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in den USA wurde die Zahl der Protestierenden auf 3,3 bis 4,6 Millionen geschätzt, was einige Kommentatoren dazu brachte, von den größten Protesten in der Geschichte der USA zu sprechen. Jetzt, knapp anderthalb Jahre später, ist davon nicht mehr viel zu sehen. Gewiss, wenn Donald Trump irgendwo auftritt, gibt es hier und da noch immer Proteste, aber im Großen und Ganzen sind sie deutlich seltener geworden und auch viel kleiner. Zudem richten sie sich nicht mehr gegen Trump an sich, sondern gegen einzelne politische Entscheidungen, die Trump getroffen hat oder zu treffen droht. Die Menschen, so scheint’s, haben sich an Trump als Präsidenten gewöhnt. Und vielleicht lässt sich diese Gewöhnung nirgends besser ablesen als an jener »Timeline of protests against Donald Trump«, die es zu einem eigenen Wikipedia-Artikel gebracht hat. Im Januar, Februar und März 2017 finden sich dort für nahezu jeden Tag Einträge. Und auch für April und Mai sind noch zahlreiche Proteste verzeichnet. Aber ab Juni geht die Zahl der Demonstrationen und auch die ihrer Teilnehmer zurück. In den Folgemonaten sind jeweils nur noch zwei oder drei Protestveranstaltungen aufgeführt, und ab Januar 2018 bricht die löchrig gewordene Kontinuität der Proteste endgültig ab. Seit dem 29. Januar sind keinerlei Proteste mehr vermerkt.

       11.06.2018

      Die Republikaner kämpfen nicht gegen die Demokraten, sie kämpfen gegen die Demografen. Da die (Noch-)Minderheiten aus Latinos, Afroamerikanern und Asian-Americans einen immer größeren Anteil an der Bevölkerung ausmachen, aber nur zu einem geringen Prozentsatz republikanisch wählen, wird das Verfahren der Wählerregistrierung in einigen Bundesstaaten verschärft oder möglichst streng gehandhabt. Und der republikanisch dominierte Oberste Gerichtshof hilft dabei. Mit Blick auf Ohio, einen Staat, der traditionell zwischen republikanischen und demokratischen Mehrheiten schwankt, wurde heute eine Klage abgewiesen, die das dortige Wahlrecht ändern wollte. Die Sache läuft so: Wer in Ohio zwei Jahre lang nicht wählt, wird von den Behörden angeschrieben. Wer sich daraufhin nicht zurückmeldet oder in den nächsten zwei Jahren wieder nicht wählen geht, wird aus dem Verzeichnis gestrichen. Bisher wurden auf diese Weise 144.000 Personen von den Listen entfernt. Als Grund für das Vorgehen geben die Behörden an, die Wählerverzeichnisse aktuell halten zu wollen. Aber wie so oft steckt hinter der formalen Gesetzestreue nichts weiter als formvollendete Machtpolitik, denn die Restriktionen und Streichungen betreffen vor allem sozial Schwache und ebenjene Minderheiten, die vorzugsweise die Demokraten wählen. Aber die Demografie ist gegen die Republikaner, und deshalb müssen sie noch mehr tun. Und das machen sie auch. In Wahlbezirken, die traditionell eher demokratisch wählen, ist die Zahl der Streichungen doppelt so hoch wie in jenen, in denen die Republikaner dominieren. Es geht, so scheint es, also weniger darum, die Wählerverzeichnisse aktuell zu halten, als darum, die aktuellen Machtverhältnisse in den Wählerverzeichnissen abzubilden – trotz und gegen alle Demografie.

       12.06.2018

      Donald Trump trifft Kim Jong-un.

      Hochzeit für die Diplowmaten.

       13.06.2018

      Erst legt Trump den Sumpf trocken, dann lässt Bildungsministerin Betsy DeVos das Hirnwasser ab. Vorzugsweise im eigenen Haus. 550 Beschäftigte hat das Bildungsministerium in den vergangenen anderthalb Jahren bereits verloren. Das heißt in DeVos’ Augen: eingespart. Die meisten arbeiteten in der Abteilung zur Einhaltung der Bürgerrechte und jener, die sich mit Finanzierungshilfen für Studierende und Bildungseinrichtungen befasst. Und es wird weitergehen. Die vermeintlichen Wasserköpfe der Verwaltung verschwinden, die Wüste wächst.

       14.06.2018

      Trump hat Geburtstag. 72 Jahre wird er heute, aber von Altersweisheit keine Spur. Und von Altersmilde ebenfalls nicht. Aber wozu auch? Durch seine Taktlosigkeiten hat er den Taktstock über ein ganzes Land in die Hände bekommen. Er brüllt, und die Affen tanzen. Die Diplomatie kann ihm gestohlen bleiben. Sie ist ohnehin nur ein Anagramm für »Opa Limited«.

