Скачать книгу

keinen Fall will ich Sie anpumpen, auf keinen Fall. Sehen Sie, so bin ich. Das mögen die anderen machen, der Fiebig und der Kladisch, — passen Sie auf, die kommen noch. Sicher. Ich kenn’ doch meine Leute. Wenn die einen Braten riechen, dann sind sie schon dabei, ehe er auf den Tisch kommt. O, ich kenne die Welt.“

      „Aber es gibt ja noch gar nichts anzupumpen,“ wehrte sich Tempel wohlwollend. „Irre ich mich nicht, so waren Sie doch bei der Testamentseröffnung.“

      „Aber die Anpumpung wird kommen, Herr Baumeister, verlassen Sie sich darauf,“ liess Agent Tempel nicht locker und lachte ihn vergnügt an, so dass die spitzen Hauer zu sehen waren. „Und deshalb müssen Sie sich reserviert halten ... und deshalb möchte ich Ihnen mit einem Vorschlag kommen. Zu Ihrem Besten. Sehen Sie, so bin ich.“

      Und ohne weiteres begann er, ihm zu entwickeln, dass sich ein Mann wie Waldemar Tempel unmöglich in eine solche Lohnknechtschaft begeben könne, ohne sein Renomee darunter leiden zu sehen, und dass daher er, Gustav Tempel, der denselben Namen führe, bereit sei, seinen Sohn Oskar, der dreiundzwanzig Jahre zähle und ein heller Junge sei, die Rolle für ihn spielen zu lassen. Natürlich gegen eine entsprechende Vergütung, worüber sich ja noch reden liesse! So etwas lasse sich schon machen, denn es sei ja doch nicht anzunehmen, dass die Herren Testamentsvollstrecker von früh bis spät wie die Affen vor dem Fabriktor stehen und die Arbeiter zählen würden. Dabei bekomme man ja auch kalte Füsse. Er werde schon alles arrangieren: sich zu den Herren Testamentsvollstreckern begeben, sich als einen Todfeind des Universalerben, als Beauftragten der ganzen Verwandtschaft ausgeben, und sich den Herren als Beobachter und Berichterstatter anbieten, worauf sie jedenfalls mit Freuden eingehen würden. Denn er kenne die Welt und die Menschen!

      „Sehen Sie, so bin ich, Herr Baumeister. Wir machen doch die Sache etwas schriftlich, nicht wahr? Ich nehme auch Wechsel. Ärgern soll sich die ganze Bande, ärgern! Und haben Sie das Heu erst rein, dann denken Sie: rutscht mir den Buckel runter.“

      Tempel, der die plumpe Falle dahinter sah, wollte erst wütend werden; dann aber nahm er die Sache von der humoristischen Seite. „Ein ausgezeichneter Plan, mein werter Onkel von weit her,“ sagte er spöttisch, „und viel Dank dafür. Aber es geht nicht, ich habe mich schon verdungen.“

      Agent Tempel spitzte die roten Ohren. „Wie, Sie sind schon so leichtsinnig gewesen? Wo denn, wo denn?“

      „Wie kann man nur so neugierig sein, mein bester Herr Namensvetter. Grüssen Sie mir die teure Verwandtschaft.“

      Und um ihn loszuwerden, ging er schräg über den Strassendamm. Aber Herr Gustav Tempel, ans Reden gewöhnt, auch wenn man ihm die Tür bereits vor der Nase zugeschlagen hatte, gab den Versuch nicht auf. Die Geschäftsmappe fest unter dem Arm, den Stock tüchtig ansetzend, nahm er dickfellig denselben Weg.

      Und unaufhörlich sprach er weiter, trotz seines Stockschnupfens, und obgleich ihm fast der Atem ausging, denn der Bedrängte nahm nun grosse Schritte. Und schon begann er zu handeln. Endlich, als er sah, dass er gar keine Antwort bekam, schöpfte er noch einmal Luft und sagte: „Überlegen Sie sich die Sache, Sie werden es bereuen, Herr Baumeister. Ich wohne Katzbachstrasse neuundneunzig, Hof vier Treppen, für Sie bin ich immer zu haben. Sehen Sie, so bin ich.“

      Dann blieb er zurück und schnaubte sich endlich die Nase. Und sein Gedanke dabei war: „Jungeken, dich kriege ich noch.“

      Er war schon um die nächste Strassenecke, als er wieder kehrt machte und aufs neue unauffällig hinter Tempel herging. Musdal, dem er Bericht erstatten wollte, lief nicht fort, denn er sass schon seit Olims Zeiten in seinem Laden im Osten. Aber der dort vorn hätte windig werden können. Auf alle Fälle schadete es nichts, wenn man ein wenig weiter schnüffelte. Man hatte ja Zeit. Eine „Agentur und Kommission“ hatte überhaupt immer Zeit, besonders wenn es nur eine sogenannte fliegende war.

      Waldemar Tempel schritt währenddessen gedankenvoll seinem Ziele zu.

