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ein Offizier dem Kaiser Franz Joseph ins Ohr, daß die »Befehlsempfänger der Korps angelangt seien.« Der Kaiser nickte, und es traten, mit den Notizbüchern in der Hand, die vier Hauptleute (oder Majors) nebeneinander mit militärischem Gruß in das Zelt.

      »Meine Herren, ich bitte um Ruhe«, sagte der alte Kaiser. Alles verstummte, der Generalstabschef Baron Beck erhob sich, breitete die Karte auf dem Tisch aus, und begann.

      Aber was war in die Quartett-Bläser gefahren? Sie kamen langsam – immer blasend – näher.

      »Ge–stern – noch auf – ho–hen Ro-o-ssen« – bliesen sie langsam und laut, »heu–te durch – die Brust – ge–scho–o–ssen« – (noch langsamer und noch lauter).

      Baron Beck verstärkte nun auch seine Stimme, aber es half nichts. Die Jäger bliesen.

      Der arme Esterházy geriet in Fieber. Dann aber sprang er auf, seine Tischserviette in der Hand, und zwei ungarische Hausfreunde – Offiziere – schlossen sich ihm an. Sie stürzten fort an das Ufer und winkten mit den Servietten in der Richtung »fort von dem Zelt«. Aber die Bläser sahen nur eine kaiserliche Anerkennung in dem Winken und kamen blasend immer näher.

      Gottlob, jetzt schweigen sie! – doch nein, nur eine Minute, und es ertönt (wohl alles zu Ehren Kaiser Wilhelms) wiederum das deutsche Volks-Soldaten-Lied!

      »Mor–gen–ro–ot! – Mor–gen–ro–ot!« klang es ganz langsam und noch lauter als vorher.

      »Der rechte Flügel«, schrie Baron Beck, den Zeigefinger heftig auf die Karte drückend, »steht bei Felsö-Galla.«

      »Leuch–test – mir–ir – zum frü–hen To–od«, blies das Quartett.

      Ich konnte mich nicht halten vor der Komik dieser Situation. »Der Becksche Parademarsch«, sagte ich zu Kaiser Franz Joseph ziemlich laut, um verstanden zu werden, »ist im Tempo etwas zu langsam genommen.«

      Der alte Kaiser, dem die Situation nicht angenehm war, lachte auf diese Bemerkung zu meiner Freude. Kaiser Wilhelm aber, der meine ziemlich freche Bemerkung auch gehört hatte, verlor darüber ganz die Fassung, bückte sich vornüber und lachte, daß er sich schüttelte.

      Jetzt sah ich den Grafen Esterházy in ein kleines Boot springen, das in der Nähe lag. Ein ungarischer Bauer ruderte ihn, sich hin und her werfend, als hinge sein Leben davon ab. Im Mondschein sahen die beiden Insassen wie schwarze Silhouetten aus, nur die große weiße Serviette leuchtete hin und wieder hell auf, wenn der ganz verzweifelte Graf einen neuen Versuch machte, das Quartett zu bändigen.

      Dann hörte man auf dem See fürchterlich schimpfen – und dann war alles still. Die Lampions verlöschten– es stand nur der weiße Mond über dem stillen See.

      »Meine Herren«, sagte der alte Kaiser laut mit ziemlich starker Betonung, »ich bitte um Ruhe.«

      Und, als habe Gott-Vater aus den Wolken gesprochen, so plötzlich entstand eine lautlose Stille.

      »Der rechte Flügel«, wiederholte nun Exzellenz Beck in ruhigem Ton, »steht bei Felsö, und ...«

      usw.

      (Es folgte der Kriegsplan.)

      Graf Esterházy hatte sich leise wieder neben mir auf seinen Stuhl geschoben, und ich drückte ihm zulächelnd unter dem Tisch verständnisvoll die Hand. Er erwiderte den Druck, sah aber noch ganz erschüttert aus. Erst nachdem der alte Kaiser sich am Schluß des gewaltigen Kriegsplanes erhoben, der gesamten Gesellschaft eine Verbeugung gemacht und von Kaiser Wilhelm bis an seinen Wagen begleitet worden war, fand ich Gelegenheit, dem armen Grafen zu sagen, daß der Kaiser keineswegs ergrimmt gewesen, sondern sogar »gelächelt« habe, als das »Morgenro–ot« begonnen hatte. Ich könne ihm nur versichern, daß der reine Klang des Quartetts der Waldhörner auf dem Wasser geradezu entzückend gewesen sei.«

      »Sie sind halt ein Musiker«, sagte der Arme wehmütig, »aber ich hatte mir die Sach' doch anders gedacht!«

      Kaiser Wilhelm winkte mir. Sein Wagen war vorgefahren, und ich sollte ihm noch im Schloß Vortrag halten.

