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einmal oben im Tal von Tacna gewesen, um mich vorzustellen, wie ihr wißt. Nun, Pater Franciscus war so freundlich, mir eine Karte von Arica anzufertigen.“ Er faltete die Zeichnung auseinander und deutete mit dem Finger darauf. „Hier – der wohl wichtigste Punkt ist der Morro de Arica, eine Befestigungsanlage am Südende des Hafens.“

      Le Testu stieß einen leisen Pfiff aus. „Sehr gut. Das erleichtert uns natürlich einiges.“

      „Wie Pater Franciscus mir berichtet hat, ist der Morro de Arica überhöht gelegen“, erklärte Ben. „Damit beherrscht er die Hafenbucht.“ Er händigte Le Testu die Karte aus, und dieser zeigte sie herum. Danach faltete er sie zusammen, steckte sie ein und bedankte sich bei Ben.

      „Großartig“, sagte Roger Lutz grimmig, nachdem er einen Blick auf die Karte geworfen hatte. „Dann haben wir also zwei Zeichnungen, nicht wahr?“ Er holte noch einmal die Skizze zum Vorschein, die Anacoana angefertigt hatte und wies sie seinen Kameraden vor. „Sollte jemand in Arica diesen Kerl entdecken, dann gibt er mir sofort Bescheid, klar?“

      „Ja“, entgegnete Le Testu. „Aber du weißt, daß dies nicht unsere vordringliche Aufgabe ist, Roger. Du wirst dich genau nach meinen Befehlen richten.“

      „Selbstverständlich“, sagte Roger. „Das ist völlig klar. Du brauchst dir in der Hinsicht keine Sorgen zu machen.“

      Am Nachmittag verließ der achtköpfige Trupp mit der Jolle die Felsenbucht. Die Männer winkten ihren Kameraden an Bord der Schiffe noch einmal zu, dann verschwanden sie durch die Ausfahrt. Der letzte, von dem sie sich durch Zeichen verabschiedeten, war Jeff Bowie, der zu diesem Zeitpunkt gerade Wache an Land ging. Er hob die Hand und ließ sie wieder sinken.

      „Viel Glück“, sagte er, „und viel Erfolg, Leute, und laßt euch von den Dons nicht packen.“

      Wird schon schiefgehen, dachte er.

       3.

      Die Entfernung von der Flußmündung des Tacna bis nach Arica betrug nach den Berechnungen, die die Männer angestellt hatten, etwa fünfundzwanzig Meilen, wenn man dem Verlauf der Küste folgte. Le Testu und sein Trupp fanden bald heraus, daß sie sich nicht verkalkuliert hatten.

      „Kurz nach Mitternacht werden wir dort sein“, sagte Ferris Tucker. „Vorausgesetzt, der Wind schläft nicht ein.“

      „Den üblen Streich wird er uns ja wohl nicht spielen“, sagte Grand Couteau. „Er ist die ganzen Tage über nicht eingepennt, warum sollte er es jetzt tun?“

      „Die Natur ist unberechenbar, das weißt du wohl“, sagte Roger Lutz. „Aber auf ein bißchen Glück dürfen wir ja wohl hoffen.“

      Bei stetigem Südwestwind erreichten sie ihr Ziel tatsächlich, als Mitternacht gerade verstrichen war, am 16. Dezember also. Schweigend beobachteten sie die Lichter, die sie schon aus einiger Entfernung sehen konnten. Sie glitzerten und schienen sich zu bewegen, aber das war eine optische Täuschung.

      „Da hätten wir also Arica“, sagte Le Testu. „Die Lage scheint ruhig zu sein. Patrouillenboote der Dons kann ich nicht entdecken.“

      „Die können immer noch auftauchen“, murmelte Montbars. „Beschwör es lieber nicht.“

      „Oder sie kontrollieren die Küste mit Spähtrupps“, sagte Al. „Möglich ist alles.“

      „Das glaubst du doch selber nicht“, sagte Donald Swift. „Die Dons sitzen um diese Zeit lieber in ihren Kaschemmen und lassen sich mit Wein vollaufen.“

      Le Testu entblößte seine weißen Zähne. „Zu der Version neige ich auch. Das heißt aber noch lange nicht, daß wir unvorsichtig sein dürfen. Wir sind jetzt noch eine Meile von Arica entfernt, schätze ich. Wir sollten uns einen geeigneten Landeplatz suchen.“

      Sie nahmen Kurs auf das Ufer und stießen wenig später auf eine kleine Bucht. Sie bargen das Segel und legten an, und dann unternahmen Le Testu und Montbars einen kurzen Erkundungsgang.

