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Das Leben am Hofe. Philipp zu Eulenburg
Читать онлайн.Название Das Leben am Hofe
Год выпуска 0
isbn 9788075838612
Автор произведения Philipp zu Eulenburg
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
Bei einem Antiquar, der mit Marmorsachen handelte, stieg ich aus und kaufte für Liebenberg einen hohen, runden Wassertrog mit Figuren in Relief aus spätrömischer Kaiserzeit und einen kleinen Brunnen von rötlichem Marmor.
Der Kaiser hatte mich um 1/2-6 Uhr ins Arsenal bestellt. Ich fuhr mit ihm und dem König in der offiziellen Gondel zum Palazzo reale und von dort in einer schwarzen Privatgondel von einer »inoffiziellen« Treppe aus mit den beiden Majestäten allein durch lauter kleine Canalettis inkognito durch die Stadt. Der Kaiser wollte gern einmal Venedig »privatim« wiedersehen, und das ließ sich, da die kleinen Kanäle keine Fußsteige an den Häusern haben, leicht bewerkstelligen.
Neugierige, die am Canale grande in der Nähe des Palazzo reale standen und wohl die Könige erkannt hatten, vermochten nicht zu folgen. So war denn das Unternehmen wirklich gut geglückt. Der Kaiser in seinem Yachting dreß, der König mit »Interimsmütze« und einfacher Offiziers-Uniform, ich in Zivil. Der König wurde nur einigemal erkannt, wenn wir eine Brücke passierten. Man sah uns kommen, irgendeiner schrie: »Eviva! eviva il re!«, alles klatschte wie toll in die Hände und hing sich über das Geländer, – stürzte zu der andern Seite, wenn wir die Brücke passierten, hing sich wieder über das Geländer, so daß wir die klatschenden schmutzigen Hände dicht über unsern Köpfen sahen. Dann aber ging es weiter auf den stillen, menschenleeren Wasserstraßen, an verfallenen Palästen, herrlichen Details von Architektur, malerischen Winkeln und an einem verlassenen kleinen Gärtchen neben einem Palazzo vorüber, wo eine einsame hohe Zvpresse wie ein Wunder von Schönheit in ihrer Gestalt und Farbe neben dem Schimmer verwitterter Mauersteine stand.
Einmal fiel einem zu arg klatschenden und »Eviva il Re!« schreienden Bengel die Mütze von der Brücke in die Gondel, – ich habe niemals ein solches Gekreische vor Vergnügen gehört als bei diesem Ereignis. Wir mußten halten. Der Gondoliere reichte dem Bengel die Mütze wieder und einen 10 Lire-Schein, den ich schnell aus der Tasche zog. Nun wurde bei diesem Halt aber auch der Kaiser erkannt, und da ging das »Eviva l'imperatore« an, mit dem Gekreisch, das man eigentlich nur aus den Kehlen von italienischen Weibern in solcher Schärfe zu hören bekommt, – es mag in der Sprache oder in der Konstruktion südlicher Gaumen liegen. Aber es flogen bei diesem Halt auch Fenster an den alten, steilen hohen Häusern auf. Überall zeigten sich ungekämmte Weiberköpfe, und man schrie, schwenkte mit Windeln und schmutzigen Tüchern, halb nackte kleine Kinder wurden zum Fenster hinausgehalten, um auch die Bambini teilnehmen zu lassen, was sie redlich von oben und unten besorgten, die armen Dinger. Noch weit entfernt von der ominösen Mütze hörten wir das begeisterte »Eviva« und lachten uns halbtot über alles, was da zu sehen war. Auch König Umberto machte es Spaß, – weil es uns Spaß machte. Denn ihm waren derartige Ergüsse von Enthusiasmus als Italiener keine Neuigkeit.
Der König gefiel mir stündlich besser. Ich habe niemals einen so wild aussehenden Mann von solcher Gutmütigkeit gesehen. Uber dem großen, kühn zur Seite gestrichenen grauen Schnurrbart, der die zusammengekniffenen Lippen bedeckte, blitzten zwei große, braune Augen, von dunkeln, dichten Brauen beschattet, und wenn er sprach, stieß er immer zwischen den Worten ganz kurz und hart »A« hervor. Doch alles, was er sagte, seine Gedanken, seine Empfindungen, trugen den unverkennbaren Charakter größter Güte, – fast Schwäche. Der wilde Ausdruck war eine ihm zur zweiten Natur gewordene Pose. Er wollte auch der macht- und kraftvolle Mann und König sein, wie sein Herr Vater, und äußerlich war es ihm fast geglückt. Ich sah diesen Vater auch einmal in meinem Leben: das war 1872 in Rom in der Villa Doria Pamphili. Er fuhr Schritt in dem Park spazieren. Rotgeschminkte Backen, böse Augen, kohlschwarz gefärbter breiter schwarzer Schnurr- und Knebelbart, unförmlich dick. Neben ihm die berühmte Gräfin Mirafiori (d. h. auf deutsch etwa »Wunderblume«) – seine Gattin »zur Linken« mit einer Vergangenheit, die auf ihrem dicken aufgedunsenen Gesicht ausgebreitet wie eine Anklage lag. Sie war genau wie der Re galantuomo angestrichen.