      Aber sobald der Wagen davonrollte, brach er in ein lautes Gelächter aus. »Du bist doch ein unglaublicher Mensch«, rief er aus. »Daß du dem alten Herrn, der gar nicht wußte, was er angesichts der blasenden Gondel machen sollte, den »Beckschen Parademarsch« versetztest, hat mir beinahe einen Erstickungsanfall verursacht. Denn ich konnte doch nicht – sowieso schon mit dem Lachen ringend – neben dem alten Kaiser laut herausplatzen! – es war fürchterlich!«

      »Doch aber wunderschön«, erwiderte ich. »Denn solche Situationen wie der feierliche Kriegsrat vor dem obersten Kriegsherrn in Verbindung mit dem traurigen Morgenrot-Quartett, das Esterházy mit einer Serviette vergeblich im Mondschein von einem See verjagen will, schickt uns nur ein gütiger Gott. Ich werde dieses Ouartett niemals vergessen.«

      »Ich auch nicht«, sagte der Kaiser.

      15. September 1897.

      Ich kam gestern abend nach meinem Vortrag bei dem Kaiser erst gegen 1/2 12 Uhr nach Hause und legte mich todmüde in mein feuchtes Bett neben der plätschernden Bassinstube. Aber ich schlief herrlich – leider nur bis 3 Uhr morgens, denn es erschien der nette Esterházysche Güterdirektor Schmidt, ein Reichsdeutscher, ziemlich geräuschvoll bei Emanuel, und beide bemühten sich, mir den Schlaf zu vertreiben, um die verabredete Pirschfahrt auf Rothirsche zu machen.

      Zunächst fuhren wir in einer Esterházyschen Equipage, dann in einem Bauernwagen über Stock und Stein, dann gingen wir zu Fuß. Ein Revierjäger hatte sich dazu eingefunden, und ich fragte Herrn Schmidt, ob es einer der Bläser vom gestrigen Abend sei. Als er bejahte, bat ich Schmidt, ihm zu sagen, daß ich begeistert gewesen sei. Ich selbst sei Musiker und wisse zu beurteilen, was sie geleistet hätten. Die beiden Kaiser seien ganz beglückt gewesen.

      Der Mann strahlte über sein ganzes gebräuntes Gesicht mit dem hochgewichsten Schnurrbart und stammelte einen ungarischen Dank, der so klang, als ob er Holz hackte.

      Das Jagdterrain ist ein mit Eichenwald bedecktes Gebirge. Drei Hirsche waren zu hören, eine sehr gute Stimme dabei. Es gelang, diesen anzupirschen, ich hatte einmal sogar schon angelegt, als ein Schuß in einiger Entfernung fiel und der Hirsch absprang. Mein Jäger fuhr zusammen und sprang mit einem ungarischen rauhen Fluch gleichfalls ab und verschwand.

      »Das ist das verdammte Manöver«, sagte der nette Schmidt wütend. »Wie soll man sich vor all den Soldaten mit ihrer Jagdpassion schützen? – ja, unsere Pirsche ist natürlich aus. Der Graf wird schön böse sein, es lag ihm soviel daran, Sie zu Schuß zu bringen!«

      Kurz darauf, während wir durch das Gehölz an einem weiten Abhang mit großen Lichtungen schritten, fiel wieder ein Schuß in einiger Entfernung. Wir blieben stehen und äugten aufmerksam nach dem Tal hin, wo der Schuß gefallen war. Einen Augenblick nur sahen wir, weit unten, einen blauen Soldaten durch die Büsche springen.

      »Na, gesund ist er«, sagte Schmidt – »zu schade!«

      Aber ich war doch leidlich zufrieden, daß wir ohne Mordtat aus dem Revier kamen. Dem Jäger – Waldhornisten – bestellte ich einen Gruß mit einem fürstlichen Geldgeschenk und gelangte nach einer guten halben Stunde in mein feuchtes Bett.

      16. September.

      Ich halte Vortrag bei dem Kaiser, der mich schimpfend über eine vergebliche Pirsche auf starke Hirsche empfing. »Statt eines gewissen, ganz starken Hirsches trafen wir eine Infanterie-Patrouille in dem Walde an! So etwas kann wirklich nur hier passieren!«

      »Ach nein!« antwortete ich, »bei einem Manöver in Liebenberg formierten sich die Patrouillen – und sonstige Teilnehmer – zu einer regelrechten Schützenkette und trieben den Häsener Wald, während die Liebenberger Schonungen an den Lankebergen von den Gegnern ebenso behandelt wurden. Ein Offizier erzählte mir lustig: »Auf dem Feld dazwischen sah es aus wie im zoologischen Garten.« Bei dieser Gelegenheit seien (wie meine Jäger erzählten) verschiedene Hasen (und anderes) geschossen worden, was mir nicht leid tat, da

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