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haben. Er würde es wahrscheinlich nicht schaffen, seine Fesseln vor dem Hellwerden aufzureiben. Nur er, Delon, mußte es fertigbringen. Von ihm hing alles ab.

      Dan O’Flynn und Pater Aloysius unterhielten sich leise miteinander. „Wie spät ist es deiner Meinung nach?“ fragte der Gottesmann.

      „Gegen drei Uhr, schätze ich.“

      „Glaubst du, daß wir heute nacht noch Besuch erhalten?“

      „Von weiteren Soldaten?“

      „Ja, natürlich“, brummte Pater Aloysius. „Nicht vom Heiligen Geist.“

      „In Arica weiß man nichts“, murmelte Dan. „Wir haben die Boten ja abgefangen. Daß von Potosi aus eine Nachhut unterwegs ist, ist ziemlich unwahrscheinlich. Und die zehn, die wir haben laufenlassen, kehren bestimmt nicht zurück.“

      „Also bleibt alles ruhig“, sagte der Gottesmann. „Ja, das denke ich auch. Im Morgengrauen können wir wohl wieder aufbrechen. Aber was wird dann aus den Gefangenen?“

      „Die nehmen wir mit, soviel mir bekannt ist.“

      „Wie weit ist es noch bis zur Küste?“ überlegte Pater Aloysius. „Drei bis vier Wochen werden wir wohl unterwegs sein. Wenn ich daran denke, daß der Profos den Dicken wieder antreiben wird, wird mir anders.“

      „Es könnte auch sein, daß Hasard Don Ramón irgendwo auf dem Altiplano zurückläßt“, sagte Dan.

      „Und die beiden anderen?“

      „Es wäre wohl das beste, wenn sie auch in den Bergen bleiben würden.“ Dan sann darüber nach. Welche Probleme brachte das mit sich? Würden dieser Delon und dieser Ventura nicht versuchen, ihnen trotzdem zu folgen? Oder eilten sie geradewegs nach Arica, um Alarm zu schlagen? Gewiß – das würde ihre Rache sein. Und diesmal erreichten sie Arica, zumal Hasard und sein Trupp ja nicht nach Arica, sondern nach Tacna gingen. Don Ramón de Cubillo hingegen stellte keine Gefahr dar, wenn er ausgesetzt wurde, denn er bewegte sich ja mit der Geschwindigkeit einer Schnecke.

      Während Dan und der Pater über diesen Punkt nachdachten, war es Delon gelungen, seine Handfesseln zu lockern. Wie wild wetzte er sie an dem scharfen Felsen. Die Hände und die Gelenke brannten wie Feuer, aber jetzt, endlich, sprangen die Stricke auf.

      Er ließ sich mit dem Rücken gegen die Wand sinken und hob langsam die Hände. Sie waren völlig gefühllos, er hatte Schwierigkeiten, sie zu bewegen. Aber schließlich gelang es ihm, sich den Knebel aus dem Mund zu zerren. Er atmete auf. Wieder war er ein Stück weiter. Jetzt kamen die Fußfesseln an die Reihe. Aber zuerst mußte er seine Finger massieren, damit er sie wieder richtig bewegen konnte.

      Jede Regung tat weh. Er biß die Zähne zusammen. Die Gelenke bluteten immer noch, doch er hatte keine Zeit, sie zu verbinden. Das würde er später tun. Jetzt kam es darauf an, so schnell wie möglich zu verschwinden, bevor die Kerle aufwachten oder auf den Gedanken verfielen, ihre beiden Gefangenen zu kontrollieren.

      Allmählich spürte Delon die Finger wieder, und er begann, die Knoten der Fußfesseln zu lösen. Zunächst hatte es den Anschein, als würde es nicht gelingen, dann aber dröselte er den einen Knoten auf, und die Stricke lockerten sich. Der Rest war ein Kinderspiel.

      Endlich war er frei, die Fesseln und der Knebel lagen auf dem Höhlenboden. Er kroch zu Ventura und gab diesem durch ein Zeichen zu verstehen, er solle sich auf den Boden setzen. Ventura sank herunter. Er hatte wieder versucht, die Handstricke aufzuwetzen, aber für ihn war es ein viel zu langwieriges, unmögliches Unterfangen. Erleichtert verfolgte er mit seinem Blick, wie sich Delon vor ihn hinkniete, ihn von den Handfesseln befreite und ihm den Knebel aus dem Mund nahm.

