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Das Leben am Hofe. Philipp zu Eulenburg
Читать онлайн.Название Das Leben am Hofe
Год выпуска 0
isbn 9788075838612
Автор произведения Philipp zu Eulenburg
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
Um 6 Uhr feierliches Herrendiner in der Burg bei Kaiser Franz Ioseph mit einer Anzahl von Erzherzögen. Ich habe den Ehrenplatz neben dem Kaiser, der ein Glas Champagner auf das Wohl unseres Kaisers stehend leert. Ich bemühe mich, die stets bei solchen Kaiserdiners waltende feierliche Stille an der Tafel, die den armen Kaiser noch mehr langweilt als das Diner selbst, heiter zu stimmen und erzähle ihm lustige, harmlose Dinge. (Denn es macht mir fast noch mehr Freude, den armen, gütigen, alten Mann in seinem tragischen Schicksal heiter zu sehen, als ihm selbst vielleicht Heiterkeit wohlzutun vermag!) Mit meiner Erzählung von dem Duell der Prinzessin Karl hatte ich allerdings einen fast zu starken Erfolg, denn der liebe alte Herr hörte nicht mehr auf zu lachen, und die stummen Hofschranzen und feierlichen Generäle wußten gar nicht, wie sie sich angesichts dieser kaiserlichen Heiterkeit zu benehmen hatten. Ich sah ringsum lauter halbverzerrte, stumm grinsende Gesichter, denn ich hatte selbstverständlich die Geschichte in diskretem, leisen Hofton mitgeteilt. So blieb den armen Lauschenden das Duell ein Geheimnis – und sie freuten sich nur neugierig, »Se. Majestät so heiter gesehen zu haben«.
Nachschrift.
(Zum 27. Januar 1896. Diner in der Burg.)
Ich wurde gebeten, meine Erzählung, die den alten Kaiser so sehr erheitert hatte, mitzuteilen und folge der Aufforderung in nachstehendem:
Feldmarschall Prinz Friedrich Karl, der Sohn des sehr groben (wohl eigentlich brutalen) Prinzen Karl von Preußen, Bruder Kaiser Wilhelms I., war ein sehr gebildeter Herr und tüchtiger Kavallerieführer – doch maßlos heftig, wie sein Vater. Seine Mutter, Prinzessin Marie von Weimar, geb. 1808, hatte »an Goethes Brüsten Weisheit getrunken«, wie man (sehr irrtümlicher Weise) behauptete, denn die gute Prinzessin war leider, leider – sehr dumm 23. Goethe hatte im übrigen tatsächlich die Erziehung dieser Prinzessin und ihrer sehr klugen Schwester Augusta, der Gattin Kaiser Wilhelms I., »geleitet«.
Die arme Prinzessin Marie bewegte sich meist mit schönen französischen Phrasen und sehr komplizierten deutschen Ausdrücken in der Berliner Gesellschaft, die darin eine Quelle für schlechte Witze hatte, die niemals versiegte. So befand sie sich denn auch in einem ziemlich hilflosen, »beschränkten« Zustand zwischen ihrem groben Gatten und dem heftigen Sohne.
Da an dem preußischen Hof die Sitte eingerissen war, Königinnen und Prinzessinnen zu Chefs von Regimentern zu machen (was mir stets verrückt erschien), so hatte schließlich der damalige »König« Wilhelm den höchsten, brennendsten Wunsch seiner Schwägerin, der Prinzessin Karl, erfüllt und sie zum Chef eines reitenden Artillerie-Regiments ernannt.
Die arme, alte Prinzessin geriet durch ihre Stellung als Chef in eine Art Ekstase und hing sich, wo es nur irgend möglich war, das Achselstück mit der Nummer ihres Regimentes an. Auch hatte sie sich eine Art Generalschnüre machen lassen, die sie an dekolettierten Kleidern (und wohl auch an malerischen Schlafröcken) trug. Sie sprach nun viel von militärischen Dingen und las die Rangliste abends im Bett. Auch über Taktik und Strategie phantasierte sie. Mit besonderer Vorliebe aber stellte sie Betrachtungen von kolossaler Torheit über »Ehrengerichte« und die »Pflichten des Offiziers« an.
Eines Tages hatte sie ihren Sohn, den Prinzen Friedrich Karl, empfangen und sich – wie das öfters der Fall war – mit ihm gestritten. Hierbei geriet der heftige Prinz in eine sich immer steigernde Wut. Er war sehr »ausfallend« gegen die arme Mutter geworden, die völlig hilflos war.
Aber als der Prinz sie verließ, bäumte sich in ihr plötzlich der »Chef des Artillerie-Regimentes« auf. Sie fühlte, wieviel Offiziersehre sie im Leibe hatte, die zu schwer gekränkt worden war, um nicht nach Vergeltung, Tilgung der Schmach und Rache zu schreien. Sie ließ ihren Hofmarschall rufen, den alten Grafen Luchesini, teilte ihm mit, daß sie als Chef ihres Artillerie-Regiments von dem General Prinz Friedrich Karl tödlich beleidigt worden sei und es ihrer Offiziersehre schuldig wäre, den Prinzen vor die Pistole zu fordern. Sie beauftragte den Hofmarschall, dem Prinzen diese Forderung zu überbringen.
