ТОП просматриваемых книг сайта:
Verbrechen und Strafe. Fjodor Dostojewski
Читать онлайн.Название Verbrechen und Strafe
Год выпуска 0
isbn 9788726372038
Автор произведения Fjodor Dostojewski
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Der Sekretär begann, ihm das Schema der in solchem Falle üblichen Erklärung folgenden Inhalts zu diktieren: Ich kann nicht zahlen; ich verspreche, es dann und dann zu tun; ich werde die Stadt nicht verlassen, meine Habe weder verkaufen noch verschenken usw.
„Aber Sie sind ja gar nicht imstande zu schreiben; die Feder fällt Ihnen ja aus der Hand“, bemerkte der Sekretär und blickte Raskolnikow verwundert an. „Sind Sie krank?“
„Ja, . . . mir ist schwindlig . . . Diktieren Sie weiter!“
„Es ist zu Ende. Unterschreiben Sie.“
Der Sekretär nahm das Schriftstück hin und beschäftigte sich wieder mit seinen andern Papieren.
Raskolnikow legte die Feder hin; aber statt aufzustehen und wegzugehen, setzte er beide Ellbogen auf den Tisch und preßte die Hände um seinen Kopf. Es war ihm, als würde ihm ein Nagel in den Scheitel geschlagen. Es kam ihm ein wunderlicher Einfall: sofort aufzustehen, zu Nikodim Fomitsch hinzutreten und ihm das ganze gestrige Ereignis zu erzählen, alles, bis auf die geringsten Einzelheiten, und ihn dann in sein Kämmerchen zu führen und ihm in der Ecke in der Höhlung die Wertsachen zu zeigen. Der Drang, dies zu tun, war so stark, daß er schon aufstand, um es auszuführen. ,Ob ich nicht gut täte, es wenigstens noch einen Augenblick zu überlegen?‘ ging es ihm durch den Kopf. ,Nein, ich tue es lieber ohne jedes Besinnen; dann bin ich die Last los.‘ Aber plötzlich blieb er wie angewurzelt stehen: Nikodim Fomitsch redete eifrig zu Ilja Petrowitsch, und er hörte folgende Worte:
„Es geht nicht; sie müssen beide freigelassen werden. Erstens spricht alles gegen ihre Schuld; urteilen Sie selbst Welchen Anlaß hatten sie, den Hausknecht zu holen, wenn sie die Tat begangen hatten? Um sich selbst zu denunzieren? Oder aus Schlauheit? Nein, das wäre nun doch schon überschlau! Und dann: den Studenten Pestrjakow haben die beiden Hausknechte und eine Bürgerfrau dicht am Torwege gesehen, gerade in dem Augenblicke, als er hineinging; er kam mit drei Freunden und trennte sich von ihnen unmittelbar beim Torwege, und dann erkundigte er sich bei den Hausknechten nach der Wohnung, während seine Freunde noch dabeistanden. Na, wie wird sich denn einer nach der Wohnung erkundigen, wenn er mit solcher Absicht kommt! Und Koch, der hat, bevor er zu der Alten ging, eine halbe Stunde unten bei dem Goldschmied gesessen und ist genau um dreiviertel acht von ihm zu der Alten hinaufgegangen. Nun halten Sie das einmal zusammen . . .“
„Aber erlauben Sie, wie erklärt sich denn der Widerspruch in ihren Angaben: sie sagen selbst, sie hätten geklopft, und die Tür sei von innen zugesperrt gewesen, und als sie drei Minuten nachher mit dem Hausknecht hinaufkamen, stellte es sich heraus, daß die Tür offen war!“
„Das ist ja eben der Witz! Der Mörder saß jedenfalls drinnen und hatte den Riegel vorgelegt; und er wäre sicher dort abgefaßt worden, wenn Koch nicht die Dummheit begangen hätte, auch noch hinunterzugehen, um den Hausknecht zu holen. Und gerade diese Zwischenzeit hat der Mörder benutzt, um die Treppe hinunterzugehen, und er hat es auf irgendeine Weise fertiggebracht, an ihnen vorbeizuschlüpfen. Koch bekreuzigt sich mit beiden Händen und sagt: ,Wenn ich dageblieben wäre, dann wäre er herausgesprungen und hätte mich mit dem Beile totgeschlagen.‘ Er will ein Dankgebet für seine Rettung abhalten lassen, ha-ha-ha! . . .“
„Und den Mörder hat niemand gesehen?“
„Wie soll man da einen sehen? Das Haus ist die reine Arche Noah“, bemerkte der Sekretär, der von seinem Platze aus zugehört hatte.
„Die Sache ist ganz klar, ganz klar!“ rief Nikodim Fomitsch eifrig.
„Nein, die Sache ist sehr unklar!“ entgegnete der hartnäckige Ilja Petrowitsch.
Raskolnikow ergriff seinen Hut und ging nach der Tür zu, aber er erreichte sie nicht . . .
Als er wieder zu sich kam, sah er, daß er auf einem Stuhle saß, daß ihn von rechts jemand stützte und auf der linken Seite ein andrer mit einem gelblichen Glase voll gelblichen Wassers stand und daß Nikodim Fomitsch vor ihm stand und ihn aufmerksam anblickte. Er stand vom Stuhle auf.
„Was ist denn mit Ihnen? Sind Sie krank?“ fragte Nikodim Fomitsch in ziemlich scharfem Tone.
„Schon als er vorhin nachschrieb, konnte er kaum die Feder halten“, bemerkte der Sekretär, indem er sich wieder an seinen Platz setzte und sich von neuem an seine Papiere machte.
„Sind Sie schon lange krank?“ rief Ilja Petrowitsch von seinem Platze aus, wo er nun gleichfalls in seinen Papieren kramte.
Auch er hatte natürlich den Kranken betrachtet, während dieser in Ohnmacht lag, war aber sofort wieder zurückgetreten, als er zu sich kam.
„Seit gestern“, murmelte Raskolnikow.
„Sind Sie gestern aus dem Hause gegangen?“
„Ja.“
„Krank?“
„Ja.“
„Zu welcher Zeit?“
„Zwischen sieben und acht Uhr abends.“
„Und wohin, wenn man fragen darf?“
„Auf die Straße.“
„Nun, Sie antworten ja sehr kurz und klar.“
Raskolnikow hatte seine Antworten in scharfem Tone hervorgestoßen; er war leichenblaß, schlug aber seine schwarzen, entzündeten Augen vor Ilja Petrowitschs Blick nicht nieder.
„Er kann sich kaum auf den Beinen halten, und Sie . . .“ wollte Nikodim Fomitsch einwenden.
„Das tut nichts!“ erwiderte Ilja Petrowitsch mit auffälliger Betonung.
Nikodim Fomitsch beabsichtigte, noch etwas hinzuzufügen: aber als er den Sekretär ansah, der gleichfalls seinen Blick unverwandt auf ihn richtete, schwieg er. Auf einmal schwiegen alle. Das machte einen seltsamen Eindruck.
„Nun gut“, schloß Ilja Petrowitsch. „Wir wollen