       15.06.2018

      In den USA hat die Zahl der monatlichen UFO-Sichtungen die der Melania-Sichtungen erstmalig überschritten.

       16.06.2018

      Wo sind nur all die Verschwörungstheorien geblieben? Seit Trump im Amt ist, scheint das beliebte Realitäts-Genre auf dem absteigenden Ast zu sein. Zumindest was diejenigen betrifft, die den Präsidenten der USA und seine Regierungsmannschaft als Verschwörer betrachten und nicht als Aufklärer ansehen (wie es die Verschwörungstheoretiker von QAnon mit Trump machen). Aber wer weiß, vielleicht waren die Verschwörungstheorien bisher gar nicht, wie gemeinhin angenommen, ein Resultat geheimer Machenschaften, sondern ein Effekt der verschwurbelten Politikersprache. Dann wäre die Sache leicht zu erklären, dann haben Trumps Plautzereien die verschwörungstheoretischen Blasen zum Platzen gebracht und neue sind nicht fabrizierbar. Denn jeder weiß: Verschwörungstheorien können unter Sonnenkönigen nicht gut gedeihen. Sie wachsen am besten im Schatten des etablierten politischen Betriebs. Sie sind der geheime Knoblauch in der Küche der Konsensdemokratie.

       17.06.2018

      Melania protestiert bei anderen gegen Familientrennung. Bei mir wehrt sie sich gegen Vereinigung. Ungerecht!

      (Aus: Donald Trump, Tagebuch, unveröffentlicht.)

       18.06.2018

      Das Pentagon will seine Cyber-Waffen nicht länger nur defensiv einsetzen. Stattdessen favorisieren die Militärs künftig Präventivschläge und das Einhacken in ausländische Netze von Freund und Feind. Dafür stehen der U.S.-Army 41 Cyber-Mission Force Teams zur Verfügung. Da für die Lösung aller wichtigen Fragen des Lebens, des Universums sowie des ganzen Rests (inklusive der Frage nach dem endgültigen und unwiderruflichen Finalsieg bei den Cyber-War-Games) nach Ansicht des Supercomputers Deep Thought aber die Zahl 42 von zentraler Bedeutung ist, planen die Verantwortlichen im Pentagon, noch ein weiteres Team aufzubauen. Es soll sich ausschließlich mit der Herstellung »alles Bisherige übertrumpfender Schimpfwörter beschäftigen, die der Präsident auf Twitter nutzen kann«.

       19.06.2018

      Trump kümmert sich ausnahmsweise mal um Europa und erklärt per Twitter, dass dort die Kriminalität steige. Seiner Meinung nach haben die europäischen Staatsführer »einen großen Fehler gemacht, indem sie Millionen Menschen erlaubt haben, reinzukommen«. Laut Trump haben diese Menschen die Kultur in den jeweiligen europäischen Ländern stark verändert und das zum Teil mit Gewalt. In Deutschland ist die Kriminalität laut Trump »seit Ankunft der Flüchtlinge 2015 um mehr als 10 % gestiegen«, aber diese Zahlen würden die Regierungsvertreter nicht veröffentlichen.

      Merkel hat daraufhin erklärt, dass die Kriminalitätszahlen sinken und sich dabei auf die Polizeiliche Kriminalstatistik bezogen, die der Innenminister kürzlich vorgestellt hatte und die für 2017 einen Rückgang der Straftaten um 9,6 % ausweist. Trump aber scheint sich mit seiner Aussage auf eine andere Quelle zu beziehen. Zumindest haben die großen amerikanischen Nachrichtenagenturen, kurz bevor er seinen Tweet abgesetzt hat, über eine von der deutschen Regierung in Auftrag gegebene Studie berichtet, die – wie Reuters schreibt – »im Januar veröffentlicht worden ist und zeigt, dass die Gewaltkriminalität in den Jahren 2015 und 2016 um 10 % gestiegen ist, wobei 90 % dieses Anstiegs auf das Konto junger männlicher Asylbewerber gehen«.

      Allerdings nennt Reuters keine Quelle und Trump natürlich sowieso nicht. Aber es kann sich nur um die vom Bundesfamilienministerium 2017 in Auftrag gegebene und am 3. Januar 2018 veröffentlichte Studie Zur Entwicklung der Gewalt in Deutschland handeln, die ihren Schwerpunkt auf Jugendliche und Flüchtlinge legt. Dort ist im Zwischenfazit auf S. 81 zu lesen: »Die Zahl der polizeilich

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