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Das Leben am Hofe. Philipp zu Eulenburg
Читать онлайн.Название Das Leben am Hofe
Год выпуска 0
isbn 9788075838612
Автор произведения Philipp zu Eulenburg
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
8. Gräfin Marie, spätere Fürstin von Bülow.
9. Mein geliebter Sohn Sigwart (bekannt als Komponist ›Botho Sigwart‹) starb den Heldentod am 2. Juni 1915 bei dem siegreichen Durchbruch von Gorlice unter Mackensen. Die Uraufführung seiner Heldenoper »Die Lieder des Euripides« in Stuttgart unter Leitung Schillings, erlebte er nicht mehr.
Erzherzog Albrechts Tod und ein Kaiserbesuch
Erzherzog Albrecht war am 18. Februar 1895 gestorben – wohl der grimmigste Feind, den Preußen besaß. Er war 1817 als ältester Sohn des berühmten Erzherzogs Karl geboren, der für sich das Verdienst in Anspruch nehmen konnte, als der ebenbürtigste Feldherr gegenüber Napoleon genannt zu werden, wenigstens in Österreich. Er besaß unleugbar militärischen Geist, vielleicht auch Talent, jedenfalls aber hatte er »Pech«, was vor allem ein Feldherr nicht haben darf. So verlor er den Feldzug 1866 und wollte 1870 Rache nehmen, indem er durchaus mit den Franzosen gegen uns Deutsche losschlagen wollte. Doch fand er den loyalen Kaiser Franz Joseph in seinem Wege.
Der Erzherzog aber grollte sich still durch sein Leben, teils militärisch-wissenschaftlichen Interessen lebend, teils Reichtümer ansammelnd, was ihm als Herzog von Teschen nicht schwer wurde. Er hatte nur ein einziges Kind, eine Tochter, die den Herzog Philipp von Württemberg heiratete (Vater des Herzogs Albrecht, Thronfolger in Württemberg). Wenn diese auch selbstverständlich »eine gute Partie« war, so fielen doch das Majorat Teschen und das sehr große Barvermögen seines Hauses an seinen Neffen Erzherzog Friedrich, der leider nicht auch den Geist des Onkels erbte, dafür aber auch nicht den Preußenhaß desselben. Er »tat« wenigstens immer deutschfreundlich. Besonders auch mit mir, doch war es vielleicht recht unfreundlich von mir, daß ich in dieser Hinsicht von allen Mitgliedern des Hauses Österreich nur dem alten Kaiser unbedingt traute.
Als ich mich bei meinem Antritt in Wien bei den Erzherzögen meldete, war ich nicht darauf gefaßt, von dem alten Albrecht empfangen zu werden. Doch geschah das Wunder, und ich weiß heute noch nicht, welcher Geist den grimmigen Hasser beseelte, als er mir sagen ließ, »er werde sich freuen (?), mich zu sehen«.
Ich fand zu meinem Erstaunen statt eines schnurrbärtigen, stirnerunzelnden, innerlich grunzenden Generals einen mageren Professor mit einer Brille, spärlichem grauen Haar und Bart in einer lose sitzenden Generalsuniform ohne Orden. Freundlich - wenn auch nicht warm. Ich brachte so schnell wie möglich das Gespräch auf die Albertina – auf die berühmte Kupferstichsammlung, die alle Dürerschen Stiche enthält, die der große Meister jemals auf Kupfer zeichnete. Da taute der alte Professor der Kriegswissenschaften auf, dem die Familienschätze sehr am Herzen lagen. Wir saßen uns schließlich ganz vertraulich gegenüber, und die Adjutanten im Vorzimmer werden kaum begriffen haben, weshalb der Empfang gar so lange dauerte. Bisweilen war es mir, als zupfte mich ein kleines Teufelchen am Ohr und riet mir zu fragen: »Machen Sie eigentlich immer noch Stänkereien gegen Deutschland?« Aber ich schluckte die Frage herunter.
Wie mir meine alte Freundin Hatzfeldt erzählte, habe der grimme Erzherzog seiner Kusine, der Erzherzogin Rainer, die eine Jugendfreundin der guten Gabi Hatzfeldt ist, gesagt, »ich sei ein sehr angenehmer Mensch«.
So weit ging nun allerdings nicht mein Urteil. Ich hatte nur das Gefühl, daß ich mit der »Albertina« einen glücklichen Griff getan hatte.
Die Tage der Beisetzung des Erzherzogs Albrecht.
(Aus Briefen an Gräfin Alexandrine Eulenburg [Mutter].)
Am 25. Februar abends hatte ich die anwesenden deutschen Fürsten mit Begleitung und ihrem österreichischen Ehrenkommando zu mir gebeten. Es kamen:
Prinz Arnulf von Bauern,
Prinz Georg von Sachsen,
Erbgroßherzog von Baden,
Erbgroßherzog von Luxemburg,
Herzog Nikolaus von Württemberg,
Prinz Friedrich von Meiningen,
Fürst zu Schaumburg-Lippe mit zwei Söhnen.
