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sein, wohl ein Hohes Lied der ungarischen Mission unter den Völkern der Erde.

      In der erhöhten Hofloge neben dem Hochaltar saß der Kaiser mit allen Erzherzögen, die Kaiserin mit den Erzherzoginnen. Die ersteren alle in ihrer roten, reich mit Gold gestickten ungarischen Generalsuniform, den pelzverbrämten Mantel über der Schulter. Die Erzherzoginnen in ungarischer Nationalfestkleidung der Magnatenfrauen, strahlende Diamantenkronen auf dem Kopf, von dem der lange, weiße Schleier niederwallte. Die Samt- und Goldbrokatkleider mit den langen Ärmeln waren übersät von Edelsteinen. Der Glanz und die Farbenpracht ließen die Gesichtszüge verschwimmen, was durchaus zu verschmerzen war.

      So, wie der blendende Glanz der erhöhten Hofloge wirkte, so wirkte noch bei weitem stärker das Gesamtbild des Schiffes der Kirche, denn die gleiche strahlende Pracht der Magnaten-Gewänder, der Edelsteine, nach vielen Millionen an Wert, trat hier als eine einzige, funkelnde Masse zwischen den silbergrauen, hochstrebenden Pfeilern des Domes in Erscheinung. Sehr auffallend hob sich daraus das Bild Augustas 25 hervor, in ihrem weißen, goldgestickten Kleide, ohne Schleier, aber das hohe Diamanten-Diadem auf dem blonden Haar und das breite, weiße Ordensband mit den blauen Randstreifen des Theresienordens von der rechten Schulter bis zur linken Hüfte tragend – wie ein seltener, edler Vogel zwischen einer bunten, leuchtenden Papageienschar.

      Doch noch eine andere, einzelne Figur fiel in der bunten Schar auf: der von oben bis unten – mit Kappe, Handschuhen und Schuhen – purpurrote Kardinal Schlauch, mein guter Freund, der neben mir saß. Der Kardinal, der seine Residenz in Großwardein hat, gehörte nicht zu der Gran-Diözese, die heute mit dem Primas Vaszary zelebrierte, so saß er bei den Gästen, und ich erfreute mich an seiner Nachbarschaft. Er ist ein überaus seiner, hochgebildeter Mann, kein Fanatiker, wie Vaszary, eher ein Kirchenpolitiker, doch über den Parteien stehend. Etwa von der Färbung meines berühmten Freundes Xaver Kraus 26 von der Universität Freiburg. Mit keinem katholischen Kirchenfürsten vermochte ich so offenherzig zu reden wie mit Schlauch. Wir verstanden uns innerlich, stets ohne Schärfen, Verbindung suchend und findend. Aber der Kardinal, der alles sah, alles beobachtete und doch genötigt war, den kirchlichen Vorschriften während der heiligen Handlung der Messe zu folgen, war heute ein wenig zerstreut. Und wer war es wohl heute nicht während dieser unerhörten Festlichkeit? Meist mußte er neben mir knien, sein rotes Käppchen saß ihm lose auf dem Hinterkopf. Auf der Bank hinter sich hatte er einen jüngeren Geistlichen im lila Gewand postiert, der, wenn es gewisse Momente der Meßhandlung geboten, dem Kardinal das Purpurkäppchen (das an dem Scheitelpunkt ein kleines Zäpfchen hatte, um es fassen zu können) abnehmen und schnell wieder aufsetzen mußte. Schlauch, der oft lange zu knien genötigt wurde, war heute sehr zerstreut. Wohl blickte er während des Kniens in das aufgeschlagene Gebetbuch, aber er stellte doch dabei hin und wieder »weltliche« Beobachtungen an. (Gott wolle es dem wirklich frommen Mann verzeihen!) »Finden Sie nicht, daß die Gräfin Géza Andrassy in der ungarischen Tracht entzückend aussieht?« fragte er mich leise. (Er hatte vollkommen recht, sie war entzückend.) Er sagte auch, daß die Gräfin Franziska Carolyi heute nicht en beau sei. Aber das fand ich nicht. Sie war blaß, aber ihre wunderbar edlen Züge, ihre königliche Gestalt in dem Glanz ihrer Magnatentracht und umleuchtet von einem Meer strahlender Diamanten, war ein Bild, das man nicht vergessen konnte. Nein, hier saßen und standen die eigentlichen Königinnen des alten Ungarn – nicht in der Hofloge, wo die verlegen-ungeschickten Gestalten der Damen des Kaiserhauses verkleidet thronten.

      In diesem Augenblick aber geschah etwas Merkwürdiges: es schien ein roter Vogel über mir zu fliegen. Ich blickte schnell zurück. Der Begleiter des Kardinals war allzu hastig gewesen, hatte wohl auch den richtigen Augenblick für die Entfernung des Purpurkäppchens verpaßt, kurz, das Käppchen war ihm hoch aus der Hand geflogen. Ich sah, während es eilig dem Verbrecher zurückgereicht wurde, einige schmunzelnde und einige sehr ernste Magnatengesichter. Dann saß das Käppchen wieder still auf dem Hinterkopfe des in sein Andachtsbuch versunkenen Kardinals, der keine Ahnung von dem roten Vogel hatte, während sein priesterlicher Begleiter mit dem bischöflichen Range völlig fassungslos schien.

