ТОП просматриваемых книг сайта:
Verbrechen und Strafe. Fjodor Dostojewski
Читать онлайн.Название Verbrechen und Strafe
Год выпуска 0
isbn 9788726372038
Автор произведения Fjodor Dostojewski
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„Also war es ein Schriftsteller?“
„Jawohl, Herr Hauptmann, und was ist das für ein unfeiner Gast, Herr Hauptmann, wenn er in einem anständigen Hause . . .“
„Na, na! Aber nun genug! Ich habe dir doch schon gesagt und immer wieder gesagt . . .“
„Ilja Petrowitsch!“ sagte der Sekretär noch einmal bedeutsam.
Der Polizeileutnant warf ihm einen schnellen Blick zu; der Sekretär nickte leicht mit dem Kopfe.
„Also, hochverehrte Lawisa Iwanowna“, fuhr der Polizeileutnant fort, „das ist nun mein letztes Wort, und ich sage es dir zum letzten Male. Wenn bei dir in deinem anständigen Hause auch nur noch ein einziges Mal Skandal vorkommt, so soll dich der Teufel frikassieren, um mich eines gewählten Ausdrucks zu bedienen. Hast du’s gehört? Also ein Literat, ein Schriftsteller hat sich in einem anständigen Hause‘ fünf Rubel für einen Frackschoß bezahlen lassen? Ja, so sind sie, diese Schriftsteller!“ Dabei warf er einen verächtlichen Blick auf Raskolnikow. „Vorgestern war in einem Restaurant auch so ein Vorfall: einer hat zu Mittag gegessen und will nicht bezahlen. ,Ich werde eine Satire über Sie schreiben‘, sagt der Mensch. Wieder ein andrer hat vorige Woche auf einem Dampfschiffe die ehrenwerte Familie eines Staatsrates, Frau und Tochter, mit den gemeinsten Schimpfworten belegt. Aus einer Konditorei wurde neulich einer mit Schlägen hinausgeworfen. Ja, solche Sorte ist das, diese Schriftsteller, Literaten, Studenten, Maulreißer, . . . pfui! Aber du, mach, daß du wegkommst. Ich werde mal selbst bei dir nachschauen, . . . dann nimm dich in acht! Hast du’s gehört?“
Luisa Iwanowna knickste eilig und liebenswürdig nach allen Seiten und zog sich knicksend zur Tür zurück; aber in der Tür stieß sie, rückwärts gehend, gegen einen stattlichen Polizeioffizier mit offenem, frischem Gesichte und prächtigem, dichtem, blondem Backenbarte. Es war der Revieraufseher Nikodim Fomitsch selbst. Luisa Iwanowna machte schnell einen ganz tiefen Knicks fast bis zur Erde; dann hüpfte und flatterte sie mit eiligen, kleinen Schritten aus dem Bureau hinaus.
„Na, haben Sie wieder mal Gepolter gemacht, Blitz und Donner, Wirbelwind und Orkan?“ Mit diesen Worten wandte sich Nikodim Fomitsch liebenswürdig und freundschaftlich an Ilja Petrowitsch. „Haben die Leute Sie wieder geärgert? Sind Sie wieder mal hitzig geworden? Ich habe es schon auf der Treppe gehört.“
„Ach was!“ erwiderte Ilja Petrowitsch vornehm lässig und ging mit ein paar Schriftstücken an einen andern Tisch hinüber; bei jedem Schritte zog er elegant die betreffende Schulter nach. „Da, sehen Sie nur: dieser Herr Schriftsteller, Student wollte ich sagen, d. h. gewesener Student, hat Schuldscheine ausgestellt, bezahlt aber nicht, räumt seine Wohnung nicht, fortwährend laufen Klagen gegen ihn ein — und dabei begehrte er auf, weil ich mir in seiner hohen Gegenwart eine Zigarette angesteckt hatte! Und er selbst läßt sich eine ganz gemeine Handlungsweise zuschulden kommen! Sehen Sie ihn nur an: da steht er in seiner ganzen verlockenden Pracht!“
„Armut ist keine Schande, liebster Freund! Aber ich weiß schon, wie’s zusammenhängt. Sie sind ja bekanntlich das reine Schießpulver und sind mal gleich wieder bei einem scharfen Worte aufgeflammt.“ Hier wendete sich Nikodim Fomitsch in liebenswürdigstem Tone zu Raskolnikow: „Sie haben ihm wahrscheinlich etwas übelgenommen und sich dann selbst nicht beherrschen können. Aber zum Übelnehmen hatten Sie keinen Anlaß; denn ich kann Ihnen sagen, er ist der netteste, anständigste Mensch der Welt, aber freilich Schießpulver, das reine Schießpulver! Gleich gerät er in Wut, braust auf, wird hitzig — aber dann ist’s auch wieder zu Ende, alles wieder vorbei! Die Hauptsache aber bleibt doch immer sein goldenes Herz! Auch beim Regimente nannten sie ihn ,Leutnant Schießpulver‘ . . .“
„Und was war das für ein feines Regiment!“ rief Ilja Petrowitsch, höchst befriedigt, daß man ihn so angenehm gekitzelt hatte, aber immer noch ein bißchen schmollend.