      „Danke, Amigo“, raunte er ihm zu. „Hölle, ich dachte schon, ich werde verrückt.“

      „Sei still“, flüsterte Delon. „Sie dürfen uns nicht hören.“

      Wenige Augenblicke später war Ventura auch von seinen Fußfesseln befreit. Über die weitere Verfahrensweise brauchten sie sich nicht abzusprechen. Sie mußten ungesehen entkommen, natürlich mit zwei Maultieren, die sie schnell davontragen und etwaige Verfolger abhängen würden.

      Geduckt verließen sie die Höhle und schlichen hinüber zu den angehobbelten Maultieren. Sie hatten sie fast erreicht, da geschah etwas, mit dem sie absolut nicht gerechnet hatten. Laute, trompetenartige Geräusche ertönten – Diego, das Maultier, hatte sie bemerkt und schlug auf seine Weise Alarm.

      Dan O’Flynn und Pater Aloysius, die sich nach wie vor auf ihrem Wachtposten befanden, fuhren herum und entdeckten die beiden Gestalten bei den Maultieren.

      „He!“ stieß Dan hervor.

      Delon und Ventura waren wie vom Donner gerührt, aber jetzt war es Delon, der als erster reagierte.

      „Weg!“ zischte er.

      Sie ergriffen die Flucht und jagten über das Plateau westwärts, dorthin, wo der Pfad in Richtung Arica verlief.

      „Halt!“ brüllte Dan. „Oder ich schieße!“

      Aber Delon und Ventura dachten nicht daran, stehenzubleiben. Sie hetzten weiter. Die Distanz zwischen ihnen und dem Gegner wuchs. Im Dunkeln hatten sie die Chance, zu entkommen, gleich konnte man sie nicht mehr sehen.

      Wir schaffen es, dachte Delon triumphierend, sie erwischen uns nicht mehr, diese Hunde!

      Frei! schrie es in Ventura. Ab zwischen die Felsen, da kriegen sie uns nicht!

      Carberry fuhr von seinem Lager hoch und stieß sofort Jean Ribault mit dem Ellenbogen an, der neben ihm lag. Ribault fluchte, richtete sich aber ebenfalls auf und vernahm die Rufe, die von der Barriere aus ertönten.

      „Was ist da los?“ fragte er.

      „Diego hat offenbar im richtigen Moment Blähungen gehabt“, sagte der Profos. „Holle, wenn mich nicht alles täuscht, reißen unsere Gefangenen gerade aus!“

      Hasard war bereits auf den Beinen und wollte ins Freie stürmen, stoppte aber ab, als er sah, wie Dan und Pater Aloysius die Musketen hoben. Er durfte ihnen nicht in die Schußlinie geraten.

      Dan und der Pater feuerten. Die Musketen krachten fast gleichzeitig. Im Aufzucken der Mündungsblitze konnte Hasard die beiden flüchtenden Gestalten deutlich erkennen. Sie hatten den Pfad fast erreicht, aber Dan und auch der Pater waren hervorragende Schützen.

      Delon wurde ein Stück nach vorn geschleudert und brach zusammen. Er blieb auf dem Bauch liegen. Ventura krümmte sich, humpelte noch ein paar Schritte weiter und fiel dann ebenfalls hin. Er wälzte sich auf den Rücken und stöhnte auf.

      Pater Aloysius hatte keinerlei Hemmungen gehabt, auf Ventura, den er aufs Korn genommen hatte, abzudrücken. Bei ihm galt das biblische Auge um Auge, Zahn um Zahn.

      „Recht so“, sagte er grimmig und ließ die Muskete wieder sinken. „Das ist die Strafe des Herrn. Warum haben sie sich bloß eingebildet, sie könnten fliehen, ohne daß wir es merken?“

      „Ich weiß es nicht“, sagte Dan. „Aber die haben wohl gedacht, wir würden sie so oder so töten.“

      „Das beweist, wes Geistes Kind sie sind“, sagte Pater Aloysius. „In ihrer Vorstellungswelt gibt es nur Galgenstricke und Schlagetots, wie sie es sind.“

      Delon vernahm noch diese Worte, und er spuckte einen Fluch aus. Er wollte sich auf den Rücken drehen, irgend etwas unternehmen, davonkriechen, aber ein glühender Hammer schien in seinen Rücken zu schlagen, und von einem Moment auf den anderen erlosch sein Lebenslicht. Er sackte ganz auf den Boden und hörte nicht mehr, wie sich die Männer näherten und über ihn beugten.

      Hasard war als erster bei ihm.

      „Tot“, sagte er, dann wandte er sich Ventura zu.

      Ventura war noch am Leben. Voll Haß blickte er zu dem Riesen hoch und würgte ein paar Worte hervor: „Fahr – zur – Hölle …“

      „Bestimmt nach euch“, sagte Hasard grimmig.

      „Du

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