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großen Meisters Bismarck bezüglich »Mißtrauen« festgesetzt hatte (mochte es eine Art »Selbsthypnose«, begründet oder unbegründet sein), führte immer zu einer Katastrophe. So ging es auch 1866 mit Fürstin Gabi nicht anders: es wurde ihr nahegelegt, Berlin zu verlassen, was sie und besonders den deutschen Fürsten Alfred mit Recht kränkte, doch mit jenem Humor und jener Offenkundigkeit von ihr in Szene gesetzt wurde, die sie in allen Situationen ihres Lebens auszeichnete.

      Doch war es weder dem Fürsten Alfred noch ihr übelzunehmen, daß sie in den Jahren nach 1866 ihr Palais in Berlin der dortigen Gesellschaft verschloß und ihren Schwerpunkt nach den rheinischen Besitzungen ihres Gatten verlegte, – bis sie es vorzog, das Palais zu verkaufen und sich ihrerseits für die Winterzeit wiederum in Wien zu etablieren.

      Als ich nun nach langen Jahren der Trennung 1894 meinen Botschafterposten in Wien antrat, wurde ich von der alten Freundin mit wahrhaft rührender Güte in ihrer prächtigen Wohnung am Parkring empfangen. Mit alter Lebendigkeit und neu aufflammendem Interesse lancierte sie mich nun als »zu ihr gehörig«.

      So betrat ich denn ohne weiteres alle jene Salons, an deren Wänden immer noch das Jahr 1866 mit der Schlacht von Königgrätz zu kleben schien. Besonders in dem »Olymp«, dem sogenannten Palais am Minoritenplatz der Fürstin Aline Dietrichstein, Gabis Schwester, Witwe des bereits von mir erwähnten Ministers des Äußeren, Grafen Mensdorff, der 1866 seine Rolle ausgespielt hatte. Jeden Abend »empfing« die Fürstin, und ich war schnell bekannt, indem ich versuchte, die unendlich vornehme Langeweile dieses Teetisches durch harmlose Heiterkeit zu vertreiben.

      Fürstin Aline, in deren Schloß Nikolsburg 1866 der Friede zwischen Preußen und Österreich geschlossen wurde, während ihr Gatte als grollender Minister des Äußeren in Wien regierte, fand mich »sehr angenehm«, wie mir Gabi mitteilte. Ich konnte leider nicht von Fürstin Aline dasselbe sagen. Sie hat mich immer höchst liebenswürdig empfangen und mir gern zugehört, aber ich liebte niemals Damen, die vor Hochmut platzen. Interessant war dort aber die stereotype Versammlung von antideutschen Verschwörern am Teetisch, die sich alle einbildeten, ich durchschaue sie nicht. Ich muß allerdings behaupten, daß sich in diesem »Olymp« eine höchst seltsame Götterversammlung befand! Wenn meine Gedanken dorthin eilen, so tauchen zunächst die politischen Köpfe vor mir auf. Der Kopf des grämlichen Ministers des Äußeren, Grafen Kaxlnoky, der vor allen Dingen und vor aller Politik zu dem »Hochadel« gerechnet werden wollte, was ihm jedoch nicht gelang. Sodann die Köpfe meiner Kollegen, des ungewöhnlich schlauen russischen Botschafters (späteren Ministerpräsidenten) Fürsten Lobanow, ferner des von mir sehr verehrten Freundes, des italienischen Botschafters Grafen Nigra mit seinem spärlichen, so mühsam zurechtgelegten Haar und seinen geistvollen Augen, der nach der Katastrophe von Sedan 1870 die Kaiserin Eugenie in einer Droschke aus den Tuilerien rettete. Sodann die Köpfe einer Serie von besonders unbedeutenden, ganz vornehmen alten Damen und Herren des Namens Liechtenstein, Trauttmansdorff, Kinsky, Schwarzenberg, Schönburg und andere mehr, von denen man beim Hinlauschen zu ihrem Gespräche nur immer die Namen Tini, Toni, Poldi, Rudi, Resi, Pepi, Lintschi hörte, weiter nichts. Alles Verwandte, deren Schnupfen, Halsschmerzen und »mit wem eine Verlobung in Aussicht sei«, die unerschöpfliche Quelle der Aussprache bildete.

      Sehr anders und sehr viel wohltuender war der Salon der zweiten Schwester, meiner guten Freundin Gabi, der bildschönen, 1828 geborenen Gräfin Clothilde Clam-Gallas. Ihr Palais, das einem Landhaus, in einem großen Garten gelegen, glich (und zwar mitten in der Stadt), enthielt luftige, helle Salons zu ebener Erde und während des ganzen Winters stets eine solche Fülle herrlicher blühender Azaleen und Kamelien, daß man glaubte, in Italien einen Frühling zu erleben. Darin empfing diese sehr liebenswürdige und schöne Frau von hoher Gestalt und meist in schwarzen Samt gekleidet, zwischen den Blütenbäumen sitzend, ihre Besuche. Stets werde ich mich ihrer mit lebhafter Sympathie erinnern, wie eines schönen Bildes, das unendlich viel Liebenswürdiges zu sagen vermochte.

