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Das Leben am Hofe. Philipp zu Eulenburg
Читать онлайн.Название Das Leben am Hofe
Год выпуска 0
isbn 9788075838612
Автор произведения Philipp zu Eulenburg
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
Er wußte natürlich ganz genau, wer Pauline Borghese war, und ganz genau, daß der Kaiser nicht gerade wünschen könne, daß seine Gattin, die deutsche Kaiserin, Paulinens Diadem trüge. Deshalb ließ er es darauf ankommen, ob ich vielleicht, ohne eine Ahnung von Paulinen zu haben, dem Kaiser das Diadem anschwindeln könnte.
Und das war der Engelbrecht, für den der Kaiser sich so sehr einsetzte, als seitens des Auswärtigen Amtes Klagen wegen seiner Intrigen einliefen, um sich zum Botschafter in Rom aufzuschwingen! Der Kaiser schrieb mir damals ganz erregt: Daß er sich die Angriffe gegen Engelbrecht verbäte, denn Engelbrecht sei sein Kamerad und sein Flügeladjutant!!
Gott weiß, wie leid mir der Kaiser in seinem totalen Mangel an Menschenkenntnis tut! Es ist rührend, wie er für die Leute eintritt, die seine Adjutantenschnüre tragen.
Ich lud Engelbrecht nicht ein, mit mir zu frühstücken, sondern war noch rücksichtsvoll genug, ihm zu sagen, »ich bedauere es in seinem Interesse, daß er das Geschäft nicht abschließen könne«, und machte ihm eine Verbeugung, die er richtig so verstand, daß ich nun allein zu frühstücken wünsche.
Ich ließ alles Fleisch und alle Eier stehen und trank zur Beruhigung eine Tasse Tee, – die mich aber auch nicht beruhigte. Dem Kaiser gegenüber schwieg ich natürlich von dieser Diadem-Geschichte. Was wäre dabei herausgekommen? Bülow ist ja nun Botschafter und klug genug, um Engelbrecht im Zaume halten zu können.
Um 10 Uhr sollte Gottesdienst auf der »Moltke« sein, zu dem der Kaiser und die militärische Begleitung fuhr. Ich hatte mich dispensieren lassen, da ich viel Depeschen und dienstliche Sachen erledigen mußte – nicht zum wenigsten aber auch, weil es der letzte Tag mit Bernhard Bülow war, mit dem ich noch manches zu bereden hatte. Wir frühstückten um 12 Uhr gemütlich zusammen in meinem Salon.
Die gestrige Gondelpartie hatte den Kaiser derartig begeistert, daß sie heute wiederholt werden mußte, unter dem denkbar größten Inkognito. Das gelang auch leidlich gut – bis auf das bekannte Händeklatschen und ein unerhörtes Eviva, als wir in einen größeren Kanal einbogen. Ob sich doch vielleicht die Nachricht von der Spazierfahrt verbreitet hatte, oder ob der Gondoliere dort Freunde hatte, weiß ich nicht. Jedenfalls wurden wir nun von einigen Gondeln verfolgt, und es galt, dieser Gesellschaft zu entfliehen, die nach allen Fenstern hinaufschrie: »Ecco l'imperatore!« Eine richtige Jagd fand statt, aber es glückte unserem Gondoliere, plötzlich in einen kleinen Seitenkanal einzubiegen und in einem winzigen Hafen an einem alten Palazzo zu verschwinden, er sprang von seiner hohen Stellung herab und ließ mit Genugtuung die anderen Gondeln vorüberfahren. Sobald diese aber von dem Kanal in einen anderen einbogen, verließ er unsern Standort und fuhr eilends den Weg zurück, auf dem wir gerudert waren, – um alsdann eine andere Gegend der Stadt aufzusuchen. Das war ein Versteckspielen für die Majestäten, die sich göttlich dabei amüsierten. Wir hatten wieder Herrlichkeiten und soviel Wunderbares gesehen, daß ich noch lange an diese Fahrt denken werde.
Einmal fiel es mir plötzlich ein: was würde mein seliger Vater gesagt haben, wenn ich als Jüngling ihm 1860 einen Traum erzählt hätte, »daß ich mit dem deutschen Kaiser und dem König von Italien allein in einer schwarzen Gondel in Venedig spazierengefahren sei«. Abgesehen davon, daß er uns Kindern stets verboten hatte, Träume zu erzählen, »weil sich Kinder dabei das Lügen angewöhnen«, würde er mit Recht bemerkt haben: »So ein Unsinn!«
Das würde allerdings 1860 ein besonderer Unsinn gewesen sein, da es damals weder einen deutschen Kaiser noch einen König von Italien gab, sondern nur einen König von Preußen und einen König von Sardinien. Aber das Sonderbare war, daß, wenn ich erst vor zehn Jahren dasselbe geträumt haben würde, ich es selbst ais einen dummen Traum bezeichnet hätte, denn ich kannte damals noch nicht einmal den Prinzen Wilhelm persönlich.
