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Kaiser wurde sichtbar sehr ärgerlich.

      »Weshalb hast du mir das nicht gemeldet?« sagte er schnell.

      »Weil Ew. Majestät noch gar nicht regierten. Es war 1886 oder 1887.«

      »Ach so!« sagte er mit Erleichterung. »Na, unter meiner Regierung käme so etwas auch nicht vor.«

      (Der arme Kaiser! – ich war im Begriff, ihm zu erzählen, daß sich fast derselbe Vorgang unter seiner Regierung vor einigen Jahren wiederholt habe, als sich eine große Manöver-Schlacht auf demselben Terrain abspielte!)

      Nach diesem »Vortrag« begab ich mich zu Kaiser Franz Joseph, um mich für die Verleihung des Großkreuzes des St. Stephans-Ordens zu bedanken. Daß der sonst so ordenskarge alte Kaiser mir schon jetzt seinen höchsten Orden, den er zu geben hat, verlieh, war ein Zeichen seiner ganz besonderen Huld, und darum war es mir auch Bedürfnis, ihm schnell persönlich meinen Dank auszusprechen. Er war reizend in seiner Güte und Freundlichkeit und sagte mir viele nette Sachen.

      Des Morgens während des Manövers war er sehr schlimm mit dem Pferde gestürzt. Aber der alte, nun 67 Jahre zählende Herr ist gewandt wie ein junger Mann. Er lachte nur darüber, als ich davon sprach.

      Um ½2 Uhr fand das Diner in dem gestern abend so freundlich »angeblasenen« Zelte statt, und hierauf erfolgte die große Abreise mit einem Abschiednehmen von so viel Menschen, daß sich meine Hand unter soviel Druck näßte.

      Kaiser Franz Joseph reiste nach Pest, Kaiser Wilhelm nach Bellye zur Hirschjagd bei Erzherzog Friedrich. Da Hofstaatssekretär Schwerin erkrankt war, mußte mein Sekretär Kistler zur Aushilfe mit dem Kaiser nach Bellye fahren. Letzterer sagte mir scherzend: »Das ist mir lieb, dann kann ich alle politischen Sachen mit ihm besprechen.« Kistler war beglückt.

      Esterházys baten mich, noch einige Tage zu bleiben. Aber das hätte noch gefehlt, den Armen nach diesen anstrengenden Tagen auf dem Halse sitzen zu wollen, während sie doch nur die Sehnsucht hatten, sich auf ihre Sofas zu legen und in Dankbarkeit, daß es nun zu Ende war, »Uff!« zu sagen. Ich fuhr mit dem Gefolge Kaiser Franz Josephs bis zu der Station Biczké, um bis zu der Ankunft Kaiser Wilhelms in Pest am 20. September bei meiner Freundin Fürstin Pauline Metternich in ihrem Schloß Bajna zu bleiben.

      Schloß Bajna.

      Die Fürstin schrieb mir:

      Bajna, 13. September 1897.

      Das ist herrlich! – Sie kommen! – Ich kann Ihnen nicht genug sagen, wie unendlich ich mich freue, Sie hier zu begrüßen, und wie dankbar ich Ihnen bin, daß Sie Ihr Versprechen halten! – Also die Herfahrt: .... entweder Biczké oder über Füretö-Almás. Wenn es bis übermorgen stark regnen sollte, dann müßte ich raten, letzteren Weg zu nehmen, da der von Biczké bis Pusta Gyarmath geradezu miserabel und unfahrbar wird, so daß selbst die ungarischen Beamten, welche auf ihre Wege stolz sind, erklären, »da sei es gefährlich!« Es liegen keine Kommoden56 in den Geleisen, aber es gibt dafür Löcher, die mehr Abgründen ähnlich sehen!

      Nachts dürfen Sie keineswegs fahren. Ich schicke Ihnen einen kleinen Jagdwagen mit ungarischem Kutscher. In Gyarmath, d. h. an der Grenze meines Besitzes, werde ich Sie empfangen »weather permitting«.

      Für Ihr Gepäck wird ein uneleganter Leiterwagen in Bereitschaft stehen. Den Diener – d. h. Ihren Diener – nehmen Sie auf den Bock zu sich. – Selbstverständlich bringen Sie die obligate Mordwaffe mit, denn vielleicht gelingt es, Sie mit einem Kapital-Hirsch zusammenzubringen! –

      Bitte machen Sie sich auf kein Liebenberg gefaßt – Bajna ist nicht schön und recht altmodisch eingerichtet. ...

      (gez.) P. Metternich.

      Die Fahrt nach Bajna war allerdings unglaublich! Diese Wege! Und in einem rasenden Tempo über alles hin. Ich mußte mich festhalten, um nicht aus dem leichten Jagdwagen hinausgeschleudert zu werden, und wunderte mich, daß nicht alles in Trümmer ging. Es mag wohl noch etwas von der Tradition des seligen Grafen Sandor in den Kutschern und Pferden sitzen.

