Скачать книгу

dem Wagen niedergestellt war, bäumten sich alle sechs Pferde zugleich hoch auf, und zu unserem namenlosen Entsetzen stürmten sie in rasender Karriere mit dem Wagen und dem Sarg auf der Straße dahin! – Niemand vermochte zu folgen, bis auf einige Reiter, die im Wirtschaftshofe hielten und herbeigerufen wurden. Die sonst vollkommen ruhigen Pferde waren wie von einem furchtbaren Schrecken ergriffen, kein Aufhalten war möglich – nach einer rasenden Fahrt von länger als einer halben Stunde brach alles in einer Waldlisiere zusammen. Die Pferde gestürzt, der Wagen in Trümmer – Gottlob, der Sarg unversehrt!«

      Die Fürstin war, trotz ihrer Tapferkeit und Energie sehr bleich geworden, und wir schwiegen beide eine Zeitlang bei unserm Gang im Garten.

      Ich will nun gewissermaßen als Quittung über meine gesellschaftliche Tätigkeit in Bajna – einen lieben Brief meiner Freundin folgen lassen, der einen beredten Ausdruck für die Gesinnung, die Liebenswürdigkeit der seltenen Frau darstellt, die in der großen Welt während einer langen Reihe von Jahren eine sehr bedeutende Rolle spielte und nun hier als das Ideal einer liebenswürdigen Hausfrau, fernab von allem Getriebe dieser Welt in tiefer ungarischer Abgeschiedenheit, ihre Wesenheit enthüllt.

      Bajna, 19. September 1897.

      »Die schönen Tage von Aranjuez sind vorbei« ... Nach all der Fülle von Güte, Liebenswürdigkeit, Freundschaft und Geist, welche Sie, bester Graf, wie aus einem Füllhorn auf uns herausschüttend zurückgelassen haben, kommen wir uns heute sehr arm und vereinsamt vor.

      Es drängt mich, es Ihnen zu sagen und Ihnen zu danken für all das, was Sie uns gewesen sind! – Ihr leider nur zu kurzer Aufenthalt wird mir unvergeßlich bleiben und erweckt nur den lebhaften Wunsch, daß solches Zusammensein bald wieder ermöglicht werde.

      Es versteht sich von selbst, daß Sie mir nicht auf diese Zeilen antworten, denn in dem Trubel, in welchem Sie jetzt leben, verlangt meine Freundschaft, daß Sie mich genug kennen, um überzeugt zu sein, daß Ihr Schweigen jetzt nicht als Gleichgültigkeit ausgelegt werden wird, Sie schreiben mir, wenn Sie an einem Orte angelangt sind, wo Sie der Ruhe pflegen können. An die entfernte Freundin zu denken und oft zu gedenken, darum bitte ich Sie aber. Nochmals Dank – tausendfachen Herzensdank!

      (gez.) P. Metternich.

      Kaiserfeste in Budapest. 1897.

       Tagebuchnotizen.

      19. September 1897.

      Bei Tagesgrauen verließ ich das gastliche Schloß und wurde auf dem Weg nach Station Biczké bei dem »Überfahren« des ersten großen Loches, das der Viererzug galoppierend »genommen« hatte, derart in die Höhe geschleudert, daß mir der Schlaf verging und mich meine schmerzenden Lippen, in die ich mich bei dem Anprall gebissen hatte, warnte, das nächste Loch nicht im Halbschlaf zu »nehmen«.

      In Pest empfing mich Bernhard Bülow auf dem Bahnhof, und wir tauchten sofort in das Schlammwasser der Politik hinein, in dem sich doch wohl eigentlich nur Krebse und Blutegel wohl fühlen können. Bülow ist allerdings nicht ganz dieser Ansicht. Hoffentlich wird er bei den seiner wartenden Aufgaben nicht allzubald zu dieser meiner Ansicht bekehrt werden.

      Es begann für uns in Pest sofort die Erfüllung gesellschaftlicher Formen durch Visiten bei den zum Empfange der beiden Kaiser zusammengeströmten Staatsmännern und Mitgliedern des ungarischen Hochadels: Recht mühsam war es und schließlich doch nur ein verlorener Tag, soweit nicht dazwischen die Unterhaltungen mit Bülow eingeschaltet waren.

      20. und 21. September 1897.

      Ich lasse die Unruhe dieser beiden Tage in der Form des Programmes der Feierlichkeiten folgen, wie mir solches zugegangen war. Auf Schritt und Tritt hatte ich als hier akkreditierter Botschafter dem Kaiser zu folgen und meine Augen und Ohren überall offen zu halten.

      Programm für den Aufenthalt Seiner Majestät des Deutschen Kaisers und Königs von Preußen in Budapest.

