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      Ventura hustete. Er wollte noch eine üble, lästerliche Verwünschung ausstoßen, doch seine Zunge gehorchte ihm nicht mehr. Er bäumte sich noch einmal auf, dann war es auch mit ihm aus. Schlaff sank er zusammen und blieb reglos liegen.

      Pater David und Pater Aloysius bekreuzigten sich und murmelten ein Gebet. Hasard richtete sich auf und drehte sich zu den Kameraden um. Er sprach es zwar nicht aus, aber er war für diese Lösung beinahe dankbar. Denn diese beiden Kerle vom Typ des Luis Carrero wären für sie eine ständige Belastung und Bedrohung gewesen.

      Daß Luis Carrero inzwischen nicht mehr lebte, wußten weder Hasard noch die Kameraden. Der Oberaufseher von Potosi hatte versucht, von der „Estrella de Málaga“ zu fliehen. Es war ihm auch gelungen, aber unweit der Ankerbucht der „Estrella“ und der „San Lorenzo“ hatte Plymmie, die Wolfshündin, ihn eingeholt und ihm die Kehle zerfetzt. So hatte auch Carrero sein verdientes Ende gefunden, doch Hasard und die Männer des Potosi-Trupps würden es erst erfahren, wenn sie wieder an Bord ihrer Schiffe waren.

      So zerbrach sich der Seewolf auch über Luis Carrero den Kopf. Wie sollte er mit ihm verfahren? Carrero hatte einen hundertfachen Tod verdient. Aber er, Hasard, war nicht sein Richter. Höchstwahrscheinlich würde er den Kerl auf einer einsamen Insel aussetzen. So dachte er, während er zu den Höhlen zurückkehrte.

      Und was sollte mit Don Ramón de Cubillo geschehen? Er war eine Last für sie, ein Klotz am Bein, wie Carberry richtig gesagt hatte. Welchen Sinn hatte es überhaupt, ihn bis nach Tacna mitzuschleppen? Er war als Geisel wertlos.

      Hasard nahm sich vor, den Dicken auf dem Altiplano auszusetzen – mit genügend Proviant und einer Waffe. Sollte er zusehen, wo er blieb oder wohin er sich wandte – falls er es überhaupt jemals schaffte, sich selbst durchzuschlagen.

      Toparca, Chupa und Atitla traten vor Hasard hin. Toparca begann zu sprechen. Hasard winkte Karl von Hutten zu, und dieser näherte sich, um die Worte des Indios zu übersetzen.

      „Ihr habt uns eine Arbeit abgenommen“, sagte Toparca. „Wir hätten sonst diesen Hunden die Kehlen durchgeschnitten.“

      „Ohne meine Genehmigung?“ fragte der Seewolf.

      „Ich hätte es getan“, erwiderte Chupa. „Auch auf die Gefahr hin, mir deinen Zorn zuzuziehen, weißer Bruder.“

      „Ihr müßt uns verstehen“, sagte Atitla. „Wir können nicht dulden, daß diese Bestien in Menschengestalt weiterleben. Darum verlangen wir auch, daß du den Dicken herausgibst.“

      „Das kann ich nicht tun“, entgegnete Hasard. „Begreift ihr das nicht? Ich habe schon versucht, es euch auseinanderzusetzen. Wenn sie sich wie die Tiere benehmen, dürfen wir es ihnen nicht gleichtun. Im übrigen hatte er uns geholfen, den Stadtrat von Potosi auszuschalten und es uns dadurch ermöglicht, euch zu befreien. Dafür versprach ich ihm eine Chance zum Überleben.“

      Pater Aloysius war zu ihnen getreten und schaltete sich jetzt ein.

      „Wir haben die Kerle auf der Flucht erschossen, aber nicht vorsätzlich getötet“, erklärte er den drei Indios. „Da besteht ein Unterschied. Habt also Geduld und haltet euch zurück. Der Herr wird über jene richten, die euch gequält haben. Und wenn ihr etwas gegen den Willen meines Freundes Hasard unternehmt, kriegt ihr es mit mir zu tun.“

      Betreten blickten sie zu Boden. „So haben wir es auch nicht gemeint“, sagte Toparca schließlich. „Es ist nur – der Haß, der in uns ist.“

      „Ich kann euch sehr gut verstehen“, sagte Hasard. „Aber keiner von uns wird seine Gegner mutwillig umbringen. So verhält es sich auch mit den Soldaten. Wenn sie nicht versucht hätten, unsere Stellung zu stürmen, wären sie alle noch am Leben.“

      „Dieser Narr von einem Teniente“, sagte Karl von Hutten. „Es hat ihn einen Dreck gekümmert, was mit seinen Soldaten geschah. Ein Glück, daß du ihn erschossen und die Überlebenden hast laufenlassen.“

      „Schon gut“, sagte der Seewolf einsilbig.