      Der Kutscher, ein älterer Mann mit Schnurrbart, die buntbestickte schwarze Weste über dem breiten weißen Hemd mit den flatternden Ärmeln und dem kleinen, schwarzen, flachen, runden Hut auf die Seite gedrückt, hielt die 4 Dunkelbraunen ganz kurz, und seine Aufmerksamkeit war großartig. Als wir durch ein Loch sausten, so daß ich fast aus dem Wagen flog und rief: »Das ist gerade noch einmal so abgegangen!« antwortete er, ohne sich umzuwenden, in seinem harten Ungarisch-Deutsch: »Mocht nix, Euer Gnaden Exzellenz-Herr! – kenn ich alle Löcher auf Herrschaft gaanz genau.«

      Auf der Pusta Gyarmath, in einem reizenden Jagdschlößchen, begrüßten mich die Fürstin und Tochter Clementine (Clemy) auf das herzlichste, und nachdem ich einen kleinen Imbiß eingenommen hatte, ging es weiter – in demselben Tempo. Ich hatte das Gefühl, daß es der Fürstin gar nicht schnell genug ging! – aber sie hatte recht, als sie mir schrieb: »Nachts dürfen Sie keinesfalls fahren.« Ich wäre nachts allerdings lebendig nicht in Bajna angelangt. Heute aber landeten wir heil vor dem Schlosse mit den 4 dampfenden, schweißübergossenen Braunen.

      Das Schloß trägt, wie alle älteren ungarischen Schlösser, die ich gesehen habe (wenn sie nicht eine mittelalterliche Burg sind), einen nüchternen, kahlen, aber vornehmen Charakter. Es ist groß, und eine imposante Treppe führt zu dem ersten Stockwerk, wo (im Treppenhaus) das Reiterbild des Vaters der Fürstin, des berühmten Grafen Sandor, in Lebensgröße prangt. Von hier tritt man in die Wohnräume, die gleichfalls den Charakter der dreißiger Jahre tragen. Nur ihren eigenen Salon hat die Fürstin mit dem Sinne der Behaglichkeit, die sie verbreitet, wenn man sich um sie schart, hergerichtet.

      Der Garten ist nicht groß, doch immerhin der Größe des Schlosses entsprechend. Man fährt durch ein Portal in diesen Garten, um zu dem Schlosse zu gelangen.

      Das Portal ist jenes, an das sich eine unvergleichliche Erinnerung an die beste und intimste Freundin der Fürstin, Gräfin Melanie Pourtalès, geb. de Buissière (aus dem Elsaß) knüpft.

      Sie möge hier einen Platz finden, um so mehr, da uns der Schwiegersohn der schönen Gräfin Melanie, Baron Berckheim (Militär-Attaché bei der französischen Botschaft in Wien) empfing, der in Bajna zum Besuch weilte und die Gedanken auf die schöne Gräfin Melanie lenkte.

      Diese war nach jahrelangem Bitten und immer gestörten Verabredungen endlich nach Bajna gekommen, und Fürstin Pauline hatte in dem genannten Portale ein großes weißes Schild anbringen lassen, auf dem die lakonische Inschrift prangte: »Endlich!« Als aber Gräfin Melanie längere Zeit in Bajna geweilt hatte, und zwar länger, als sie ursprünglich beabsichtigte, erfolgte die Abreise. Der ungarische Gärtner, der kein Deutsch verstand, hatte von der Abreise der Gräfin vernommen und als besondere Aufmerksamkeit den Willkommen- Gruß wieder an dem Portal angebracht, was bei der Abfahrt die Fürstin mit Entsetzen bemerkte.

      Baron Berckheim (aus einer badischen Familie stammend, die im Elsaß begütert ist) beißt (wohl gerade, weil er einen deutschen Namen trägt) den Franzosen mehr heraus, als nötig, doch ist er unleugbar liebenswürdig und wurde bald ganz gemütlich badisch-elsässisch, als er sah, daß es mir auch nicht im Traume jemals einfiel, ein Botschafter-Gesicht zu machen.

      Außer Berckheim war nur der Hausarzt der Fürstin, ihr Sekretär Janichary (ein recht angenehmer, gebildeter Mensch), und der gute, alte Herr von Marcowich anwesend.

      Marcowich hat den Vorzug, von jedermann sympathisch gefunden zu werden, ohne daß er es nötig hat, seinen alten Mund zu öffnen. Mir sind in meinem Leben hin und wieder solche gesellschaftlichen Glückspilze begegnet, und es taucht vor solchen Erscheinungen in meinem Gedanken immer das Wort der Heiligen Schrift von den Vögeln unter dem Himmel auf: »Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen, und unser himmlischer Vater ernähret sie doch.« Marcowich trifft man überall bei Diners, Soupers und in angenehmen Salons, aber wenn die Vögel unter dem Himmel »piep« sagen, so hält auch das Marcowich nicht einmal für nötig. Wie gesagt: Jeder findet ihn angenehm und sympathisch – und so auch ich. Man drückt ihm die Hand, er lächelt gütig, und man freut sich, ihm die Hand gedrückt zu

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