      Der Geheime Regierungsrat Reimer wohnte am Ende der Düsseldorferstrasse, nicht weit von der Uhlandstrasse, dort, wo die letzten Häuser fast ans freie Feld stiessen und der Blick über neu parzellierte Strassen, Holzplätze und Laubenkolonien hinweg noch ins Grüne schweifen konnte. Falls es natürlich Sommer war. Und diese schönen Spätsommertage hier draussen, nach der Reisezeit, hatte Waldemar an manchen Abenden genossen, wenn er mit Lüssi in der grossen Loggia sass und allerlei Dummheiten trieb, während die Alten drinnen im Zimmer die Zeitung lasen.

      Sie waren zwar erst heimlich verlobt, aber das schadete nichts. Im Gegenteil sagte sich die Frau Geheimrat, die im Hause das Regiment führte, das sei das allein richtige, wenn man noch nicht wisse, „wie, wo und wann“. Schon bei ihrer anderen verheirateten Tochter hatte sich diese Vorsicht bewährt. Denn der erste Verehrer war abgeschnappt, bis dann der zweite, ein junger Gymnasialprofessor, kam, der auf Mitgift überhaupt nicht sah und um so sesshafter blieb. Es ging zwar gegen die Familiensitte, dass die Jüngste zuerst an den Mann kam, aber besser rasch, als zu spät.

      Geld konnte natürlich auch Lüssi nicht mitbekommen, und so freute man sich denn, als die Verwöhnte, die bisher im Körbe-Austeilen sehr fleissig gewesen war, einem jungen Mann, von dem man allgemein behauptete, er besitze von Grossvaters Seite ein stattliches Vermögen, ernste Avancen machte.

      „Architekt“ klang auch ganz schön, und es entsprach sogar dem barocken Sinn der Dreiundzwanzigjährigen, die einstweilen ihr grösstes Vergnügen darin gefunden hatte, im Sommer in Seebädern die Strandnixe oder im Gebirge die Berghexe zu spielen, und im Winter als Wohltätigkeitsfee von einem öffentlichen Feste zum anderen zu rauschen und den Herren, besonders den jungen, durch den Anblick ihrer schönen, runden Schultern, durch ihre Perlzähne und durch das Klappern ihrer hübschen Augen das Geld für Programme, Ansichtspostkarten oder sonstige andere leichte Ware zu Gunsten der Komiteekasse abzunehmen. Manchmal auch als Büffetschlange, die solange nach Kleingeld suchte, bis irgend ein armer Leutnant, rot geworden und doch hingerissen, verlegen stammelte: „Aber ich bitte, bemühen sich gnädiges Fräulein doch nicht. Is ja für die armen Waisenkinder.“

      Und manchmal war es selbst so ein armer Waisenknabe, der das sagte, — wenigstens was die Verlassenheit in seinem Portemonnaie anbetraf.

      Aber für Lüssi war es ein Gaudium. Denn es erschien ihr immer wie eine kleine Vorbereitung auf ihr späteres glanzvolles Eheleben, wenn sie erst ihrem Gatten das Geld zur Erfüllung ihrer Wünsche werde abknöpfen können; natürlich gleich in Form von blauen oder braunen Scheinen. Denn eine Spiesserehe führen wie Edith mit ihrem Oberlehrer, nein, — dann lieber schon gar nicht heiraten und sich so weiter amüsieren.

      Sie war nun einmal anders veranlagt, als die jüngere.

      Bei alledem bedachte sie nicht, dass gerade dieses „einnehmende Wesen“ das Abschreckende für die „Reellen“ war, die den ewigen Kleingeldmangel als symbolisch für spätere Zeiten auffassten und daher beim zweiten und dritten Male hübsch um sie herumgingen.

      Ganz anders war Waldemar Tempel geraten, den sie bei einer solchen Gelegenheit im vergangenen Winter kennen gelernt hatte, schon zur Zeit, als das Geld des seligen Grossvaters ziemlich klein gemacht war, und nun so allmählich die Frage kam: Was soll das werden?

      Der Anblick der hübschen Lüssi mit den Tollkirschenaugen, dem verführerischen Lächeln, der schlanken Taille und den schmalen Händen half ihm bald über jedes Bedenken hinweg, denn er hatte sich gründlich in sie verschossen. Wenigstens bildete er es sich ein. Das war ein Mädel, mit dem man reden konnte, und das die süsse, kleine Frau schon als Schelm im Nacken trug. Einfach toll, wie die mit den Herren umging und die Dummen noch dümmer machte.

      Und ihr gefiel der schlanke, lebenslustige Kerl nicht minder. Der hatte Rasse in seiner Nase und Witz auf seinen Lippen und zeigte männliche Galanterie in jeder Form. Ein kühner Draufgänger, dabei kolossal verliebt, wie es ihr schien, und das gab ihr die Übermacht. Musste überdies verdammt viel Moos haben, der! Denn er trug die Hundertmarkscheine stets lose in der Westentasche.

      Hei, und tanzen konnte er, dass sie Seligkeit überkam bei diesem sanften Schweben im Parkettland holder Träume.

      Und was er trank, war Sekt, und immer nur Sekt und Sekt.

      Die

Скачать книгу