Скачать книгу

es hiess:

      1 „Ich, Friedrich Ludwig Karl Tempel usw. usw. ernenne hiermit meinen Neffen, den ewigen Studenten, Viktor Hugo Waldemar Tempel, Sohn des usw. usw. zum Universalerben meines gesamten beweglichen und unbeweglichen Vermögens, das in folgendem besteht usw. usw., mit Ausnahme der unter e) verzeichneten Legate usw., unter der Bedingung, dass er sich seinen Lebensunterhalt während mindestens eines Jahres als Lohnarbeiter in einer von den Testamentsvollstxeckern gut geheissenen Berliner Fabrik erwirbt, um auf diese Art zu der Erkenntnis zu kommen, dass der Wert des Daseins nicht im Nichtstun und unerspriesslichen Geldausgeben besteht, und um sich dadurch meiner hiermit erwiesenen Grossmut würdig zu erzeigen.

      2 Für den Fall, dass mein Neffe sich ausser Stande erklärt, sich dieser Bestimmung zu unterwerfen, oder die ihm auferlegte Verpflichtung weder teilweise noch ganz zu erfüllen, und zwar aus ihm allein zur Last fallenden Gründen, soll ein Drittel meines Gesamtvermögens dem Musikus Robert Emanuel Philipp Kladisch usw., Sohn der Witwe Amalie Kladisch, geborene Tempel usw., zufallen, in Anerkennung eines mir freiwillig dargebrachten Geburtstagsständchens, dem Einzigen unter meinen Verwandten, der mich nicht angepumpt hat; die übrigen zwei Drittel jedoch zu gleichen Teilen den unter e) verzeichneten Personen. Auf alle Fälle, auch ohne Erfüllung der ihm auferlegten Verpflichtung, jedoch nur nach der unter b) vorgesehenen Erklärung seinerseits, fällt meinem Neffen ein Legat von fünftausend Mark zu, das auf das Dreifache erhöht werden soll für den Fall, dass er durch eingetretene, von einem Arzte zu bescheinigende Krankheit bei Ausübung seines Berufes verhindert sein sollte, die ihm auferlegte Bedingung bis zu Ende zu erfüllen, jedoch nur, nachdem der Nachweis für eine mindestens halbjährige, ununterbrochene Tätigkeit, bei guter Führung, in der Fabrik erbracht ist.

      3 Stirbt mein Neffe im Laufe seiner neuen Tätigkeit, nach welcher Frist es auch sei, so fällt das unter a) angeführte bewegliche und unbewegliche Gesamtvermögen inkl. aufgelaufenen Zinsen den unter e) angeführten Personen, wozu in diesem Falle die Mutter meines Neffen, die Frau Mathilde, verwitwete Architekt Tempel, geborene von usw., zu rechnen ist, zu gleichen Teilen zu, mit Ausnahme der Frau Dorothea Alwine Musdal, Gattin des Seifenhändlers Theodor Emil Georg Musdal. Die ausgezahlten Legate werden in Anrechnung gebracht.“

      Es folgten dann noch eingehende Bestimmungen für die Testamentsvollstrecker über Realisierung der toten Werte, über Kapitalsanlage und über die Ausführung der harten Verfügung, damit nicht etwa durch irgend welche Umgehungen der vorgesehene Universalerbe auf leichte Art in den Besitz des Vermögens kommen könne.

      Ein origineller Querkopf hatte seine letztwilligen Bestimmungen getroffen, und ein tüchtiger Jurist hatte ihm dabei geholfen. Gut und Böse lagen nebeneinander; aber das Gute überwog doch. Kraft und Wille eines einzelnen wurden herausgefordert, zugleich aber auch der Neid der anderen erweckt, und für alle war das liebe Geld der Köter, um den sie sich balgen konnten, gleich einer Meute goldhungeriger Menschen, die, in ihren Instinkten einmal losgelassen, beutelustig, mit wilder Gier auf den Spuren des Glückes dahinstürmt.

      Und diese Meute fand sich gleich am Tage der Testamentseröffnung zusammen.

      Als jetzt Waldemar Tempel Geigers Fabrik in der Reichenbergerstrasse hinter sich hatte und nun der Hochbahn zustrebte, noch immer mit dem niederdrückenden Gefühle eines Menschen, der plötzlich vor einer erstaunten Menge reiten soll, ohne es zu können, tauchte ihm der denkwürdige Tag wieder auf, eigentlich als in seiner Erinnerung schon lange zurückliegend, obwohl erst ein paar Wochen seitdem vergangen waren. Aber etwas Unbegreifliches, Aussergewöhnliches wirkt so schwer auf den Menschen, dass er wie unter einer Last von Monaten dahingeht.

      Und er sah sich, seine schwarzgekleidete, feinzügige Mutter am Arm, stolz und abseits durch den kalten und grauen Gerichtskorridor dahinschreiten, vorüber an den lieben Verwandten, von denen er kaum zwei dem Ansehen nach kannte. Acht Menschen standen und sassen da herum, alle lange vor der Zeit erschienen, den Ernst von Leichenbittern im Gesicht, der sich so rasch in Freude nach dem Trinkgeld verwandeln kann. Da man aber noch nicht wusste, ob der andere bevorzugt worden war, so wog man einstweilen die Worte und liess seine ganzen Empfindungen in ein kurzes Lob über den Entschlafenen ausströmen.