      Sie suchten wieder ihre Schlafplätze auf. Dan setzte die unterbrochene Wache an der Barriere fort. Pater David und Pater Aloysius bestatteten die beiden Toten unter Steinen. Erste graue Schleier im Osten kündigten das Heraufziehen des neuen Tages an – und der Trupp konnte sich bald wieder auf den Marsch begeben.

      Am Morgen dieses 2. Januar war Hasard wieder früh auf den Beinen und unternahm einen Rundgang über das Plateau. Er blieb stehen und betrachtete jene Stelle, wo der Pfad von Potosi her auf das Plateau führte und sie ihre Barriere errichtet hatten.

      „Die Brustwehr wird nicht ausreichen, weitere Verfolger abzuhalten“, sagte er zu Stenmark und Matt Davies, die die Wache übernommen hatten. „Wir sollten gründlich Vorsorgen, damit es keinen Ärger mehr gibt.“

      „Wie?“ fragte Stenmark. „Willst du wieder für eine Lawine sorgen?“

      „Das halte ich für das beste“, erwiderte der Seewolf. Er ging zu Ribault, der jetzt auch auf den Beinen war.

      „Komm mit“, sagte er. „Wir müssen noch mal in die Steilfelsen hinauf.“

      „Was hast du, vor?“

      „Ich will ein bißchen Zauber veranstalten“, sagte Hasard. „Damit wir auf jeden Fall den Rücken frei haben und vor weiteren unliebsamen Überraschungen sicher sind.“

      „Ich kann mir schon denken, was das wird“, sagte Ribault grinsend.

      Kurz darauf stiegen sie in die Felsen auf – vom Plateau aus gesehen links des Pfades, wo sie sich bereits in der Nacht bewegt hatten. Hasard begann, mit kleinen Steinen die Stellen zu markieren, wo er Pulverladungen anbringen lassen wollte.

      „Wir haben genug Fässer dabei“, sagte er. „Einige von ihnen können wir ruhig opfern – für unsere Sicherheit.“

      „Eben“, sagte Ribault. „Man soll nie an der falschen Stelle sparen.“

      „Was hältst du davon, wenn wir hier die stärkste. Ladung anbringen?“ fragte Hasard. Sie befanden sich unmittelbar über dem Pfad, an einem dicken Felsbrocken, der sich fast von allein auf den Pfad zu senken schien.

      „Eine gute Idee“, sagte Ribault. „Wenn die Ladung kräftig genug ist, löst sich der ganze Klotz und kracht auf den Pfad ’runter.“

      Wieder markierte Hasard die Stelle, dann krochen sie weiter. Wenig später hatte er insgesamt zehn Plätze für die Pulverfässer ausgesucht. Dann richtete er sich hoch auf und gab Carberry, Dan und den anderen, die inzwischen alle aufgestanden waren, durch Zeichen zu verstehen, daß sie die Pulverfässer bringen sollten.

      Don Ramón de Cubillo war seines Knebels wieder entledigt worden. Aus geweiteten Augen blickte er zu den Männern und verfolgte, wie sie die Pulverfässer in die Felsen trugen.

      „Was geht da vor?“ fragte er mit bebender Stimme Pater David.

      „Ach, meine Freunde bereiten nur ein kleines Erdbeben vor“, erwiderte Pater David.

      „Wem gilt das?“

      „Wem schon? Dir vielleicht, Señor?“

      „Ich habe Angst“, gestand Don Ramón. „Gräßliche Angst. Und ich will nicht sterben. Bewahre mich davor, Padre. Leg ein gutes Wort für mich ein. Ich flehe dich an.“

      „Bei wem soll ich es einlegen? Bei Gott?“

      „Bei dem schwarzhaarigen Ba… bei eurem Anführer.“

      Pater David verschränkte die Arme vor der Brust. „Warum hast du nicht früher darüber nachgedacht, Gouverneur?“

      „Über was?“

      „Darüber, daß man nicht ungestraft morden, andere Menschen quälen und sich auf ungesetzliche Weise bereichern darf?“

      „Aber – das tun doch alle.“ Don Ramón benetzte die spröden Lippen mit der Zunge. „Glaubst du, daß der Vizekönig von Lima anders ist als ich?“

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