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      Eine Erinnerung

       Auch enthaltend: Zwei - Kaiser - Manöver in Ungarn.

       Vorwort

      Fürstin Pauline Metternich gehört zu den Frauen, von denen in der großen internationalen Welt zu der Zeit der Herrlichkeit Napoleons III. und der Kaiserin Eugenie viel gesprochen wurde. Und das pflegt auf eine Dame kein gutes Licht zu werfen, wenn man sie bei solchen Betrachtungen in den großen Pariser Modekorb schleudert, mit allen den Frauen zusammen, die das Wetter in der Welt der Mode machen: Mehr oder minder Flittergold und Zierpuppen von leichten Sitten.

      Was aber bedeutet das Urteil der großen Welt? nichts anderes, als wenn kurzsichtige Leute nach einer Scheibe schießen.

      Fürstin Pauline aber gehörte zu den Erscheinungen der großen Modenwelt nur insofern, als es die von Geist und Lebenslust übersprudelnde junge Dame einst belustigte, auch ihrerseits Mode zu machen. Und warum sollte sie nicht das unermeßliche Talent des Schneiders Worth »entdecken«, der, dank ihrer Intervention zu einer internationalen Größe, gewissermaßen zu dem Herrscher der Modewelt wurde?

      Es gibt aber in der großen Mode-Welt zwei völlig und scharf voneinander getrennte Arten der Eleganz: Die Eleganz der vornehmen Frau und die Eleganz der Demimonde. Es ist nicht zu leugnen, daß sich diese beiden Frauen-Arten in der Pariser Gesellschaft nahe berühren. Sie sind sich aber niemals in der Fürstin Pauline Metternich begegnet, denn diese war und blieb trotz ihres sprühenden Temperamentes, ihrer Freiheit des Wortes und ihres beweglichen Mienenspiels der Inbegriff einer vornehmen Frau. Es war ihr Verstand und ihr sprudelnder Geist, der die Äußerlichkeiten des Lebens nur zu einem Werkzeug machte.

      So war und ist diese merkwürdige Frau, mit der mich das Schicksal einst zusammenführte, und der ich in Dankbarkeit als Freund diese Zeilen weihe.

      Philipp Eulenburg.

      I.

       Fürstin Pauline in Meran und die Geburt ihrer Memoiren. 1896.

      Fürstin Pauline Metternich war als die einzige Tochter und Erbin des berühmten ungarischen Grafen Sandor, dessen Reitkunststücke und Abenteuer in der ganzen Welt bekannt waren, 1836 geboren und hatte 1856 den Fürsten Richard Metternich, Sohn und Erben des berühmten Staatskanzlers geheiratet, der fast während der ganzen Dauer des zweiten napoleonischen Kaiserreichs Österreich als Botschafter in Paris vertrat.

      Fürstin Pauline, voll Verstand und geistreicher Beobachtungsgabe, hatte sich in Paris durch ihren Geist und Witz, vielleicht auch durch ihre Toiletten – und vielleicht auch durch eine Art Exzentrizität – schnell eine derartige Stellung an dem napoleonischen Kaiserhofe gemacht, daß bald ohne sie gesellschaftlich nichts unternommen wurde. Alles war originell, was sie erdachte, dazu stand ihr eine ganz ungewöhnliche Energie für die Ausführung ihrer Unternehmungen zu Gebote. Es gab tatsächlich eine Zeit, da in Paris – und darum fast überall in der großen Welt – von Fürstin Pauline gesprochen wurde.

      Schön war sie nicht. Doch sah man immer nur ihre leuchtenden, großen, braunen Augen, die voller Übermut und Spott, fragend und durchbohrend dem Menschen bis tief in sein Innerstes blickten. In ihnen lag der ganz ungewöhnliche äußere ausdrucksvolle Reiz ihres Wesens, der durch die zündende Art ihrer Konversation und die Treffsicherheit ihrer Bemerkungen ganz außerordentlich wirkte.

      Als ich sie in Wien kennenlernte, kamen wir uns schnell nahe. Es wurde eine gute Freundschaft daraus, und ich habe durch sie viel gehört und viel erfahren, und zwar nicht nur aus politischen Zeiten der Vergangenheit, denn ihre Mutter war die Tochter des berühmten Staatskanzlers Metternich 44, in dessen Hause die junge Pauline aufwuchs, sondern auch von dem Hofe Napoleons III. Am lebhaftesten waren immer ihre Pariser Erzählungen.

      Bald nach dem Antritt meines Wiener Postens, 1894, hatte Fürst Richard einen Schlaganfall gehabt. Die Fürstin ging nur wenig aus, doch suchte ich sie an ihren Empfangstagen im Palais Metternich auf.

      Als 1895 der Fürst starb, hatte sie für den Winter die Villa »Praderhof« in Meran-Obermais gemietet, da sie um ihrer Trauer willen nicht in Wien bleiben wollte.

