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Das Leben am Hofe. Philipp zu Eulenburg
Читать онлайн.Название Das Leben am Hofe
Год выпуска 0
isbn 9788075838612
Автор произведения Philipp zu Eulenburg
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
Um 1 Uhr frühstücke ich elender Zivilist bei Gräfin Esterházy en famille. Sie ist wirklich freundlich und gut. –
Mit tausend Grüßen den geliebten Kindern Dein alter treuer Philipp.
13. September 1897.
Am Nachmittag kehrten die beiden Kaiser mit dem ungeheuerlichen Gefolge vom Manöver zurück, innerlich und äußerlich schwitzend.
Ich suchte nach der Rückkehr den Kaiser auf, da mir allerhand Depeschen zugegangen waren, die einer schnellen Erledigung bedurften. Dann fand allgemeine Ruhe und allgemeines Baden statt, für das Totis ein Paradies ist. Denn der ganze Untergrund dieser Gegend ist warm. Fast alle Quellen enthalten warmes Wasser von der Temperatur, die man für ein warmes Wannenbad braucht. So befinden sich auch fast in jedem Haus Steinwannen oder sogar Bassins, in die das warme Wasser wie eine Quelle rinnt und daraus abläuft. In meiner Villa (dem Haus eines höheren Beamten von Totis, das, wie fast alle Gebäude nur aus dem Parterregeschoß besteht), befindet sich an einem hübschen, von einer Mauer umgebenen Gärtchen eine Art Sommersalon. In der Mitte dieses Salons ist ein kleines Bassin von rötlichem Marmor eingelassen, das mit silberklarem Wasser angefüllt ist. Es plätschert Tag und Nacht das angenehm laue Wasser hinein – geradezu herrlich! Doch hat diese Wasserfülle in dem Hause den Nachteil, daß es dieses recht feucht macht.
Auch das Wasser des schönen blauen Sees, der etwa so groß ist wie »die Lanke« in Liebenberg ohne die Bucht am Borgwall, ist nicht kalt. So gedeihen denn darin die Fische vorzüglich. Friert daher einmal ein Fisch, so braucht er nur an eine warme Quelle zu schwimmen. Ich denke mir, daß im Paradiese ähnliche Vorrichtungen angebracht gewesen sind.
Abends fand wieder das große »feldmarschmäßige« Diner auf einfachen weißen Tellern und mit Zinnbechern in dem großen Zelte am See statt. Wieder hörte man am Schluß des Bratens (es gibt leider keine Mehlspeise) plötzlich die Stimme des alten Kaisers Franz Joseph laut: »Ich bitt' um Ruhe!« – und nach dem plötzlichen Verstummen des großen militärischen Gemurmels, breitete wieder der Chef des Generalstabes vor dem Platz der beiden Kaiser eine große Manöverkarte aus, auf der so viel ungarische Ortsnamen stehen, daß einem fast schwindlig wird.
Es begann die Disposition für den nächsten Tag, von der kein Deutscher – das Geringste verstand. Gottlob blieb der deutsche Kaiser nach Schluß dieses interessanten Vortrags heute abend nur kurze Zeit mit Erzherzog Eugen und einigen Herren sitzen, er war müde. Der österreichische Kaiser hatte bereits während Becks »Disposition« öfters genickt. Ob das Zustimmung bedeutete, lasse ich dahingestellt. Jedenfalls ging er »unmittelbar« nach Schluß zu Bett.
14. September 1897.
Auch dieser Tag brachte allerhand Kurzweil – denn auch Langeweile bringt bei gewissen Konstellationen eine Kurzweil zutage. Doch wurde die Fahrt nicht zur Kurzweil, die ich mit meinem verehrten und verschlagenen Freunde und Gönner Lucanus um 10 Uhr in das Manöverterrain unternahm. Wir kehrten nach 12 Uhr zurück, nachdem wir ungefähr da gewesen waren, wo sich das Manöver nicht abspielte, denn als wir endlich jenseits eines Flusses allerhand wild aufgeregte Adjutanten herumreiten sahen und einige ungarische Soldaten in fürchterlich engen hellblauen Hosen sich vor den Adjutanten hinter Büschen versteckten – fanden wir keine Brücke.
Heimgekehrt, hatte ich kaum Zeit, mir meinen schwarzen Überrock anzuziehen, um noch rechtzeitig in das kleine Schlößchen im Park zu gelangen, wo ein »intimes Dejeuner dinatoire« bei Esterhazys stattfinden sollte. Die beiden Kaiser hatten das sehr berechtigte Gefühl, den »Wirten« von Totis (die sich in geradezu ungeheuerliche Unbequemlichkeiten gestürzt hatten), eine »Höflichkeit« zu erweisen.
Das Schlößchen ist im Grunde nichts anderes als ein runder, ziemlich kleiner Eßsaal mit ein paar kleinen Zimmerchen daneben und darüber. Es liegt in reizender Lage in dem schönen Park bei alten Bäumen und ist in der Zeit Louis XVI. erbaut. An den Wänden des runden Sälchens befinden sich auf Konsolen Vasen. Durch große Glastüren blickt man hinaus in den Park. In dem runden Sälchen steht nur ein runder Tisch, der fast ebenso groß ist wie das Sälchen selbst und nur Platz für die Stühle läßt.
