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toll zu werden. Dazu mußte ich auch noch allerhand dienstliche Sachen auf der »Cristable« erledigen, und sobald ich einen komplizierten Satz zu schreiben anfing: 25 Schuß. Natürlich war der Satz weg!

      Endlich schwieg die Kanonade. Die große Festtafel im Marine-Kasino begann: der Kaiser hatte bald die gesamte österreichische Marine davon überzeugt, daß die Zukunft Österreichs auf dem Wasser läge. Admiral Baron Sterneck, neben dem ich gegenüber vom Kaiser an der Tafel saß, hatte mit Tegetthof 1866 die berühmte Seeschlacht bei Lissa gegen die Italiener gewonnen und höchst eigenhändig das Flaggschiff des italienischen Admirals in Grund gebohrt oder geschossen. Auch hatte er (mit Payer und Graf Wilczek) die Nordpolexpedition geführt und Franz-Joseph-Land in Besitz genommen. Sterneck war also der Seeheld, der sich gern sagen ließ, daß die Zukunft Österreichs auf dem Wasser liege. Jedenfalls war Sterneck in gehobenster Stimmung, und die Unterhaltung mit Sr. Majestät über den Tisch hinüber wäre ganz besonders interessant gewesen, wenn Sterneck sich am Nordpol nicht ein Ohr erfroren hätte und darauf taub war. Aber er war doch begeistert.

      Mich begrüßte er besonders warm als neuen Botschafter in Wien. »Ich sei musikalisch. Er habe eine Freundin, Baronin Türck-Rohn, die sänge nichts als meine Rosenlieder. Sie habe eine großartige Stimme und sei sehr schön, sehr schön. Jetzt sänge sie in Leipzig.« »In einem Konzert?« fragte ich. »Nein, in etwas anderem«, – er habe vergessen, was es sei. »In einer privaten Aufführung?« – »Nein. Es ist halt – ich hab' den Namen vergessen – sehr eine große Sache, eine berühmte Sache, von –«. »Nun«, sagte ich, »Exzellenz meinen vielleicht ein Oratorium?« »Ja!« – rief er glücklich – »ein Oratorium, von – von« – »Etwa von Haydn?« - »Ja, von Haydn!« – »Vielleicht die Jahreszeiten?« »Nein – nein! – jetzt hab' ich's: die Götterdämmerung!« Ich griff schnell nach einem Glas Champagner und verschluckte mich absichtlich, denn es war nicht möglich, bei dieser Götterdämmerung nicht zu lachen.

      Das Beste des großen Festes war die Militärmusik, die Kapelle, die im wesentlichen aus Streichinstrumenten bestand und von einem begabten jungen Kapellmeister vortrefflich dirigiert wurde. Ich ließ ihn nach dem Essen rufen und bedankte mich. Sein Name war Léhar!!

      Erzherzog Stephan ist ein liebenswürdiger Mensch ohne besondere Bedeutung.

      Ich war recht froh, als wir uns endlich um 10 Uhr auf die »Cristable« begaben, denn das Fest war langweilig. Da mich Schiffe nicht interessieren, so ermüdet mich eine jede Marine-Konversation. Die Götterdämmerung war wenigstens eine Erholung, und Léhar dirigierte ausgezeichnet. Leider war mein Schlaf trotz ruhiger Fahrt diese Nacht miserabel. Ich glaube, daß das infame Salutschießen mich nervös gemacht hatte. Für eine Seeschlacht scheine ich mich nicht zu eignen.

      Venedig.

      7. April 1894.

      Morgens, nach dem Frühstück, siedelten wir nach unendlichem Signalisieren von der »Cristable« auf die »Moltke« über. Es war ein schöner heller Tag. In der Ferne waren die Berge der Küste sichtbar, dann tauchten auch die Türme Venedigs aus den blauen Fluten auf, zuerst der göttliche Campanile. Als wir uns Malamocco näherten, das mit einem Fort auf Lagunen Venedig vorgelagert ist, zeigten sich allerhand kleine Dampfer und Segelschiffe, die augenscheinlich die Ankunft des Kaisers erwarteten. Darunter befand sich auch eine Pinasse, die Bülow brachte, der zu unser aller Freude glücklich die »Moltke« bestieg, wo dann sofort hundert Fragen an ihn gestellt wurden und die Politik, die unvermeidliche, ihren Dunst entwickelte. Dann aber begann der Salut von den kleinen Forts am Eingang der Fahrrinne nach Venedig und von einigen italienischen Kriegsschiffen. Der aber machte einem anderen Geräusche Platz, das denn doch jeder Beschreibung spottete: Eine ganze Reihe von kleinen Dampferchen, Kopf an Kopf mit neugierigen Venezianern besetzt, hatte ein jedes ein Musikkorps an Bord und jedes Musikkorps dieser Dampferchen, die wie ein Flug schwarzer Krähen die weiße »Moltke« begleiteten, spielte »Heil dir im Siegerkranz« und die galoppschnelle italienische Hymne. Jedes für sich, durcheinander, Musik und Takt wie einen grauenvollen Salat zusammenwirbelnd – ich hörte niemals Ähnliches, hatte mir auch nicht gedacht, mit solchen Mißklängen der göttlichen Piazetta entgegenzudampfen, vor der im Angesicht des Dogenpalastes die »Moltke« vor Anker ging.