      Rasch kehrten sie wieder zu den anderen Männern zurück.

      „Wir haben eine Hütte gefunden“, sagte Le Testu. „Sie ist leer. Für uns dürfte sie der ideale Unterschlupf sein.“

      „Nichts wie hin“, sagte Ferris. „Aber wir sollten uns auch die nähere Umgebung ein wenig anschauen. Es wäre dumm, in eine Falle von irgendwelchen Küstenhaien zu stolpern.“

      Die Hütte, die sich nur knapp zwanzig Schritte vom Ufer entfernt in einem Dickicht befand, wurde von dem gesamten Trupp inspiziert.

      Als sie im Inneren standen, sagte Al leise: „Der Bau scheint in Ordnung zu sein.“

      „He, hier hängen ja Netze!“ raunte Grand Couteau.

      „Sicherlich haben hier einmal Fischer gewohnt“, sagte Le Testu.

      „Hier ist eine Tür“, sagte Donald Swift. „Wo geht’s denn da hin?“

      Er öffnete die Tür. Sie führte in einen Anbau, in dem sie auf zerrissene Netze, Reusen und Angelgeschirr stießen. Ihre Augen hatten sich inzwischen gut auf die Dunkelheit eingestellt, und sie untersuchten alles eingehend.

      „Also, das eine ist sicher“, sagte Le Testu. „Die Hütte steht schon seit Monaten leer.“

      „Was den Bewohnern wohl zugestoßen ist“, sagte Albert. „Ob sie in einem Sturm umgekommen sind? Möglich ist es.“

      „Wir werden es nie erfahren“, sagte Al. „Aber ungewollt erweisen sie uns noch einen großen Dienst. Dann mal los! Richten wir es uns so gemütlich wie möglich ein.“

      Ferris war wieder ins Freie getreten und sah sich aufmerksam überall um. Er kehrte zu den Kameraden zurück und meldete: „Es gibt einen kleinen Bach, nicht weit entfernt. Er fließt in die Bucht. Ich habe das Wasser probiert, es schmeckt gut.“

      „Und wenn es vergiftet ist?“ fragte Albert.

      „Dann fällt Ferris gleich tot um“, sagte Roger Lutz. „Und dich stecke ich dann mit dem Kopf nach unten in den Bach, weil ich deine dusseligen Reden nicht mehr hören kann.“

      Albert zog es vor, zu schweigen.

      Die Hütte eignete sich wirklich hervorragend als Standquartier, wenn sie auch etwas baufällig war. Allein die Tatsache, daß sie in einem Gebüsch stand, war von großem Vorteil, denn Le Testu und seine sieben Begleiter konnten sicher sein, daß sie auch bei Tag nicht entdeckt wurden, weder von der Wasser- noch von der Landseite. Der Bach versorgte sie mit dem erforderlichen Trinkwasser. Was wollten sie mehr? Besser hätten sie es nicht treffen können.

      Sie kehrten zu der Jolle zurück, legten den Mast um und zogen das Boot an Land. Mit vereinten Kräften schleppten sie es in das Dickicht und hinter die Hütte, so daß es von See aus ebenfalls nicht zu sehen war.

      Die Männer setzten sich in der Hütte zusammen, und Le Testu ließ eine Flasche Wein kreisen, die er von Bord der „San Lorenzo“ mitgenommen hatte.

      „Wir bleiben erst mal hier“, sagte er. „Nach Mitternacht noch in Arica Erkundungen vorzunehmen, ist zu riskant.“

      „Ja“, pflichtete Montbars ihm bei. „Wenn es etwas früher gewesen wäre, hätten wir uns in die eine oder andere Kneipe schleichen und den Gesprächen lauschen können.“

      „Oder eine Señorita anquatschen können“, sagte Donald Swift. Sofort bekam er seinen üblichen verträumten Blick.

      „Schlag dir das aus dem Kopf“, sagte Le Testu. „Wir sind nicht deswegen unterwegs, vergiß das nicht.“

      „Einen Vorteil hätten wir, wenn wir jetzt noch aufbrechen würden“, sagte Al. „Wir hätten den Schutz der Dunkelheit.“

      „Morgen früh müssen wir darauf verzichten“, sagte Le Testu. „Aber dann herrscht in den Straßen und Gassen mehr Betrieb, und wir fallen weniger auf als jetzt.“

      „Ja,

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