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die Stiefel putzen, um mich im Hause beliebt zu machen? Vielleicht Mister Mix pickles, der morgens um sieben schon nach „die w—uarme-Mundwuasser“ schreit, das Frühstück hineintragen? Oder gar Juffrouw van Houten aus Amsterdam, die um acht Uhr bereits das Klavier zerpaukt, „das Kakau“ vor die Tür stellen? Denn schliesslich werde ich dich doch nicht den Unausstehlichkeiten dieser anspruchsvollen Gesellschaft aussetzen lassen. Nee, liebstes Mamachen, — dann schon lieber die Zähne zusammen beissen und da draussen untertauchen .... Schwielen an die Hände kriegen und Messingstaub schlucken und was sonst noch .... Es ist ja auch schon abgemacht.“

      Er hatte ihr alles gleich vor dem Essen berichtet, und nun, bei der Suppe, fügte er hinzu, dass er auch wahrscheinlich „auf bessere Schlafstelle“ werde ziehen müssen, denn Justizrat Dietzel, der ihm ja sonst sehr wohlwolle, wahrscheinlich infolge eines noch mündlich abgegebenen Wunsches des verstorbenen Onkels, habe ihn noch gestern ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass Testamentsvollstrecker Hagedorn, der alte Sandfresser, so genannt, weil er in Schmargendorf den Leuten das unfruchtbarste Land angeschmiert habe, schon geäussert habe, er werde über alles eingehend Protokoll führen. Der habe den ganzen Tag nichts zu tun, stecke seine grosse Nase in alle überflüssigen Dinge und fahre jetzt schon jeden Tag dreimal von Schmargendorf nach Berlin, wo er regelmässig gut frühstückte, alles auf Kosten seiner Bestallung.

      Frau Mathilde Tempel gehörte zu den wundersamen Müttern, deren ganzes Leben im Glück ihrer Kinder aufgeht, so sehr sie selbst auch darunter zu leiden haben mögen, und so wenig die Welt das zu verstehen vermag. Schon in dem ewigen Auf und Nieder ihrer Ehe daran gewöhnt gewesen, ihrem schrullenhaften, an chronischem Spekulationsfieber leidenden Manne gegenüber in Ergebung die Nachsichtige zu spielen, hatte sich diese Schwäche auch allmählich auf ihren einzigen Sohn übertragen; und so war es erklärlich, dass sie in ihm seit dem Tode ihres Mannes den alleinigen Herrscher erblickte. Jetzt jedoch regte sich in ihr der Widerspruch, denn Ungeheuerliches drohte ihrem Liebling.

      „Bis jetzt habe ich die Sache als grausamen Scherz betrachtet, nun aber müssen wir mal ernst darüber reden. Ein total verwöhnter Mensch wie du, ich bitte dich! Nach der ersten Woche lägest du da. Arbeiten ist gewiss keine Schande, aber jeder hübsch an seinem Platze. Lass’ die anderen alles schlucken, nur vergiss dich nicht.“

      Es stand fest bei ihr: eher hätte sie sich im geheimen zu ähnlichen Dingen erniedrigt, bevor sie den Sohn darunter leiden gesehen haben würde.

      Aber Waldemar taute auf. Wie? Dieser Verwandtensippe den Triumph gönnen, das ganze Vermögen einzustecken, während sie beide, als die Nächsten, mit einem Butterbrot abgespeist werden würden? Nie und nimmer! Jetzt erst recht nicht, da er gehört habe, dass die Gesellschaft schon im Trüben zu fischen beginne.

      In Waldemar Tempel regte sich der Trotz, so wie er damals vor Jahrzehnten Friedrich Ludwig Karl aufgerüttelt hatte, als man den „Kellner“ nicht vergessen konnte. Und hier war es der „ewige Student“, der nun herausgefordert wurde, — ihm aufgebrummt leider von dem, der selbst unter ähnlichem Hohn gelitten hatte. Aber das war die Wesenseinheit von Onkel und Neffen, die nun auch dem Jungen den Weg zur Erkenntnis wies. Und der alte Schmargendorfer hatte sehr richtig gewittert, wenn er ihn schon ehrgeizig die Beute nach Hause tragen sah. Denn der kannte die Menschen, die von dem Geld nicht lassen konnten, weil er sich selbst kannte; sie sträubten sich zuerst, es unter Kränkungen anzunehmen, und dann kamen sie von selbst und baten darum und scheuten dabei die schlimmsten Entwürdigungen nicht.