      Ihr Gatte war jener General Graf Clam-Gallas, der im Feldzug 1866 als kommandierender General in Böhmen recht unglücklich manövrierte, ein Nachkomme jenes Generals Clam-Gallas, der nach mannigfachen Schicksalen pro und contra Wallenstein schließlich nach dessen Sturz als Belohnung die große Herrschaft Friedland in Böhmen, Wallensteins Eigentum, erhielt, die jetzt noch den 32000 Hektar großen Besitz des Sohnes der schönen und gütigen Gräfin Clothilde Clam bildet.

      Meine Freundin Gabi Hatzfeldt bewohnte die erste Etage des großen Colloredo-Mannsfeldschen Palais am Ring, wo sie zur Winterszeit nachmittags zwischen 2 und 4 Uhr stets Besuche empfing. Abends gab sie mehrfach große Soireen, zu denen sich die ganze Wiener »erste« Gesellschaft drängte.

      Der Grund dieser sehr eifrigen Besuche und dieses lebhaften Verkehrs bei ihr war ein höchst merkwürdiger: man kam aus Angst zu ihr. Man wollte sich nicht durch Versäumnis irgendeiner gesellschaftlichen Pflicht ihren Zorn zuziehen. Wer aber mit ihr befreundet war, ihr goldenes, edles Herz kannte, ihren ehrlichen Charakter und ihren scharfen Verstand, mußte wahrlich über diese Angst der Wiener lachen. Was sich vor ihr fürchtete, war eben nur die in Wiens hohen Kreisen und Verwandtschaften leider herrschende Torheit und mangelnde Bildung, die sich vor Gabis sehr ehrlicher Aufrichtigkeit und Furchtlosigkeit völlig hilflos und stetig bedroht fühlte.

      Sie wußte allerdings mit einer Komik und Derbheit allerhand törichte Geschichten aus den Kreisen ihrer Verwandtschaft zu erzählen (und sie war mit der gesamten vornehmsten Gesellschaft Wiens verwandt), die außerordentlich unterhaltend und nicht eben rücksichtsvoll und schonend waren. Das lag in ihrer Natur. Ich aber habe ihr nur für ihren lieben, geraden, aufrichtigen Sinn, für ihre treue Freundschaft von Herzen zu danken.

      Besonders originell und zugleich voller Aufmerksamkeit war sie, wenn ich sie auf ihrer großen Herrschaft Leipnick in Mähren oder in dem Schlosse Calcum bei Düsseldorf, besonders aber in der alten Hatzfeldtschen Burg Schönstein, hoch über der Sieg im Rheinland gelegen, besuchte, wo kein Zimmer ohne eine besondere Treppe zu erreichen war und sie, mit ihren armen alten Beinen recht wacklig, über jede Stufe schimpfte.

      Ich schreibe diese Erinnerungen mit Wehmut nieder. Der Verkehr, die Freundschaft mit Gabi Hatzfeldt in Wien, auf ihren Schlössern und wo ich ihr sonst begegnete, gehört zu meinen besten Erinnerungen, an die völlig in Ruhe und in abgeklärter Dankbarkeit zu denken ich immer noch nicht alt genug bin. Denn um in Erinnerung schwelgen zu können, muß man sehr glücklich sein, und dazu trage ich zu viel Leid in der Seele.

      Fürst Alfred von Hatzfeldt-Wildenburg starb 1911. Fürstin Gabriele Hatzfeldt-Dietrichstein, starb 1909.

      Ihr Sohn Franz starb kinderlos 1910, und der große, mütterliche Besitz fiel ihrer Tochter, der Gräfin Antoinette Althann, zu. Der Fürstentitel und die Hatzfeldt-Wildenburgschen Fideikommißgüter gingen in den Besitz des Neffen des Fürsten, des jetzigen Fürsten Hermann, Sohn des bekannten Botschafters Paul Hatzfeldt, über.

      Frau Malwine von Dutschka

       Inhaltsverzeichnis

      Eine Persönlichkeit, die neben der sogenannten »vornehmen Gesellschaft« steht, zu der jedoch sich aus dieser exklusiven Welt einige begeben, die etwas anderes suchen als Hof- und Gesellschaftsklatsch, ist Frau Malwine von Dutschka, eine geborene Russin deutscher Herkunft, nicht mehr jung, als ich sie kennenlernte, doch immer noch eine sehr schöne Frau. Ihr Gatte gehört den Wiener Finanzkreisen an. Ich hatte das Glück, durch unsere gemeinsame Freundin, Marie Bülow 8 ihre Bekanntschaft zu machen, und kann wohl sagen, daß mein Verkehr im Salon Dutschka meine stete Erholung war, wenn ich durch Politik oder den Zwang der Formen der Gesellschaft, zu der ich nun einmal durch Geburt und Rang gehöre, in jenen Zustand geistigen Übelbefindens geriet, der mich häufig völlig »umwarf«.

      Bei Frau von Dutschka verkehrte alles, was geistige Welt und Welt der Kunst in Wien vorstellt. Bedeutende Männer, wie der Kultusminister Hartel und der geistvolle Professor Baron Berger waren die Hausfreunde. Und nicht das allein: jeder in Wien auftretende namhafte Künstler suchte Frau von Dutschka auf. Niemals kehrte ich heim aus diesem Kreise ohne das Gefühl eines wirklichen Genusses, einer wirklichen, meiner Natur völlig homogenen Freude

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