Bisweilen überfällt mich eine höchst überflüssige Betrachtung der Dinge und Vorgänge und verfolgt mich eine ganze Weile. So auch hier plötzlich in einem kleinen schmutzigen Kanal. Es erschien mir als Situation unwirklich. Was hatte ich eigentlich mit diesen beiden Königen, der Gondel und dem schmutzigen Kanal zu tun? Schicksal! – pflegt man zu sagen. Und mir fiel dabei das Sprichwort ein: »Den Dummen gibt's der Herr im Schlaf.« Andrerseits hielt ich mich weder für dümmer noch für klüger als andere, - doch aber für anders als andere. Denn ich hatte stets bei außergewöhnlichen Erlebnissen, merkwürdigen Konstellationen, eigenartigen Begegnungen das Gefühl, daß mich das alles gar nichts anginge, ich fühle mich immer, wie gesagt, anders als die andern. Ohne jeglichen Ehrgeiz in der Form, die die andern quälen und beherrschen, – und dann kommt mir der Gedanke, daß vielleicht gerade deshalb, weil mich meine Sehnsucht lediglich nach Liebenberg zog, in meine stille Heimat, zu meiner Musik, meiner Malerei, zu meinen Büchern, zu meiner Mutter im Kreise meiner Augusta und der lieben Kinder, – instinktiv sich hochgestellte Personen auf allen Gebieten gern an mich anschlossen, weil sie vielleicht empfanden, daß ich tatsächlich nichts von ihnen will, – (und allerdings empfinde ich daneben den Neid so vieler, die alle der Überzeugung leben, daß ich viel will, daß es mir durch Schlauheit und Niedertracht geglückt sei, hohe Persönlichkeiten für mich zu gewinnen!). Bisweilen kommt mir wahrhaftig der Gedanke, daß sich das Schicksal hin und wieder einen schlechten Witz mit der Lebensführung eines Menschen erlaubt.
So war denn also auch diese sonderbare Gondelfahrt auf dem schmutzigen kleinen Kanal mit einem Kaiser und einem König – und das Unterschlupfen in einem kleinen Stinkhafen eines verfallenen Palastes wahrscheinlich ein schlechter Witz, eine Unwirklichkeit in einem wirklichen Leben.
Abends um 8 Uhr war wieder Festtafel, und ich saß wieder neben König Umberto. Wir waren ganz vertraulich geworden. Ich sprach kein Wort Politik. Ich erzählte allerhand überflüssige, harmlose Geschichten: was ich alles in Italien liebe. Rom, Neapel, die Städte, die ich wie meine Tasche kenne. Turin, wo ich bei Scarampis und Robilants 7 als junger Mensch ein paar Wochen gelebt habe, die meine lieben Freunde seien und wo ich mit ihnen im Salon einer Dame gewesen sei (nachts 1 Uhr, bei einem roten Lampenschirm, die ich für 35 bis 40 Jahr gehalten habe, die jedoch 85 Jahre gewesen sei). Ich erzählte von Mailand, wo ich sechs Wochen 1864 gewesen sei, weil meine arme Mutter dort an den Pocken erkrankte, daß ich dort für die unerhört schöne Herzogin Litta geschwärmt habe, die jeden Nachmittag auf dem Corso in einer prachtvollen Equipage spazierengefahren sei, – und daß mein kleiner Bruder nicht habe die berühmte Arena sehen wollen, weil er behauptete, »Diarena« sei irgend etwas Schmutziges. Ich fühlte, daß sich der König bei diesem harmlosen Geschwätz gut unterhielt. Vielleicht gab er mir deshalb das Großkreuz des Mauritius- und Lazarus-Ordens mit einem prächtigen grünen Band, das ich wohl selten tragen werde!
Robilant die schönste war, und der König Carlo Alberto (der Großvater König Umbertos) sehr gehuldigt hatte. Sie hatte zwei Kinder. Ihr Sohn war General und italienischer Botschafter in Wien (vor Graf Rigra), verheiratet mit Gräfin Edmée Clary, Tochter des Fürsten. Die Tochter der Gräfin Robilant hatte den Marchese Scarampi di