      (Aufgestellt von dem K. ungarischen Oberhofmarschallamt.)

      20. September 1897. Vormittags: Ankunft Seiner Majestät des Deutschen Kaisers aus Bellye am Ostbahnhofe.

      Empfang am Bahnhof durch Seine K. und K. apostolische Majestät und die durchlauchtigsten Herren Erzherzöge usw.

      Empfang in der Hofburg durch die durchlauchtigsten Frauen Erzherzoginnen usw.

      Adjustierung: Gala (preußische Uniform) mit dem Bande des preußischen Ordens-Großkreuzes.

      Toilette der Damen: Morgentoilette ohne Hut.

      Nachmittag: Besichtigungen.

      5 Uhr: Allerhöchste Tafel. (Die Herren vom Militär: Dienst- oder Inhaber-Uniform: Herren vom Zivil: im Frack.

      Toilette der Damen: demi montant.

      8½ Uhr abends: Soiree bei Hofe. (Die Herren in Gala ohne Bänder, ohne Dienstabzeichen; die Damen in Balltoilette.)

      21. September 1897. Vormittags: Besichtigungen.

      Mittag: Fahrt zur Margarethen-Insel. Dejeuner dortselbst.

      5 Uhr nachmittags: Gala-Diner. Die Herren in Gala (preußische Uniform) mit Dienstabzeichen, mit Band; Damen: dekolletiertes Kleid mit Schmuck.

      8 Uhr abends: Fest-Vorstellung im Operntheater. (Herren: Parade-Kopfbedeckung, Damen: Soiree-Toilette.)

      9½ Uhr abends: Rundfahrt zur Besichtigung der Beleuchtung.

      10 Uhr abends: Abreise Seiner Majestät des Deutschen Kaisers.

      (Keine Aufwartungen.)

      Ein solches Programm lautet selbstverständlich und einfach, aber in Wirklichkeit ist es hart durchzukämpfen, wenn man sein eigenes Ich noch nicht verloren hat.

      Der Anblick solcher Festes-Serien blendet zuweilen als Schaustück. Erlebt man sie oft – wie ich – so wirken sie auf den nachdenklichen Menschen, der sich selbst nicht verlor, wie ein Narrenstück. Und zwar deshalb, weil man, in amtlicher Figur mitwirkend, völlig als Individualität verschwindet. Es bleibt eben nur das Kleid und die Form, und das Bewußtsein dieser Transformation beleidigt das Selbstgefühl, d. h. den natürlichen Menschen. Nur der Monarch selbst empfindet als der Mittelpunkt, als der Ausgangspunkt der gesamten Schaustellung seine Individualität als solche. Aber die zur Schau gestellte Unterordnung in entsprechender Kleidung, Haltung und Gruppierung hat etwas Herabwürdigendes. Man muß jedoch solche Reflexionen während eines Hof-Gala-Festes strengstens vermeiden, denn tauchen sie auf, so muß man als überzeugungstreuer Mann nach Hause gehen.

      Daß man mir von allen Seiten zu dem Stephan-Orden gratulierte, war mir fatal. Mir behagte nur der Gedanke, daß diese ungewöhnliche, hohe Auszeichnung ein Ausdruck dafür war, daß der alte, mich stets rührende Kaiser mich persönlich gern hatte, mir volles Vertrauen schenkte und ich dadurch meinem Vaterlande zu nützen vermochte. Die Art, wie er mir in Totis darüber sprach, mußte mich tief rühren, und das war meine Freude an diesem Orden. Aber ich sah weit genug, daß mir der Neid nur Feinde durch diese Auszeichnung machte.

      Oh, welch ein Glatteis ist ein Hofparkett!

      Zur Charakteristik der Kaisertage in Pest füge ich schließlich noch einige Zeilen aus einem Briefe hinzu, den ich an meine Gattin richtete:

      »Am 19. September 1897, nach der Ankunft in Pest, frühstückte ich mit Bernhard Bülow und Lichnowskv im Hotel. Dann machten wir eine Spazierfahrt und Visiten, und um 5 Uhr fand ein entsetzlich heißes und wenig angenehmes, rein militärisches Diner bei dem kommandierenden General, Prinz Lobkowitz statt. Nachher machte ich einen kurzen Besuch bei Ratibors und fuhr dann in den Klub.

      Fanny Ratibor 58 war aufgeregt, falschfreundlich. Er machte sich hier wenig beliebt als Generalkonsul. Sie gehen im Oktober auf ihren neuen Posten als Gesandter nach Weimar. Das arme Weimar – wie wird es Fanny durcheinander hetzen!

      Bernhard ›als Staatssekretär‹ war ganz in seinem Fahrwasser: klug, geschickt, angenehm. Der

Скачать книгу