheidenden Stoß versetzte. Donnernd rumpelte der Felsen über die Kante und raste in die Tiefe. Als er unten aufprallte, war ein grollender Laut zu vernehmen.

      Hasard und seine Männer räumten noch einige kleinere Gesteinsbrocken aus dem Weg, dann begaben sie sich zu den fünf Maultieren.

      „Feine Tierchen“, sagte Carberry. „Gesund und munter sehen sie aus. Na, dann haben wir also dreißig Maultiere.“

      „Sicher“, sagte der Seewolf. „Aber diese zehn Viecher, die wir heute nacht erbeutet haben, werden wir bei der Indio-Familie lassen, bei der sich Fred befindet.“

      „Fred Finley“, sagte Ribault grinsend. „Den hätte ich glatt vergessen, wenn du mich nicht an ihn erinnert hättest. Ob sein Knöchelbruch wohl geheilt ist?“

      „Mit Sicherheit“, entgegnete der Seewolf. „Und vielleicht hat er inzwischen geheiratet.“

      Ribault mußte lachen. „Ach, du meinst, er ist auch, ein Indio geworden? Warum nicht?“

      „Ihr spinnt“, sagte der Profos. „Und ich habe keine Lust, mir das noch länger anzuhören.“ Er packte die Zügel der Maultiere. Sie sträubten sich ein wenig, folgten ihm dann aber brav und friedlich. „Euer Glück“, brummte er, „daß kein so störrisches Biest wie dieser Diego unter euch ist. Das hätte uns noch gefehlt.“

      Sie kehrten auf das Plateau zurück. Die Brustwehr wurde beseitigt, die Maultiere konnten passieren und wurden in die Höhlen gebracht. Jetzt war der Weg wieder frei.

      Hasard und die anderen Männer beobachteten noch einige Zeit den Pfad, aber die Soldaten tauchten nicht wieder auf. Sie waren wirklich froh, alles hinter sich zu haben, und sie dachten nicht im entferntesten daran, sich irgendeines Tricks zu bedienen.

      Tores schritt neben dem Sargento und dem alten Soldaten.

      „Wer ist dieser schwarzhaarige Kerl?“ fragte er, während sie mit raschen Schritten dem Verlauf des abfallenden Pfades folgten.

      „Das weiß keiner“, erwiderte der Sargento. „Er Spricht ohne jeden Akzent wie ein Spanier.“

      „Aber er ist keiner“, sagte der Alte. „Dafür lasse ich mir notfalls die Hand abhacken.“

      „Nicht nötig“, sagte der Sargento. „Ich bin selbst davon überzeugt, daß er ein Fremder ist. Vielleicht ein Italiener.“

      „Nein. Ein Engländer.“

      „Was?“ Der Sargento glaubte, nicht richtig gehört zu haben. „Ist das dein Ernst?“

      „Mein voller Ernst. Aber am besten vergeßt ihr das gleich wieder. Wir sollten es für uns behalten.“

      „Engländer in Potosi“, sagte der Sargento. „Das ist wirklich ungeheuerlich.“

      „Ich bin froh, daß ich mit heiler Haut davongekommen bin“, sagte Tores. „Damit hätte ich nicht mehr gerechnet. Ich hatte schon mein letztes Gebet gesprochen. Jetzt kann ich mich vom Pfarrer neu taufen lassen.“

      „Hast du eigentlich Don Ramón irgendwo gesehen?“ fragte ihn der Alte.

      „Nein. Aber in einer Höhle jammerte jemand. Vielleicht war er das.“

      „Ich kann ihn nicht bedauern“, sagte der Sargento. „Er ist ein widerlicher Sadist und ein perverser Hund. Wenn sie ihn ein bißchen piesacken, geschieht es ihm ganz recht.“

      „Wie gut, daß der Teniente das nicht hören kann“, sagte der Alte. „Nun, er hat sein Fett bekommen. Recht so. Keiner weint ihm eine Träne nach. Oder?“ Er wandte sich um und blickte die anderen an. „Täusche ich mich?“

      Sie schüttelten die Köpfe. Gomez hatte auch sie in den Tod treiben wollen. Statt dessen hatte er ins Gras gebissen. Er hatte es selbst so haben wollen, es war seine eigene Schuld. Man konnte ihn wirklich nicht bedauern, beim besten Willen nicht.