Dazu die Militärdeputationen, die deutschen Gesandten, auch Graf und Gräfin Ludwig Lerchenfeld, die hier auf der Durchreise nach Ägypten waren. Eine Riesengesellschaft.
Wir waren zuerst im Blauen Salon, wo Tee präsentiert wurde. Dann in meinem Empfangssalon, wo man rauchte und Bier trank, im Eßzimmer ein sehr glänzendes Büfett.
Es waren sonderbarerweise so viel taube Menschen dabei, daß man aus Versehen alles anschrie. Um 12 Uhr war es aus. Damen waren außer Augusta nur anwesend Gräfin Wallwitz 10, Gräfin Montgelas 11, Gisela und Maja 12 und Gräfin Lerchenfeld-Bray. Es wurde ganz heiter gesprochen. Die Fürsten waren alle sehr beflissen und liebenswürdig – selbst Prinz Georg von Sachsen.
Am Büfett erlebte ich folgenden Spaß:
Auf meiner letzten Fahrt von München nach Wien war ich mittags in den Speisewagen gegangen und hatte mich an einen kleinen Tisch am Fenster gesetzt, einem fremden Herren gegenüber. Ich bestellte mir eine halbe Flasche Rotwein. Mein vis-á-vis hatte vor sich auch eine halbe Flasche Rotwein stehen. Vertieft in eine große Zeitung schenkte ich mir, ohne genau hinzusehen, hin und wieder ein Glas Rotwein ein. Plötzlich bemerkte ich, daß ich meine halbe Flasche ausgetrunken hatte - und bereits (wohl zum zweitenmal) im Begriff stand, mir aus der Flasche meines vis-á-vis mein Glas vollzuschenken. Das war mir höchst fatal. Ich bat den Herrn sehr um Entschuldigung und rief den Kellner, um dem Fremden eine andere halbe Flasche Wein bringen zu lassen. »Nein«, sagte dieser, »ich danke sehr, ich habe genug getrunken, bitte bemühen Sie sich nicht.« »Verzeihen Sie«, erwiderte ich, »Sie werden begreifen, daß es mir peinlich ist, Ihnen Ihren Wein ausgetrunken zu haben!« »Mir aber durchaus nicht«, sagte verbindlich der Herr, während er aufstand, mir eine leichte Verbeugung machte und verschwand. Ich kann nicht leugnen, daß ich mir sehr dumm vorkam.
Am Büfett in der Botschaft stehend, tritt der alte taube Fürst zu Schaumburg von Nachod auf mich zu und stellt mir einen gut aussehenden Offizier in Husarenuniform vor. »Ich möchte Ihnen meinen Sohn vorstellen«, sagte er in seinen sehr höflichen Formen, »der etwas verspätet hier eintraf.«
Der Sohn und ich sehen uns beide erstaunt an. Plötzlich dämmert es in mir auf: »Sind Sie nicht der Herr, dem ich vor einigen Monaten seinen Rotwein ausgetrunken habe?« »Ja«, sagte der Prinz, »nun fällt es mir ein! – Ich zerbrach mir den Kopf, wo ich Sie gesehen haben konnte!«
»Gottlob«, rief ich aus, »daß ich nun doch meine Schuld bezahlen kann, die mich solange drückte!« und ich goß ihm selbst ein Glas Champagner ein.
Meine Unterhaltung mit dem Prinzen Georg von Sachsen, dem künftigen König, war weniger angenehm. Wir saßen zusammen auf dem Sofa am Kamin – allein, da alles am Büfett stand und sich auch leider niemand traute, unsere Unterhaltung zu stören. Prinzen aus regierenden Häusern, die ihrem Throne nahestehen, sind meist gekränkt. Sie fühlen sich fast immer zurückgesetzt und beleidigt und schütten dann gern ihr gequältes Herz aus. Dieser Erguß einer bitter-salzigen Seele ging über alle Grenzen. Ganz Europa hatte ihn beleidigt, und der Ausdruck dieser Kränkung in sich stetig steigernder sächsischer Mundart nahm Töne an, die eben nur in einem national-sächsischen Munde zurechtgeknetet werden können – von keiner anderen Kreatur.
Es war mir doch eine Art Erlösung, als nun der Erbgroßherzog von Luxemburg kam, seinem gekränkten Herzen Luft zu machen, denn Prinz Georg war ihm entschieden »über«.
Am 26. fuhr ich früh 9 Uhr mit Hülsen 13 und der österreichischen Begleitung des Kaisers, Fürst Lobkowitz (Korpskommandeur in Pest), Oberst Ströhr (Regiment Kaiser Wilhelm) und Baron Buttlar (Flügeladjutant Kaiser Franz Josephs) bis Gänserndorf. Nach einer viertel Stunde traf der kaiserliche Zug ein. Ich mußte, nachdem die Herren sich gemeldet hatten, zum Kaiser