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ein lebhaftes Gespräch begann, aus welchem Nikodim Fomitschs fragende Stimme am lautesten heraustönte . . . Sobald er auf der Straße war, kam er wieder völlig zu sich. ,Eine Haussuchung, eine Haussuchung; sie werden sofort eine Haussuchung vornehmen!‘ sprach er vor sich hin und beeilte sich, nach Hause zu kommen. ,Die Kanaillen haben Verdacht auf mich!‘ Wieder packte ihn die Angst und schüttelte ihn vom Kopf bis zu den Füßen.

      II

      ,Aber wenn nun die Haussuchung schon stattgefunden hat? Wenn ich sie gerade in meiner Kammer antreffe?‘

      Indes, da war er ja schon in seiner Kammer. Nichts war vorgefallen; niemand war da; niemand hatte einen Blick hineingeworfen. Auch Nastasja hatte nichts angerührt. Aber, o Gott! Wie hatte er nur vorhin alle diese Wertsachen in dieser Höhlung liegen lassen können!

      Er stürzte nach der Ecke hin, steckte die Hand unter die Tapete, holte die einzelnen Gegenstände heraus und stopfte sie sich in die Taschen. Es waren zusammen acht Stück: zwei kleine Schachteln mit Ohrgehängen oder etwas Ähnlichem (genau sah er es nicht an), ferner vier kleine Etuis aus Saffian. Ein Kettchen war einfach in Zeitungspapier gewickelt. Und dann noch etwas in Zeitungspapier, anscheinend ein Orden.

      Er brachte alles in den verschiedenen Taschen unter, in den Paletottaschen und in der heil gebliebenen rechten Hosentasche, und achtete darauf, daß es nicht auffällig aussähe. Auch den Beutel nahm er, mit den Wertsachen zusammen, mit. Dann ging er aus dem Zimmer; diesmal ließ er die Tür absichtlich weit offen stehen.

      Er ging schnellen, festen Schrittes, und obgleich er sich ganz erschöpft fühlte, so war doch sein Denken klar. Er fürchtete Verfolgung, fürchtete, daß vielleicht schon in einer halben, in einer Viertelstunde Befehl erteilt werden würde, ihn zu beobachten, also mußte er unter allen Umständen vorher noch alle Spuren vertilgen. Er mußte das erledigen, solange ihm noch ein Rest von Kraft und von Überlegung zur Verfügung stand . . .Wohin sollte er nun gehen?

      Das stand bei ihm schon längst fest: ,Ich werfe alles in den Kanal; dann kräht kein Hahn mehr danach, und die Sache ist zu Ende.‘ Dazu hatte er sich bereits in der Nacht, als er im Fieber lag, entschlossen, in den Momenten, wo er (das war ihm erinnerlich) ein paarmal hatte aufspringen und weggehen wollen: ,Nur schnell, nur schnell, und alles wegwerfen!‘ Aber es zeigte sich jetzt, daß das Wegwerfen nicht so leicht war.

      Er ging schon eine halbe Stunde, vielleicht auch länger, am Ufer des Katharinenkanals entlang und blickte prüfend nach den zum Kanal hinabführenden Treppen, an denen er vorbeikam. Aber an eine Ausführung seiner Absicht war gar nicht zu denken: entweder lagen unmittelbar am Fuße der Treppen Flöße, auf denen Waschfrauen ihre Wäsche wuschen, oder es hatten dort Kähne angelegt, und überall wimmelte es nur so von Menschen. Von den Ufern aus konnte man von überall, von allen Seiten, zu ihm hinsehen: wenn da ein Mensch ohne verständlichen Anlaß hinunterging, sich hinstellte und etwas ins Wasser warf, so mußte das ja Verdacht erwecken. Und wie, wenn die Etuis nicht untergingen, sondern obenauf schwammen? Und das hielt er für sehr wahrscheinlich. Dann sah es jeder. Ohnedies sahen ihn alle Begegnenden schon so an und betrachteten ihn, als ob sie sich um weiter nichts als um ihn zu kümmern hätten. ,Woher das nur kommt?‘ dachte er. ,Oder ob es mir nur so scheint?‘

      Schließlich fiel ihm ein, ob es nicht das beste wäre, irgendwohin an die Newa zu gehen. Dort seien weniger Menschen, und man werde nicht so beobachtet, und es sei in jedem Falle bequemer und vor allen Dingen von dem Stadtteil, in dem er wohnte, weiter entfernt. Er wunderte sich, wie er eine halbe Stunde voll Angst und Unruhe in dieser gefährlichen Gegend hatte herumwandern können und ihm dieser Gedanke nicht früher gekommen war. Und nur deshalb hatte er schon eine halbe Stunde nutzlos vergeudet, weil er sich das nun einmal im Halbschlaf, in seinem Fieberzustande so zurechtgelegt hatte. Er war sehr zerstreut und vergeßlich geworden und war sich dessen bewußt! Eile war unbedingt nötig!

      Er ging den Wosnessenskij-Prospekt entlang nach der Newa zu. Aber unterwegs stellte er doch noch wieder eine andre Überlegung an. ,Warum muß ich denn gerade nach der Newa gehen und es ins Wasser werfen? Ist es nicht besser, irgendwohin ganz weit wegzugehen, etwa nach den „Inseln“, und dort irgendwo an einer einsamen Stelle im Walde, unter einem Strauche oder Baume, alles zu vergraben und sich den Platz zu merken?‘ Und obwohl er fühlte, daß er in diesem Augenblicke nicht imstande war, alles klar und vernünftig zu erwägen, so erschien ihm dieser Gedanke doch als ein sehr glücklicher.