       8.

      Delon und Ventura waren die ganze Zeit über nicht untätig gewesen. Sie hatten den Geräuschen gelauscht. Draußen fand ein Kampf statt – die Soldaten aus Potosi waren da. Das führte zwangsläufig dazu, daß der Feind abgelenkt war und sich um seine Gefangenen nicht kümmern konnte.

      Sie waren gefesselt und geknebelt, aber sie konnten auf dem Hosenboden durch die Höhle rutschen. Bis an die Wand. Hier gab es scharfkantige Vorsprünge, an denen sie – mit einigen Verrenkungen – ihre Handfesseln reiben konnten.

      Ventura glaubte, die Stricke in kurzer Zeit durchscheuern zu können. Aber er irrte sich. Es war ein mühseliges Werk, das sehr viel Zeit erforderte. Immer wieder hielt er inne. Bald wollte er es aufgeben, denn der ersehnte Erfolg stellte sich nicht ein. Die Fesseln waren immer noch straff wie zuvor, sie hatten sich nicht einmal ein bißchen gelockert.

      Delon rieb und scheuerte eifriger und kam schneller voran. Er befand sich auch in einer günstigeren Position. Der scharfkantige Stein, an dem er die Fesseln rieb, ragte nur wenige Zoll über dem Boden aus der Höhlenwand. Er konnte im Sitzen arbeiten, während Ventura sich halb aufrichten mußte – eine verkrampfte Haltung, die ihm viel Energie abverlangte.

      Die Zeit verstrich. Draußen war es ruhig geworden. Vorbei waren die Schüsse und Schreie, vorbei auch das Reden der Männer. Stille war wieder eingetreten. Delon und sein Kumpan vermuteten, daß die Feinde sich schlafen gelegt hatten. Das war auch richtig: Nur Dan O’Flynn und Pater Aloysius gingen bei der Barriere Wache.

      Delon schloß die Augen. Ununterbrochen bearbeitete er die Stricke, das harte, scharfe Gestein schnitt ihm auch in die Haut. Blut rann ihm über die Hände. Die Gelenke begannen wie verrückt zu schmerzen. Er kümmerte sich nicht darum. Wie besessen feilte er an dem Tauwerk herum. Seine Finger waren wie abgestorben, die Stricke schienen tief ins Fleisch einzudringen. Delon achtete nicht darauf, er hatte nur sein Ziel vor Augen.

      Aus den Nachbarhöhlen drangen Schnarchgeräusche herüber. Irgend jemand schien auch im Schlaf zu wimmern. Don Ramón, diese feige Ratte, dachte Delon verächtlich. Zur Hölle mit ihm!

      Wenn das Vorhaben gelang, mußte er Ventura befreien. Gemeinsam würden sie von diesem Plateau der Hölle fliehen, das sie anderenfalls wahrscheinlich nicht mehr lebend verlassen würden.

      Delon hatte seine eigenen Vorstellungen von der Art, wie die Bastarde, wie er sie nannte, weiterhin mit ihnen verfahren würden. Denen war nicht daran gelegen, sie auch noch als zusätzlichen Ballast mitzuschleppen.

      Und wenn die Kerle sie nicht töteten, dann würden das die drei Indios besorgen. Den ganzen Tag über waren sie herumgeschlichen und hatten Delon und Ventura immer wieder mörderische, haßerfüllte Blicke zugeworfen.

      Flucht – das war die einzige Rettung. Eins war dabei jedoch gewiß: Er, Delon, würde für den dicken Don Ramón keinen Finger rühren. Ventura war mit Sicherheit der gleichen Ansicht.

      Und wenn der Hund tausendmal der Provinzgouverneur gewesen war – jetzt zählte er keinen Silberling mehr. Sein Leben war nichts wert, und es brachte ihnen nichts ein, wenn sie ihn mitschleiften. Er würde sie durch sein Gejammer ohnehin nur verraten. Außerdem war er zu langsam. Nein,

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