Die Gesellschaft war, wie man bei solchen Gelegenheiten zu sagen pflegt, »klein, aber gewählt«: das Ehepaar Esterházy, die beiden Kaiser, die Erzherzöge Rainer und Joseph, der russische Chef des Generalstabes Obrutschew und ich – 8 Personen. Für diese 8 Personen war aber der runde Tisch zu groß. Die Vis-à-vis saßen ungefähr an der gegenüberliegenden Wand, und ohne daß die Diener auf allen Vieren auf dem unendlich breiten runden Tisch herumgekrochen wären, hätte derselbe unmöglich dekoriert werden können, denn ein Hinüberreichen der Blumenvasen- und körbe bis zu dem Zentrum des Tisches war schlechterdings ausgeschlossen.
Die zu Tod verlegene Gräfin (der ich gestern völlig vergebens Mut zugesprochen hatte), saß zwischen den 2 Kaisern und trug zugleich die volle Verantwortung für jedes aufgetragene Gericht. Die arme gute Seele! – wie leid tat sie mir in ihrer ungeheuren Ehrung. Ich bin überzeugt, daß am Schluß dieser fürchterlichen Aufregung sie »weinte vor Schmerz und vor Freude.«
Ich saß zwischen Erzherzog Joseph und Obrutschew, der eine gewisse reservierte Haltung einnahm und sich wohl immer nur überlegte, »wie, wo und warum« man die Österreicher am besten »verdreschen« könne.
Kaiser Wilhelm und ich machten – soweit es bei der Entfernung über den Tisch möglich war – die Konversation ganz allein. Gräfin Esterházy antwortete stets freundlich »ja« oder »nein«, Graf Esterházy aber wurde von blauen und roten Ängsten gehoben, daß irgendein fürchterlicher Zwischenfall eintreten könne. Er erhob sich mit einem tiefen Atemzug der Erleichterung, als die Tafel beendet war und er den Majestäten die Zigarren anbieten konnte. Der alte Kaiser Franz Joseph gehört zu den stummsten und daher weisesten Monarchen, Erzherzog Joseph aber zu den so tiefen Schweigern, daß er jedesmal erschrickt, wenn man ihn anredet. Doch nicht etwa, weil er tiefen Problemen gedankenreich nachspürte, sondern weil er an nichts denkt. »Wo liegt Ew. Kaiserlichen Hoheit Schloß Alesuth?« fragte ich z. B.... Er sah mich erschreckt an und sagte nach einigem Nachdenken: »Szehr weit!« »Aber doch an der Bahn?« fragte ich unerschrocken weiter. »Szehr wenig«, sagte er mit einer Betonung und einem Blick, als habe Galilei von der Erde gesagt: »und sie bewegt sich doch!« »Ich höre, daß Sie viel und sehr gute Hirsche in Alesuth haben«, fuhr ich fort, um ihm eine Freude durch meine Wissenschaft zu machen. »Szehr!« sagte er und nickte eine Weile befriedigt mit seinem erzherzoglichen Kopfe. Ich bemerkte, daß Kaiser Wilhelm mit lachenden Augen zu mir hinübersah. Er hatte schon seinerseits zuviel vergebliche Konversationsangriffe auf den Erzherzog gemacht, um sich nicht darüber zu amüsieren, wenn ich immer von neuem versuchte, diesen bombensicheren Gehirnkasten zu stürmen.
Das kleine Dejeuner war trotz solcher Intermezzos ganz gemütlich. Auch Obrutschew nicht übel, – wenn man von den Pariser Theatern sprach. Das Essen war vortrefflich, das Schlößchen reizend, der Park schön und Esterházys trotz aller Sorgen und Verlegenheiten sympathische und natürliche Menschen. Aber über den Erz-Joseph habe ich noch manchesmal mit dem Kaiser lachen müssen – mein Gott, welcher Geist!
Nachmittags hatte ich wieder einen längeren Vortrag bei Kaiser Wilhelm - nebst Unterhaltung über die Tageseindrücke. Abends fand das übliche große Souper in dem Zelt am See statt, doch nicht ganz ohne Konvulsionen. Ich saß links vom Kaiser Franz Joseph, Kaiser Wilhelm rechts von ihm und zu meiner Linken Graf Esterházy. Dieser hatte sich, verlockt von dem köstlichen Mondschein über dem See, eine musikalische Überraschung ausgedacht. Vier seiner Jäger (in der ungarischen Nationaltracht als grüne Husaren mit gelben Stiefeln und kühner Mütze mit Adlerfeder geschmückt) bliesen auf Waldhörnern Lieder-Quartette, während sie in einer mit Lampions geschmückten Gondel auf dem See hin- und hergerudert wurden. Das klang sehr reizend, besonders wenn sie sich, wie anfangs, in der Ferne hielten. Bei den Wendungen des Bootes schwollen oder schwanden die Töne und schwebten sehr lieblich über dem See.
Selbstverständlich lauschte die große militärische Manövergesellschaft