      Aber auch nach den „Inseln“ zu gelangen war ihm nicht beschieden, sondern es ereignete sich etwas anderes. Als er vom Wosnessenskij-Prospekt auf einen freien Platz heraustrat, sah er links den Eingang zu einem Hofe, der von ganz fensterlosen Mauern umgeben war. Rechts, gleich vom Tore an, zog sich die fensterlose, ungestrichene Seitenwand des vierstöckigen Nachbarhauses weit in den Hof hinein. Links, parallel mit der fensterlosen Hauswand und gleichfalls gleich vom Tore an, erstreckte sich ein Bretterzaun etwa zwanzig Schritte weit in den Hof und machte dann einen Knick nach links. Der Hof war ein nur durch dieses Tor zugänglicher umzäunter Raum, auf dem allerlei Baumaterialien lagerten. Weiter hinten im Hofe blickte hinter dem Zaune eine Ecke eines niedrigen, verräucherten, gemauerten Gebäudes hervor, wahrscheinlich einer Werkstatt. Es mochte hier wohl ein Wagenbauer oder ein Schlosser oder ein anderer derartiger Handwerker hausen; denn überall, fast vom Torweg an, war alles schwarz von Kohlenstaub. ,Hier könnte man es heimlich hinwerfen und dann davongehen!‘ dachte er plötzlich. Da er niemand auf dem Hofe bemerkte, schlüpfte er durch das Tor hindurch. Gleich dicht am Tore erblickte er eine an den Zaun angenagelte Rinne (wie sie oft in solchen Häusern angebracht werden, wo es viele Arbeiter, Gesellen, Kutscher usw. gibt), und über der Rinne war am Zaune der an solchen Orten überall zu findende Witz mit Kreide angeschrieben: „Hir ist es ferbohten stehen zu bleiben.“ Auch das traf sich also gut: es konnte keinen Verdacht erregen, daß er hier hereingegangen und stehengeblieben war. ,Hier will ich schnell alles zusammen irgendwo hinwerfen und Weggehen‘, sagte er sich.

      Er blickte sich noch einmal um und steckte bereits die Hand in die Tasche, da bemerkte er an der Außenmauer, zwischen dem offenstehenden Torflügel und der Rinne, wo der Abstand nur etwa zwei Fuß betrug, einen großen, unbehauenen Stein, der wohl einen halben Zentner schwer sein mochte und sich unmittelbar gegen diese nach der Straße zu gelegene Mauer lehnte. Auf der andern Seite dieser Mauer war die Straße, das Trottoir; man konnte die Schritte der hier immer recht zahlreichen Passanten hören; aber hinter dem Tore konnte ihn niemand sehen, wenn nicht etwa jemand von der Straße hereinkam. Da dies sich indes sehr leicht ereignen konnte, mußte er sich beeilen.

      Er bückte sich zu dem Steine nieder, faßte ihn mit beiden Händen fest am oberen Ende, nahm alle seine Kraft zusammen und kippte den Stein um. Unter dem Steine hatte sich eine kleine Vertiefung gebildet; schleunigst warf er den ganzen Inhalt seiner Taschen dort hinein. Der Beutel kam obenauf zu liegen; es blieb aber doch noch Platz in der Vertiefung. Dann packte er den Stein von neuem und kippte ihn mit einem Ruck wieder nach der Mauer zu, so daß er genau wieder auf seine frühere Stelle zu liegen kam, nur daß er ein klein wenig höher schien. Aber er scharrte Erde zusammen und trat sie an den Rändern des Steines mit dem Fuße fest. Es war nichts mehr zu bemerken.

      Dann ging er hinaus und wandte sich dem Platze zu. Wieder bemächtigte sich seiner für einen Augenblick ein starkes, kaum zu ertragendes Gefühl der Freude, gerade wie vorher auf dem Polizeibureau. ,Nun ist alles beseitigt! Wem in aller Welt kann es in den Sinn kommen, unter diesem Steine nachzusuchen? Er liegt da vielleicht schon seit der Erbauung des Hauses und wird vielleicht noch ebensolange daliegen. Und selbst wenn es gefunden wird, wer kann auf mich verfallen? Alles ist erledigt. Es sind keine Beweise vorhanden.‘ Er lachte auf. Ja, er erinnerte sich später deutlich an dieses nervöse, unhörbar leise, lange Lachen, und daß er die ganze Zeit über gelacht hatte, während er über den Platz ging. Aber als er auf den K . . .-Boulevard gelangte, wo er vor zwei Tagen das junge Mädchen getroffen hatte, brach sein Lachen plötzlich ab. Andre Gedanken kamen ihm in den Sinn. Er hatte die Empfindung, daß es ihm jetzt gräßlich zuwider sein würde, an jener Bank vorbeizugehen, auf der er damals, nachdem das junge Mädchen weggegangen war, gesessen und nachgedacht hatte, und daß er sich auch sehr darüber ärgern würde, jenem schnurrbärtigen Schutzmann wieder zu begegnen, dem er damals die zwanzig Kopeken gegeben hatte. ,Hol ihn der Teufel!‘

      Er ging

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