      Über allen Eindrücken des Zaubers dieser Messe, die sich wohl kaum jemals zu solchem Bilde der Schönheit und des Glanzes wiederholen wird, bleibt jedoch der tragische Eindruck einer unter tiefem schwarzen Schleier verborgenen hohen Frau bestehen – der Kaiserin Elisabeth. Umgeben von dem bunten strahlenden Glanz des versammelten »Erzhauses« in der erhöhten Loge, saß diese verschleierte, vollkommen schwarze Gestalt. Profan ausgedrückt: wie ein Tintenfleck auf einem sehr schönen bunten Gemälde. Immer wieder zogen die Blicke unwillkürlich zu dem schwarzen, regungslosen Bilde.

      Die Kaiserin liebte Ungarn (mehr als Österreich), und man liebte sie deshalb hier, wo sie – nur zu viel! – zu Pferde gesessen hatte. Bei dem größten Feste Ungarns wollte sie deshalb als Königin nicht fehlen, und man rechnete es ihr hoch an, daß sie, die kein Fest besuchte, gekommen war. Aber sie kam – schwarz. Seit der furchtbarsten Stunde ihres Lebens, als ihr einziger Sohn, Kronprinz Rudolf, Selbstmord – und Mord beging, waren sieben Jahre verflossen. Sie hatte ein Gelübde getan, die Trauer niemals abzulegen. Und so ragte denn in das hohe bunte Fest, welches jedes Ungarherz höher schlagen ließ, das furchbare Schicksal dieser Kaiserehe wie ein schwarzes Memento hinein.

      Weder bei dem Diner bei Graf Géza Szápáry, wo man zum Schluß auf goldenen Tellern und mit edelsteinbesetzten Messern und Gabeln aß, noch bei dem prunkvollen Fest auf der Ofener Burg, noch bei dem lukullischen Diner bei dem Ministerpräsidenten Baron Bánffy, noch bei den verschwenderischen Bällen im Parkklub und im National-Kasino, bei Routs, Dejeuners und im Theater wich das schwarze Bild im Zaubergarten der großen Messe zu St. Mathias von mir: das schwarze Memento mit seiner furchtbaren Predigt.

      24. Die Reihenfolge der Namen ist in Ungarn anders als bei uns. Ich heiße hier nicht Graf Philipp Eulenburg, sondern Eulenburg Fülopp grof.

      25 Seine Gattin.

      26. Fr. Xaver Kraus, Professor der Kirchengeschichte in Freiburg i. B. Verfasser der berühmten »Spektator-Briefe«, wohl einer der besten Kenner der offenen und geheimen Gänge der katholischen Kirchenpolitik.

      Wilhelmshöhe, Ischl und Zarenbesuch in Wien

       Inhaltsverzeichnis

      (Tagebuchblätter für die Familie.)

      Kiel, an Bord der »Hohenzollern«,

      Wir liefen beim Donner der Kanonen und Nebelwetter im Kieler Hafen ein, während ich unten im Salon der Kaiserin mit Cuno Moltke ein altes Lied von mir durchsah.

      Kaum vor Anker gegangen, erschienen Prinz Heinrich, der Erbgroßherzog von Oldenburg und der Herzog von Holstein (Schwager des Kaisers). Ein großer Tisch wurde hergerichtet, und man setzte sich zusammen bis 12 Uhr in eifriger Unterhaltung, deren Kern sich um den Untergang des »Iltis« an der chinesischen Küste drehte. – Der Erbgroßherzog von Oldenburg war mit seiner Tochter auf der »Lehnsahn« eingetroffen und wollte eine Fahrt in die Ostsee machen, – dabei in Neuhäuser Augusta einen Besuch abstatten. Ich sagte, daß die Prinzeß gut bei uns wohnen könne. Er – und die Prinzeß, die ich am folgenden Morgen sah – freuten sich sehr darauf und baten mich, sie anzumelden.

      31. Juli 1896.

      Früh erschienen wieder die Prinzen zum Essen um 9 Uhr. Die kleine Prinzessin auch, und ich zeigte ihr das Schiff. Ich sprach viel mit Prinz Heinrich, der charmant sein kann, wenn er will. Sein Naturell ist sehr englisch. Um 11 Uhr war allgemeines großes Lebewohl-Sagen auf dem Schiff, und um ¼12 fuhren wir bei leichtem Regen zum Bahnhof.

      Um ¾12 begann die Fahrt nach Wilhelmshöhe. Ich war vor dem Essen eine halbe Stunde beim Kaiser in dienstlichen Angelegenheiten. Wir aßen um 1 Uhr bei glühender Hitze, und der Kaiser las mit uns bis ½5 Uhr Zeitungen, dann zog sich jeder zurück. Ich schrieb politische Berichte.

      Um 8 Uhr trafen wir in Wilhelmshöhe ein. Die Kaiserin und alle Prinzen waren auf dem Bahnhof. Durch eine endlose »Hurrah« rufende Menge ging es hinauf zu dem göttlich schönen Schloß und Park.

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