Der Hofmarschall war sprachlos – aber mußte gehen, da der Ehrenzustand des Chefs des Artillerie-Regiments ein unumstößlicher war.
Soviel ich mich erinnere, legte sich nun der König als oberster Kriegsherr ins Mittel. Es wurde nicht geschossen. Aber die beiden Generäle »schnitten« sich längere Zeit.
Arme Prinzeß! – sie war sonst immer gütig und liebenswürdig – auch zu mir, als ich während meiner Leutnantszeit bei großen und kleinen Festen am Berliner Hofe meinen Pflichten als Tänzer nachkam.
Die gütige Prinzeß hinterließ testamentarisch ihr berühmtes Kollier großer grauer Perlen ihrem Artillerie-Regiment, wohl mit der Auflage, daß der Kommandeur das Kollier bei Paraden zu ihrem ewigen Andenken tragen solle! – Ihr Sohn aber zahlte den Wert der Perlen an das Regiment, woraus eine Stiftung gemacht wurde.
22. Graf Fritz zu Eulenburg, der erste und langjährige Minister des Innern im Ministerium Bismarck.
23. Es wurden einst an dem Berliner Hofe »Lebende Bilder« dargestellt. Der Sinn derselben mußte erraten werden. Prinzessin Marie saß als »Goldschmieds Töchterlein« in des Vaters Laden mit allerhand Silberwerk im Schoß und betrachtete mit ihren sehr schönen Augen einen silbernen Löffel, den sie emporhielt. »Silberblick« bedeutete das Bild. Der sehr witzige König Friedrich Wilhelm IV. sagte sehr laut und ernst. »Löffelgans«.
Millenium in Budapest
Budapest, Mai 1896.
Die Magyaren, deren reiner Stamm wohl mongolisch ist und die unter ihrem ziemlich mythischen Führer Arpad in der Zeit zwischen 850 und 900 Ungarn erobert hatten, das damals einen Bestandteil des fränkischen Reiches bildete, hatten vor einiger Zeit entdeckt (die Urkunde wird vielfach angezweifelt), daß die Begründung der magyarischen Herrschaft, d. h. also die Gründung des Königreichs Ungarn in das Jahr 896 fällt. Demnach konnte Ungarn 1896 das tausendjährige Bestehen des ungarischen Reiches feiern – eine Gelegenheit, die sich das lebhafte Volk nicht entgehen lassen konnte. Denn viel Glanz konnte entfaltet, viel Reichtum gezeigt, viel Fremde konnten angelockt, viel Zeitungen vollgeschrieben, manche »gute Geschäfte« konnten angeknüpft werden – und vor allen Dingen war ganz Europa dadurch genötigt, von Ungarn, dem »tausendjährigen Reich hoher Kultur und größester Zukunft« Notiz zu nehmen. Daß sich dabei sehr viele Leute in Schulden stürzen und manche Familien sich aus Eitelkeit ruinieren würden, war gewissen Leuten gleichgültig.
Mögen diese, nicht übermäßig freundlichen Worte über Ungarn im Hinblick auf die ungeheure Mache des Millenniums hier stehenbleiben! – meine Achtung vor Ungarn soll dadurch nicht gemindert werden. Ich wünschte von Herzen, daß das staatsmännische Empfinden, der opferfreudige Patriotismus und die urwüchsige Kraft, die diesem Volke innewohnt, in gleicher Form Deutschland zu eigen wäre. Denn zerspalten in Parteihader und partikularer Kleinkrämerei steht Deutschland politisch national tiefer als Ungarn. Nicht aber militärisch. Wir führen ein schärferes Schwert, ein Schwert in Erfahrung und Schulung geschliffen. Tapfer aber ist der Ungar auch wie der Deutsche, – soweit er nicht als Slawe oder Jude einen Pseudo-Magyarennamen trägt.
Mit den vorstehenden Bemerkungen will ich die ungeheure Millenniumsmache entschuldigen. Sie wird jedenfalls in meiner Erinnerung einen festen Platz behaupten, denn alles, was in mir an Kunst, Schönheitsgefühl und malerischem Empfinden ruhte, wurde durch das, was ich während der Millenniumstage in Pest erlebte, aufgerüttelt und aufgeschüttelt, mich oft zu Bewunderung, ja zu Begeisterung hinreißend.
Keine Stadt der Welt eignet sich besser für große Schaustellungen als Pest und Ofen. Die großen, breiten Avenuen und Straßen in Pest, die breite, imposante Brücke über die herrliche Donau und darüber, alles krönend, die kaiserliche Burg, die alte Mathiaskirche und die Palais der Magnaten in Ofen sind einzigartig schön und großzügig. Dazu das lebhafte Farbenbild der Volkstrachten, die mit Pietät gepflegt