      In ihrer Villa Praderhof langweilte sie sich entsetzlich, und als ich am 6. Januar 1896 in Meran erschien und mich, statt sie zu besuchen, krank in mein Bett legte, war sie fassungslos. Wir schrieben uns Billetts – doch das genügte nicht. Kaum, daß ich mich auf einem Sofa befand, erschien sie und erfrischte nicht nur mich, sondern auch meine Mutter, die den Winter in Meran verlebte, durch ihre Lebhaftigkeit und Originalität.

      Damals schlug ich ihr vor, die stille Zeit im Praderhof zu benutzen, um ihre Memoiren zu schreiben. Sie lachte mich aus, behauptete, das hätten ihr schon andere Leute geraten. Sobald sie aber mit ernstem Gesicht begonnen habe: »Ich, Pauline, geboren 1836« – sei sie von einem Schauder der Langeweile überfallen worden und habe endgültig darauf verzichtet, die Welt »anzureden«.

      Ich sagte ihr, daß man es anders anfangen müsse: man solle Episoden aus seinem Leben schreiben, deren Erinnerung Freude mache, oder die so interessant seien, daß man kaum erwarten könne, das Ereignis, das Problem, den gehabten Eindruck niederzuschreiben. Sie habe mir oft spaßhafte, geistvoll lustige und zugleich interessante Erlebnisse derart packend erzählt, daß, wenn ich Zeit gehabt hätte, ich diese selbst niedergeschrieben hätte. Das sei nun ihre Aufgabe: die Episode zuerst, dann die Episoden gesammelt aneinandergefügt nach den Jahren der Erlebnisse oder nach anderen Gesichtspunkten, etwa gruppiert um Persönlichkeiten oder um historische Ereignisse. Denn beginnt man mit Lust eine Erinnerung niederzuschreiben, so folgt mit Lust die zweite und dritte – und schließlich sei die Form gefunden, um auch Notwendig-Alltägliches ohne Unlust zu schreiben und einzureihen, wo es unumgänglich erscheint.

      Die Fürstin wurde nach diesem Vorschlag sehr nachdenklich und versprach mir schließlich auf meine dringende Bitte, einige solcher »Episoden« niederzuschreiben und sie mir zur Einsicht zu schicken. Sie möge deutsch oder französisch schreiben, – wie es ihr in die Feder flösse – ich wolle ihr ehrlich mein Urteil sagen, doch dürfe sie weder die Audienz bei der Königin Christine von Spanien in Paris 45 noch andere Erlebnisse, die schließlich durch ihre Komik das Verdienst hätten, den Leser heiter zu stimmen, in ihren Aufzeichnungen vergessen.

      Die Fürstin begann, sich über meinen Vorschlag zu amüsieren. Ganz allmählich nahm der einsame »Praderhof« eine neue Färbung an. Sie sah sich in Gedanken an ihrem Schreibtisch sitzen, von dem sie weit über das herrliche Merantal blickte, formend und bildend, was ihr lebhafter Geist und das wunderbare Gedächtnis ihr zu schreiben gebot – und versprach mir, zu beginnen.

      Und die Fürstin hielt treulich ihr Versprechen. Hin und wieder schickte sie mir oder gab sie mir Episoden, die zum Teil ungewöhnlich reizvoll geschrieben waren.

      Aus der reichhaltigen Korrespondenz mit meiner Freundin Metternich will ich hier einige Briefe anfügen, die ihre »Memoiren« betreffen und zugleich eine bessere Charakteristik der merkwürdigen – von Bismarck so gehaßten Frau - (die es ihm mit gleicher Münze zurückzahlte) – darstellen, als ich sie in den vorstehenden Worten zu geben vermochte.

      Briefe der Fürstin Pauline Metternich-Sandor an Graf Philipp Eulenburg

      Obermais-Meran, den 3. Februar 1896

      Besten, allerbesten Dank, lieber Graf, für die gütige Erinnerung und Zusendung des »armen Hopser« 46! Wenn Karl und Thora wüßten, daß die dereinst im Himmel oder in der Hölle thronenden und wohnenden Frösche zuerst von gewissen Leuten verspeist werden – von mir in erster Reihe –, was für erstaunte Gesichter würden sie erst da machen!

      Ich habe öfters mein Glück bei Ihrer lieben Mutter versucht, leider war sie und ist sie bis jetzt nicht wohl genug, um Besuche empfangen zu können. – Wir sind aber in Korrespondenz, und gestern erst erhielt ich zu meiner Freude ein liebenswürdiges Billettchen aus dem Leichterhof, in welchem sich die gute, vortreffliche Gräfin entschuldigte, daß sie die beiden Exemplare vom »Hopser« mir zu schicken vergessen hatte.

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