      Fast in demselben Augenblick hatte sich eine königliche Gondel, von sechs in rote Livree gekleideten Gondolieren geführt, mit König Umberto von dem nahen Palazzo reale in Bewegung gesetzt. Die Gondel flog auf die »Moltke« zu. An dem Fallreep hatte der Kaiser sich mit uns aufgestellt, und eilig schritt König Umberto hinauf, um den Kaiser zu umarmen. Unter ihm wurde die erste Salut-Kanone abgeschossen, und zwar in dem Augenblick des Monarchen Kusses.

      Nun erfolgte die Vorstellung: » Voilà mon ami, l'ambassadeur Comte d'Eulenburg« – Bum! – » L'admiral de Senden« – Bum! – » Le général de Plessen« – Bum, Bum! – usw. Sehr eindrucksvoll.

      Was mir aber bei dem ersten Schuß jede würdevolle Haltung raubte, war die Wirkung auf zahllose Gondolieri, die, um die Monarchenbegegnung aus nächster Nähe zu sehen, mit ihren schwarzen Gondeln sich an den weißen Schiffsleib der »Moltke« angelehnt hatten. Bekanntlich rudern die Gondolieri hinten auf dem Heck der Gondeln hoch stehend. Sie ahnten nicht, daß geschossen werde. Plötzlich dröhnte der erste Schuß dicht über ihre Köpfe hin, und wie mit einem Schlage sah ich wohl 10-12 Gondolieri von dem hohen Stand in die Gondel fallen, mitten zwischen die Insassen. Ein fürchterlicher Schrei erscholl, – ungeheures Gelächter folgte.

      Nach der Begrüßung und Vorstellung des Schiffskommandanten und der ersten Offiziere begaben sich der König mit dem Kaiser und dem Gefolge in Gondeln und Pinassen zum Palazzo reale.

      Der Palazzo, mit seinem grünen Vorgarten auf einer Terrasse, liegt am Eingang des Canale grande, neben der Piazetta. Die Gebäude, die gegenüber der St. Markuskirche an der Piazetta liegen, sind die berühmten Prokuratien, in denen früher die Senatoren und höchsten Beamten der Republik wohnten. Der Palazzo reale ist somit ein Teil der Prokuratien. Er nimmt den Raum zwischen dem Markusplatz und dem Canale grande ein.

      Der Hofmarschall führte die Majestäten und uns zu den Wohnräumen. Der Kaiser bewohnte die Zimmer im ersten Stock, wo die Prokuratien die Ecke der Piazetta und des Canale grande bilden. Ich hatte mein Quartier daneben, zwei Salons, ein Schlafzimmer und Dienerzimmer. Daß ich jemals an der göttlichn Piazetta wohnen sollte, gegenüber St. Marco, der in tausend Sonnenlichtern glänzte, den herrlichsten Platz der Erde zu meinen Füßen, mit dem Blick zum Meer, auf dem sich Hunderte von Gondeln und Schiffen in festlichem Kleide und festlicher Bewegung tummelten, das hatte ich nicht erwartet und nahm es dankbar als eine ganz besondere Freundlichkeit des Himmels entgegen, der sich dazu auch wohl meinen gütigen Wirt, König Umberto, als Vermittler ausgesucht hatte, – den freundlichen, liebenswürdigen Sohn des durchaus weder freundlichen noch gütigen Re galantuomo Vittorio Emanuele.

      Um 1 Uhr wurde ein Frühstück auf dem Zimmer serviert. Der König fand sich dazu bei dem Kaiser ein. Ich begab mich nach dem Frühstück hinüber und fand beide gemütlich rauchend auf einem riesengroßen grünseidenen Sofa in dem prächtigen Salon mit der göttlichen Aussicht sitzend. Ich mußte Platz nehmen, eine Zigarette anstecken und in die Unterhaltung tauchen, bei der man sich politisch in den Armen lag: schöne Worte wie bei Geburtstagen und Neujahr. – Mit Österreich ginge es nicht so leicht, – aber mit Nigra4 werde ich alles in schönstem Gleichgewicht halten, – vor Kaiser Wilhelm liege ganz Italien auf den Knien, on l'aime comme un dieu, usw ... (Man kennt das. Aber dem guten Kaiser ging es doch glatt hinunter.)

      Nachher schlief der Kaiser, und ich machte mit Bernhard Bülow einen langen Spaziergang auf der Riva dei sciavoni, bei dem leider nicht die rosige Stimmung wie oben in den Prokuratien herrschte. Die unerträgliche Lage in Berlin ging hinter uns her wie eine knurrende Dogge. Selbst der vielgewandte Bernhard wußte keine Medizin dafür. Er war doch nicht auf alles gefaßt, was ich ihm zu erzählen hatte.

      Um 4 Uhr mußte (unvermeidlich!) ein italienisches Kriegsschiff besichtigt werden, worüber Plessen eine derart echte Freude heuchelte, daß ich mir denn doch Gedanken über seine berühmte Ehrlichkeit machte. Ich jedoch hatte die Stirn, Se. Majestät zu bitten, mich zu beurlauben, da ich San Marco

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