Wenn der Vater Umbertos Italien – das ganze Italien – mit dem Gesicht einigte, so kann man ungefähr verstehen, daß der Sohn an diesen Vater zu erinnern wünschte. Wir kehrten nach 7 Uhr von der reizenden Fahrt zurück und machten Toilette zu der großen Tafel, die um 8 Uhr im Saal des Palazzo reale stattfand. Ich saß rechts neben dem König, links Bülow, der Kaiser gegenüber mit den obersten Italienern von Marine und Militär.
Nach der Festtafel, an der etwa 30 Herren teilgenommen hatten, wurde lange rauchend »gecerclet«. Plötzlich erstrahlen alle Fenster des Saales in hellem Glanze: in geradezu feenhafter Beleuchtung waren San Marco, der Dogenpalast, die Piazetta, alle Säulengänge, die Architektur der Dächer mit Tausenden von elektrischen Flammen besetzt, während bengalisches Licht an den unwahrscheinlichsten Stellen merkwürdige Effekte gab. Es war wie ein phantastischer Traum.
Dann zogen sich die Majestäten zurück in die Zimmer des Kaisers, wohin Bülow und ich zitiert wurden. Da ging denn wieder die Politik an, – und ich bewunderte Bülow, wie glänzend er die italienischen Fragen behandelte, und freute mich, wie der berühmte Engelbrecht 6 (der als Flügeladjutant des Kaisers auch nach Venedig zitiert war) – die bête noire Bülows, – dabei ins Hintertreffen geriet.
Wir saßen wohl bis ½12 Uhr zusammen, und ich verlängerte den Abend noch durch eine lange Zwiesprache mit Bülow in meinem Zimmer, die wohltuend auf mich wirkte, da nichts auf Erden so beruhigend ist als die Möglichkeit einer völlig offenen Aussprache in schwierigen Lagen des Lebens. Es war bald 1 Uhr, als Bernhard ging.
Sonntag, 8. April 1894.
Als ich erwachte, wurde ich von dem seltsamen Gefühl erfaßt, tatsächlich in einem Gemach der Prokuratien zu liegen, in demselben Raum, in dem zu der Zeit der Größe und des Ruhmes Venedigs einer der Ersten des Staates gelebt, gedacht, geliebt und gehaßt hatte, – einer der »Ersten der Republik«, - denn nur diese Räume empfingen ihr Licht von der Piazetta, und nur von hier konnte man überblicken, was sich an Festtagen, bei großen Ereignissen des meerbeherrschenden Venedigs vor San Marco abspielte, von hier sah man den Dogen auf dem goldenen Buzentaur zum Meer hinausfahren, um Venedig dem Meere zu vermählen, den Ring von dem goldenen hohen Bug hinabzuwerfen, – von hier sah man, wie die Landesverräter zwischen den beiden Säulen der Piazetta hingerichtet wurden (ein häufiges, gern gesehenes Schauspiel, zu dem der Senator wohl seine schönen Freundinnen lud) – hier, in diesen Räumen hatte wohl oft genug der große Tizian geweilt, dem ein Leben von über 90 Jahren beschieden war. Ganz überwältigt von solchen Erinnerungen war ich aus dem Bett gestiegen und hatte mich an das Fenster gestellt, ganz versunken in die Herrlichkeit und den Zauber dieser Piazetta.
Da wurde ich höchst unangenehm durch meinen Leibjäger gestört, der mir meldete, daß der Oberst von Engelbrecht fragen ließe, ob ich ihn empfangen könne? – Welcher Gedankensturz!
Also Engelbrecht. »Ich lasse den Herrn Obersten bitten, im Salon zu warten.«
Im Salon stand das Frühstück: englisch mit allerhand Fleisch. »Was verschafft mir die Ehre dieses frühen Besuches?«
Engelbrecht mit seinem süßen Lächeln und seinem beweglichen Rücken, den dunkeln Haaren und der Hyperhöflichkeit glich einem gewissen Kommis bei Gerson in Berlin, der immer meiner Mutter die Honneurs des Geschäftes machte, wenn ich sie dorthin begleitete, um ihr bei der Auswahl von Mänteln behilflich zu sein. Engelbrecht sagte, daß ihm der Gedanke gekommen sei, der Kaiser wolle vielleicht der Kaiserin irgendein Geschenk als Überraschung mitbringen, und da habe er etwas gefunden, was großartig sei, einzig in seiner Art.
»Und weshalb wollen Sie die Sache nicht dem Kaiser zeigen?« »Ja«, antwortete er und holte ein großes Etui von Leder hervor, »ich glaubte, daß Ew. Exzellenz vielleicht besser als ich den Kaiser überreden könnten, das Geschenk zu kaufen.«
Engelbrecht sagte mir, es sei ein Gelegenheitskauf. Ein großartiges Geschäft. Ich hätte wohl von dem Bankrott des Fürsten Borghese in Rom gehört? Allerhand Kunstwerke seien jetzt in den Handel gekommen. Durch seine ausgezeichneten Verbindungen mit allen