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daß Roger Lutz im Tacna-Tal zarte Bande zu einer jungen Indiofrau geknüpft hatte, die Witwe war. Ihr Mann war nachweislich in den Minen von Potosi umgekommen. Roger hatte tatsächlich hart im Klostergelände geschuftet, und aus diesem Grund hatte Pater Franciscus beide Augen zugedrückt, als er bemerkte, was sich da tat.

      Roger hatte die ganze Zeit über – während die Trupps sich ablösten – oben im Tal bleiben dürfen. Es war eine schöne Zeit für ihn gewesen, er würde sie nicht vergessen. Anacoana – so hieß die junge Witwe – war eine hübsche, zärtliche und kluge Frau. Sie konnte gut Spanisch, und er hatte sich ausgezeichnet mit ihr verständigen können, in allen Bereichen.

      Die Jollen brachten die Männer an Bord der „Estrella de Málaga“. Auch die, die sich noch auf der „San Lorenzo“ befanden, setzten zu der Karavelle über. Ben Brighton hatte eine Besprechung anberaumt. Sie enterten an der Jakobsleiter auf und versammelten sich auf der Kuhl.

      Roger hieb seinem Freund Grand Couteau, den er jetzt wiedertraf, kräftig auf die Schulter. Wie Roger hatte auch Grand Couteau zu dem ersten Trupp gehört, der sich in das Tal hinaufbegeben hatte, doch er war dann, bei der ersten Ablösung, zur Ankerbucht zurückgekehrt.

      „Wie ist es dir denn so ergangen?“ fragte Grand Couteau, als sie sich zum Backbordniedergang zurückzogen, der die Kuhl mit der Back verband. „Man hört ja die tollsten Geschichten von dir.“

      „Das ist eine Frau“, schwärmte Roger. „Von der könnte sich so manche Französin eine Scheibe abschneiden.“

      „Na, nun übertreibe mal nicht.“

      „Es ist die reine Wahrheit.“

      „Gut für dich“, brummte Grand Couteau. „Aber alles hat ja mal ein Ende, leider. Es geht nach Arica, wir wollen den Dons ein bißchen ans Leder.“

      „Das trifft sich gut“, sagte Roger, und plötzlich war er sehr ernst. Er nestelte etwas aus seinem Wams hervor, ein zusammengefaltetes Stück Pergament. Er öffnete es und zeigte dem erstaunten Grand Couteau die Zeichnung eines häßlichen Spaniers, der einen Helm trug.

      „Hölle und Teufel!“ entfuhr es Grand Couteau. „Wer ist denn das? Und wer hat das gemalt?“

      „Anacoana.“

      „Deine Indio-Frau?“

      „Ja. Dieser Kerl hier, ein spanischer Sargento, hat vor zwei Jahren ihren Mann aus dem Tal von Tacna verschleppt. Damals hat sie sich das Gesicht des Hundes sehr genau eingeprägt, unauslöschlich, verstehst du?“

      „Ja. Es will mir aber nicht in den Kopf, wie man aus dem Gedächtnis so ein Gesicht zeichnen kann.“

      „Sie hat eben ein Talent in dieser Richtung“, sagte Roger. „Ich habe auch Pater Franciscus nach diesem Kerl befragt, und er hat mir bestätigt, daß es sich um einen Sargento gehandelt hat. Aus Arica.“

      Grand Couteau stieß einen leisen Pfiff aus. „Das wird ja immer interessanter. Nun sieh dir diesen Hurensohn an. Ein übler Typ, nicht wahr?“

      „Ja. Damals tauchte er mit einem Trupp von acht Soldaten auf und requirierte zehn Indios für die Minen von Potosi.“

      „Diese Schweine“, sagte Grand Couteau. „Man sollte sie alle rauswerfen aus diesem Land.“

      „Unter den Requirierten befand sich auch Anacoanas Mann“, fuhr Roger fort. „Der Sargento schlug ihn vor Anacoanas Augen zusammen.“

      „Hoffentlich finden wir den in Arica wieder. Das gäbe ein feines Fest.“ Grand Couteau blickte den Freund mit grimmiger Miene an. „Ich schätze, da melden wir uns als erste freiwillig, was?“

      Roger entgegnete: „Pater Franciscus hat mir alle Einzelheiten dieses Gesichts bestätigt. Die Zeichnung sei haargenau, hat er gesagt. Schau dir die Hakennase an.“

      „Ich werde sie ihm breitschlagen“, sagte Grand Couteau. Er war ein kleiner Mann, aber schnell und wendig. Und er war ein Meister im Umgang mit dem Messer, daher sein Name, der seinen Kameraden als der einzig richtige geläufig war.