Es wandelte Raskolnikow die Lust an, ihnen allen etwas besonders Angenehmes zu sagen.
„Aber ich bitte Sie, Herr Hauptmann“, begann er, zu Nikodim Fomitsch gewendet, in sehr ungezwungenem Tone, „versetzen Sie sich einmal in meine Lage. Ich bin gern bereit, den Herrn um Entschuldigung zu bitten, wenn ich meinerseits einen Verstoß begangen haben sollte. Ich bin ein armer, kranker Student; die Armut drückt mich ganz zu Boden. Ich mußte die Universität verlassen, weil ich jetzt die Ausgaben nicht bestreiten kann; aber ich werde wieder Geld erhalten. Ich habe eine Mutter und eine Schwester im Gouvernement R . . ., diese werden mir Geld schicken, und ich werde bezahlen. Meine Wirtin ist eine brave Frau; aber weil ich meine Privatstunden verloren und ihr nun schon seit mehr als drei Monaten nichts bezahlt habe, ist sie so böse geworden, daß sie mir sogar kein Mittagessen mehr schickt. Und ich begreife gar nicht, was sie mit diesem Schuldschein will. Jetzt verlangt sie von mir Zahlung auf Grund dieses Schuldscheins; aber wie kann ich denn zahlen, sagen Sie selbst!“
„Aber das geht uns nichts an . . .“, warf der Sekretär wieder dazwischen.
„Gestatten Sie gütigst, gestatten Sie gütigst, ich bin ja darin ganz Ihrer Meinung, aber gestatten Sie mir gütigst, Ihnen darzulegen“, unterbrach ihn Raskolnikow wieder; er wendete sich aber dabei nicht an den Sekretär, sondern immer an Nikodim Fomitsch und bemühte sich, soviel er nur vermochte, seine Worte auch an Ilja Petrowitsch zu richten, obgleich sich dieser hartnäckig so stellte, als krame er in den Akten herum und beachte ihn in geringschätziger Weise gar nicht, „gestatten Sie auch mir gütigst, Ihnen meinerseits darzulegen, daß ich schon ungefähr drei Jahre bei ihr wohne, gleich von meiner Ankunft aus der Provinz an, und daß ich früher . . . früher . . . nun, warum soll ich es nicht eingestehen? Ich habe gleich am Anfange das Versprechen gegeben, ihre Tochter zu heiraten, ein mündliches, vollkommen freiwilliges Versprechen; . . . sie war ein junges Mädchen, . . . übrigens, sie gefiel mir sogar ganz gut, . . . wiewohl ich nicht eigentlich verliebt war, . . . mit einem Worte: die Jugend, die Jugend! Ich wollte also sagen, daß meine Wirtin mir damals viel Kredit gab und daß ich . . . nun ja, daß ich etwas leichtsinnig lebte . . .“
„Solche intimen Mitteilungen verlangen wir von Ihnen gar nicht, mein Herr, und wir haben auch keine Zeit, dergleichen anzuhören!“ unterbrach ihn Ilja Petrowitsch grob und triumphierend; aber Raskolnikow in seinem Eifer ließ sich nicht hemmen, obwohl ihm jetzt auf einmal das Reden außerordentlich schwerfiel.
„Gestatten Sie mir bitte, Ihnen alles zu erzählen, . . . wie alles zusammenhing, und . . . der Reihe nach . . . Allerdings ist es eigentlich unnötig, das hier zu erzählen; darin bin ich ganz Ihrer Meinung . . . Aber vor einem Jahre starb dieses junge Mädchen am Typhus, und ich blieb wohnen, wie vorher, und als die Wirtin in ihre jetzige Wohnung zog, da sagte sie mir, und zwar freundschaftlich, sie schenke mir volles Vertrauen usw . . . ., aber ob ich ihr nicht einen Schuldschein über einhundertundfünfzehn Rubel ausstellen wolle; so hoch berechnete sie meine Schuld. Bitte zu beachten: sie sagte ausdrücklich, wenn ich ihr einen solchen Schein ausstellte, so werde sie mir wieder so viel Kredit gewähren, wie ich nur irgend wünschte, und niemals, niemals — das waren ihre eigenen Worte — werde sie von diesem Papiere Gebrauch machen, bis ich von selbst zahlen würde . . . Und jetzt, wo ich meine Privatstunden verloren und nichts zu essen habe, beantragt sie die Beitreibung. Was soll man dazu sagen?“
„Alle diese gefühlvollen Einzelheiten berühren uns hier gar nicht, mein Herr!“ Damit schnitt ihm Ilja Petrowitsch in brutalem Tone das Wort ab. „Sie müssen eine Erklärung abgeben und eine Verpflichtung übernehmen; ob Sie aber verliebt waren, und überhaupt all diese pathetischen Erörterungen, das geht uns gar nichts an.“
„Na, seien Sie nur nicht zu hart“, murmelte Nikodim Fomitsch, setzte sich an einen Tisch und begann Schriftstücke zu unterschreiben. Er schien sich wegen der Schroffheit des andern zu schämen.
„Nun, dann schreiben Sie!“ sagte der Sekretär zu Raskolnikow.
„Was