      „Und Lüssi Reimer, was wird die dazu sagen?“ meldete sich Frau Tempel wieder. „Die werden alle auf den Rücken fallen, wenn sie das hören.“

      „Vor Freude, das glaub’ ich wohl,“ lachte Waldemar hervor. „Denn nun ist doch Aussicht, dass ich sie heiraten kann.“

      „Ja, wenn sie so lange wartet.“

      „Ach, sie wird schon. Bis jetzt hat der Alte angenommen, ich sässe immer noch in der Wolle und würde losbauen wie Papa. Aber wovon? Macht alles, weil sie dich immer noch für die Besitzerin des Hauses halten. Nun aber winken die Moneten.“

      Frau Tempel seufzte. Ihr Besitztum stand nur noch im alten Adressbuch, was ihr bis jetzt nur Scherereien gemacht hatte. Das Haus hier, das letzte des seligen Erbauers, war so überschuldet gewesen, dass man schliesslich froh war, es mit der Vergünstigung loszuwerden, noch eine Zeitlang mietefrei wohnen zu können.

      „Was wirst du nun tun? Willst du ihr alles sagen?“

      „Aber selbstverständlich. Bei der Aussicht ...“

      „Sie wird dich für verrückt halten.“

      „Oder für sehr vernünftig.“

      „Und der Alte ist so penibel.“

      Erfahren müssen sie es ja doch,“ sagte Waldemar und ging wieder fort, denn er wollte zu ihr.

      Frau Tempel begleitete ihren Sohn bis auf den Korridor, und was sie ihm zum Abschied noch nachrief, war die Herzensbitte: er möge sich doch alles noch einmal überlegen, bevor es zu Auseinandersetzungen käme.

      Das alles ging Waldemar im Kopfe herum, denn sonst hätte er wohl gemerkt, wie das Spitzmausgesicht von neulich, das vor dem Hause gewartet zu haben schien, ihn nicht aus den Augen liess.

      Langsam schlenderte er die Strasse entlang, der Richtung nach der Kaiserallee zu. Es war ein klarer, heller Nachmittag und schon bedenklich kühl, so dass man die Vorwehen des nahenden Winters empfand. Der Himmel prangte noch blau, und in der durchsichtigen Luft zeichnete sich der Strassenzug in scharfen Linien ab.

      Alle diese Häuser hier mit ihren übermodernen Stilarten hatten etwas von einer rasch entstandenen, eigensinnigen Stadt, die man an den alten Berliner Westen herangeschoben habe, um eine Verbindung herzustellen.

      Waldemar war gerade in die Bamberger Strasse eingebogen und fand wie immer hier die Häuser mit ihrem überall gleichmässigen Erkervorbau, der steif vom Parterre bis zum Dache führte, höchst langweilig, als er in dieser stillen Betrachtung durch eine unerwartete Anrede gestört wurde.

      Eine tiefe Verbeugung, der Anblick eines schon halb kahlen Schädels, der sich eigentlich nur wie eine abgeschrägte Fortsetzung der Nase ausnahm, und es unterlag keinem Zweifel mehr, dass dies das Spitzmausgesicht war, das nun mit einem kühnen Entschluss die Attacke machte.

      Natürlich trug der Allerweltsagent, wie gewöhnlich, eine einstmals hellbraun gewesene, nun aber durch den jahrelangen Gebrauch fettig-schwarz gewordene Aktenmappe unter dem Arm, denn ohne Mappe ging er niemals aus. Das gehörte zu seinem Handwerk, zu seinem Lebensbedürfnis, zu seiner Repräsentation.

      „Mein Name ist Gustav Tempel, Agentur und Kommission,“ begann er unterwürfig, so in der Art von Leuten, die sich immer zwischen Tür und Schwelle vorstellen. „Herr Baumeister kennen mich wohl nicht mehr? Ich hatte schon einmal den Vorzug Ihrer persönlichen Bekanntschaft — vor etwa einem Jahr.“

      Das pflegte er immer zu sagen, obgleich es niemals wahr war; aber dadurch machte er die Leute irre und gewann den Anknüpfungspunkt. „Wir sind entfernte Verwandte ...“

      „Wohl sehr entfernt,“ unterbrach ihn Tempel und schritt ruhig weiter, um ihn auf diese Art abzuschütteln.

      „O, das tut durchaus nichts,“ fuhr das Spitzmausgesicht fort und blieb ganz familiär an der Seite des anderen, „um so näher war ich Ihnen stets in Gedanken. Besonders mit meiner Achtung, ganz besonders damit. Wissen Sie, es sind nicht die schlechtesten Verwandten, die sich bescheiden im Hintergrund halten, und die sich nur melden, wenn sie gefällig sein wollen. Sehen Sie, so bin ich, Herr Baumeister.“

      „Ich bin nicht Baumeister,“ sagte Waldemar ärgerlich.

      „O, das tut nichts,“ fuhr Agent Tempel unbeirrt fort. „Sie werden es sicher noch werden, und Baurat obendrein und vielleicht auch noch Professor. Das prophezeihe ich Ihnen. Sehen Sie, so bin ich.“

      „Sehr nett von Ihnen. Aber was wünschen Sie nun eigentlich?“

      Gustav Tempel, der ewig an einem Stockschnupfen litt, was er mit einer steten Erkältung entschuldigte, (sein Gesicht war immer leicht

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