      „Das spitze Kinn und die eng zusammenstehenden Augen“, sagte Roger. „Das sind Details, die man sich leicht merkt und an denen man ihn erkennt.“

      Jan Ranse trat zu ihnen. „He, ihr beiden! Was habt ihr zu bereden? Ist das ein Geheimnis?“

      „Eigentlich nicht“, erwiderte Roger und zeigte ihm die Zeichnung. Dann berichtete er, was er gerade seinem Freund erzählt hatte.

      Jan Ranse hörte sich alles schweigend an. Er konnte Roger Lutz gut leiden und verstand, was ihn bewegte. Überhaupt, Roger war ein feiner Kerl und guter Kamerad, mit dem man durch dick und dünn ging und der für jeden seinen Kopf gegeben hätte.

      Deshalb hatten die Männer der „San Lorenzo“ – auch Jan – ebenfalls beide Augen zugedrückt, was das Liebesabenteuer ihres Franzosen betraf, sehr wohlwollend sogar, denn jeder konnte bestätigen, daß Roger wirklich wie ein Kesselflicker im Tal gearbeitet hatte.

      Und ein bißchen hatten sie auch an sein mißlungenes Liebesabenteuer mit der Dame Juana gedacht, bei dem beide im Wasser gelandet waren, als man auf dem Weg nach Arica der Galeone der Komödianten begegnet war. Anschließend hatten die Mannen ihren armen Roger verdroschen.

      Nicht, daß sie deswegen so etwas wie Reue empfanden, aber Roger Lutz war eben Roger Lutz. Ein prächtiger Kerl, ein richtiger Draufgänger, und die Frauen flogen ihm zu. Man durfte das alles eben nicht so eng sehen, wie Jan zu sagen pflegte.

      Ben Brighton hatte auch nur still gelächelt, als ihm gemeldet worden war, Roger hätte oben, im Tal, noch zu tun und brauche nicht abgelöst zu werden. Jetzt aber war es unvermeidlich gewesen: Die Arbeit war getan, und alle waren an Bord zurückbeordert worden.

      Ben trat an die Schmuckbalustrade des Achterdecks der „Estrella“ und sagte: „Männer, ich möchte mich jetzt dem Problem Arica zuwenden. Wir hatten bereits darüber gesprochen, daß es nur richtig sei, die Dons mit einem Besuch zu beehren. Wir können auf diese Weise einen guten Treffer landen und Hasard und dem Potosi-Trupp den Rücken freihalten, falls die Dons in Arica jemals auf die Idee verfallen sollten, nach Potosi zu marschieren, beispielsweise mit einem Trupp Sklaven und Soldaten.“

      „Oder falls sie aus Potosi alarmiert werden, wenn dort etwas schiefläuft“, sagte Big Old Shane. „Das sollten wir auch nicht vergessen.“

      „Ich melde mich freiwillig für das Unternehmen Arica!“ rief Roger Lutz.

      „Ich auch!“ fügte Grand Couteau mit lauter Stimme hinzu.

      Ben hob beide Hände. „Langsam, langsam. Als erstes sollten wir besprechen, wie wir die Stadt und den Hafen am besten in Angriff nehmen.“

      „Ja“, sagte Jan Ranse, dann, etwas leiser und zu Roger gewandt: „Dir spukt wohl nur noch der miese Sargento im Kopf herum, was?“

      „Genau das. Und weißt du auch warum?“

      „Weil er Anacoanas Mann geschlagen und verschleppt hat.“

      „Und warum hat er ihn deiner Meinung nach geschlagen?“ fragte Roger. „Warum ging der arme Teufel auf diesen Hund los?“ Seine Augen wurden etwas schmaler. „Ich will es dir verraten. Pater Franciscus hat es mir berichtet, ein wenig verklausuliert zwar, aber doch deutlich genug. Anacoanas Mann hat den Sargento angesprungen, weil der im Begriff gewesen war, ihr Gewalt anzutun.“

      „So ein Schwein“, sagte Grand Couteau.

      „Für mich gibt es kein größeres Verbrechen“, sagte Roger. „Kerle, die mit Gewalt Liebe erzwingen wollen, sind für mich der letzte Dreck. Er wird das noch schwer bereuen, der Señor Sargento, wenn ich ihn erwischen sollte.“

       2.

      Ben Brighton begann, das Vorhaben gegen Arica eingehender mit seinen Männern zu erörtern. Daß sich genügend Freiwillige finden würden, stand außer

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