      Man war gerufen, und das war doch schon etwas.

      Eine kleine Trauergemeinde, jeden Augenblick bereit, einer Andacht beizuwohnen, schien sich da zusammengefunden zu haben. Es fehlten nur die Kränze, um das beginnende Leichenbegängnis zu wittern.

      Natürlich kannten sie Mutter und Sohn, und kaum hatte einer das Eis durchbrochen, so ging das Gezeter los. Die natürlich würden die Haupterben sein, denn das waren ja „die Nächsten und die Feinen“.

      Seifenhändler Musdal, der seinen Kriegervereinszylinder älteren Jahrganges mit Würde auf seinem inzwischen breiter gewordenen Schädel trug, musste es am besten wissen, denn er hatte die Tochter einer Cousine des Toten zur Frau und bildete sich daher ein, über diese Dinge besser unterrichtet zu sein. Er war überhaupt der Mann, der alles schon vorher kommen sah. Er sprach auch viel davon, wie gut er sich mit dem „lieben Onkel“ gestanden und was dieser ihm alles anvertraut habe! Natürlich existierte dies alles nur in seiner Phantasie, aber es machte sich so schön, wenn die anderen die Mäuler aufsperrten.

      Waldemar Tempel sah die Mienen und machte sich sein Bild daraus. Der grüne Neid blickte ihm nach, und fast wiegte er sich schon in der Hoffnung, der alte Einsiedler da draussen könnte den Hass gegen den Bruder Architekten in letzter Stunde aufgegeben haben.

      „Ich glaub’s nicht, mein Sohn,“ sagte die Mutter seufzend. „Machen wir uns nur auf Enttäuschungen gefasst.“

      Musikus Kladisch, der nie mit seiner Frau ausging, hatte sie allein von allen übrigen höflich begrüsst, besonders die „Frau Baumeister“, und sogar gewagt, sie anzusprechen, wonach man ihm auch die Freude einer kurzen Unterhaltung gönnte. Er hatte zwar gleich den anderen niemals Beziehungen zu diesen Verwandten gehabt, roch aber schon die Bevorzugung des Neffen, und so konnte es nichts schaden, wenn er sich beliebt machte.

      Alsdann stelzte er wieder auf seinen langen Beinen einsam den Korridor auf und ab, so wie ein hungeriger Wolf, der die Fütterungsstunde nicht erwarten kann. In seinem verkannten Künstlertum dünkte er sich mehr, als die übrige „Bagage“, und so liess er sie ebenfalls links liegen, innerlich erfreut darüber, ihnen gezeigt zu haben, wie er mit den Haupterben stehe.

      In dem langen, ausgedienten Lodenmantel, den er um die dürren Glieder geschlagen hatte, den Sommerorchesterzylinder mit Trauerflor auf, einen dickgequollenen Regenschirm in der Hand, nahm er sich sonderbar genug aus, fast wie eine menschliche Fledermaus, die bei jedem Luftzug die Flügel auseinander schlägt.

      Dann, im Saal, kam die grosse Verblüffung und die noch grössere Enttäuschung. Für alle Teile. Es gab Gesichter, als hätte man sich bei einer fremden Leiche zusammengefunden.

      Schliesslich schlug alles in einen gewissen Humor um, Seifenhändler Musdal lachte, so dass ihm der Bauch wackelte. Ganz respektwidrig lachte er, — er lachte sogar Tränen, wobei seine ohnehin schon kleinen Augen verschwanden.

      Und die rundliche Frau Musdal lachte mit, so dass ihr üppiger, hochgewölbter Busen Sprünge bis zum Halse machte.

      Und auch des Agenten Tempels Spitzmausgesicht ging in die Breite, wodurch seine Drahtpuppe von Frau angesteckt wurde.

      Und auch Musikus Kladisch lachte, nachdem er sich mit offenem Rachen von der mangelhaften Fütterung überzeugt hatte.

      Und sie lachten alle, alle, ausgenommen Frau Tempel und ihr Sohn, die, zwar bleich aber doch rasch gefasst, stolz davongingen, so wie sie gekommen waren, begleitet von dem Justizrat Dietzel, dem besonders daran zu liegen schien, mit dem Neffen des Erblassers rasch ein paar wichtige Worte zu sprechen, bevor er wieder in den Gerichtssaal zurückkehrte.

      Es war auch zum Lachen, was der witzige und saugrobe Schmargendorfer, „der alte Schinder“, wie ihn Seifenhändler Musdal jetzt ganz offen nannte, dem „Universalerben“ aufgebrummt hatte. Natürlich nur aus Hohn, um ihn öffentlich lächerlich zu machen, weil er dies Söhnlein kannte. Das wax ihnen eine ausgemachte Sache. Denn dass diese Bestimmung niemals durchgeführt werden könne, war selbstverständlich, obschon Agent Tempel meinte, er habe deutlich gehört, wie

Скачать книгу