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bei dem italienischen Botschafter Grafen Nigra und dem russischen Botschafter Fürsten Lobanow. Beide empfangen mich sehr kollegial, beide suchen mich in der Richtung hin zu beeinflussen, daß ich den Ausführungen des Grafen Kálnoky unbedingt vertraue. Besonders ist es Graf Nigra, der in dieser Richtung zu wirken sucht. Es sind entweder Einflüsse meines Vorgängers, oder Graf Kálnoky hat selbst eine Demarche bei ihnen gemacht, was ich jedoch als das unwahrscheinlichere ansehe. Bezüglich Serbiens äußerte sich Fürst Lobanow in ähnlicher Weise wie Graf Kálnoky. Dieser faßte die Lage ernst auf, ohne doch im geringsten anzunehmen, daß daraus eine Komplikation entstehen könne, welche die Nachbarstaaten in Mitleidenschaft zöge. Lobanow sagte mir, daß auch Rußland nicht die Absicht habe, die serbische Lage zum Ausgangspunkt für eine politische Aktion zu machen.

      20. Mai 1894.

      Besuch beim englischen Botschafter Monson, in dem ich einen der seltenen Engländer finde, die lebhaft sind, ich spreche nicht Politik. Ebensowenig bei dem französischen Botschafter Lozé, bisher Polizeipräsident von Paris, der absolut keine diplomatischen Manieren hat. Abends Diner von Lichnowsky im Jockey-Club. Es nimmt daran teil Finanzminister von Plener, bisher der Führer der Deutsch-Liberalen Österreichs; er ist sehr gescheit, aber nicht übermäßig sympathisch. Wir unterhalten uns über englische Politik.

      21. Mai 1894.

      Feierlicher Empfang beim Kaiser Franz Joseph. Spanische Etiquette! Abholung im Galawagen durch Kämmerer Graf Karl Kinsky. Die Wache tritt ins Gewehr. Die Leibwachen von Österreich und Ungarn in Gala präsentieren oben im Vorsaal, die ganzen Hofstaaten in Gala, ich werde allein zum Kaiser eingelassen, nachher stelle ich meine Herren von der Botschaft vor, die in zwei Galawagen folgten. Es ist bei solchen Gelegenheiten wirklich schwer ernst zu bleiben! Ich sage dem Kaiser in meiner Anrede, daß ich es für meine heiligste Pflicht halten werde, die bestehende Freundschaft zwischen den beiden Monarchen und Ländern zu pflegen, und daß ich die friedliche Tendenz, die ich in meinen bisherigen Stellungen verfolgt und zum Ausdruck gebracht habe, in besonderem Maße hier in Österreich werde gelten lassen. Der Kaiser äußerte mir sein besonderes Vertrauen in sehr liebenswürdigen Worten. Im Laufe der Unterhaltung über äußerliche Dinge wendete sich das Gespräch auf die »Strikes« in Mähren. Der Kaiser sah sehr schwarz in bezug auf die sozialen Verhältnisse und stimmte mir bei, daß eine Entscheidung durch Waffengewalt und vereinbarte Gesetzgebung der Monarchie gegenüber der Sozialdemokratie allein nur Klärung in die soziale Frage zu bringen vermöge.

      22. Mai 1894.

      Besuch des Prinz-Regenten von Bayern bei Augusta. Er ist voller Anhänglichkeit, und ich habe mich bemüht, ihm darzutun, daß die landwirtschaftlichen Kalamitäten Bayerns sich durchaus nicht mit den Verlegenheiten messen könnten, welche in Preußen auf die innere Lage drückten. Auch er sprach besorgt über die sozialen Verhältnisse und war erschreckt über die Maifeier, an welcher sich 25000 Sozialdemokraten beteiligten.

      Besuch beim Grafen Kálnoky. Ich lerne im Vorzimmer den türkischen Botschafter Zia-Pascha und die Gesandten von Serbien, Portugal und Belgien kennen.

      Graf Kálnoky sprach in viel zuversichtlicherer Weise über eine demnächst glückliche Erledigung der Ehegesetzgebung in Ungarn als die meisten andern Politiker, deren Urteil ich hörte. Ich nehme an, daß es dem Grafen erwünscht ist, nicht bei mir den Schein zu erwecken, als sei seine Stellung im geringsten durch die Lage in Ungarn berührt. Tatsächlich aber ist Graf Kálnoky in Verlegenheit. Finanzminister Herr von Plener äußerte vertraulich sogar, daß Graf Kálnoky »zurückgehe«.

      Die Behauptung des Grafen, daß das Ehegesetz durch eine »Verzettelung« der Magnaten, welche bisher gegen das Gesetz gestimmt hätten, sichere Annahme finden würde, wird durch die Anschauung anderer Persönlichkeiten, welche Einblick in die bestehenden Verhältnisse haben, widerlegt.

      Der Kaiser hat sich zu Herrn von Plener in einer Weise geäußert, daß an dem Wunsch des Monarchen, das Ehegesetz zu verhindern, nicht zu zweifeln ist. Das sind offenkundige Gegensätze zwischen dem Kaiser und Kálnoky.

      Besuch beim Nuntius Agliardi, der mich sehr warm und freundschaftlich begrüßt und auf die Fortsetzung unserer guten Beziehungen in München rechnet. Er scheint sich in Wien nicht übermäßig wohl zu fühlen. Danach Besuch beim bayerischen Gesandten Grafen Bray, der bald 90 Jahr alt und total taub ist.

      Ich mache mit Augusta bei der französischen und bei der englischen Botschafterin Besuche. Nachher mit Ratibor und Lichnowsky zum Rennen gefahren. Viel Bekanntschaften gemacht. Abends 8 Uhr nehme ich von dem Prinzregenten Abschied auf der Bahn.

      Fürstin Gabi Hatzfeldt

       Inhaltsverzeichnis

      Bei dem Ordnen meiner spärlichen Tagebuch-Notizen lese ich einige Worte, die meinen ersten Besuch in Schloß Leipnick (Mähren) bei meiner alten lieben Freundin Hatzfeldt im Jahre 1894 schildern, und es leuchtet dabei zu vollem Bewußtsein wieder in mir auf, wie groß und wertvoll meine Freundschaft mit dieser originellen, vortrefflichen und klugen Frau nicht nur rein menschlich für mich war, sondern auch zu welcher Bedeutung diese Freundschaft für meine, mir in Österreich gestellten dienstlichen Aufgaben wurde.

      Ich verdanke ihr sehr wesentlich jenes schnelle Eindringen in die maßgebenden Kreise Österreichs, die immer noch in dem Hochadel zu suchen sind, weil dieser als eine Einheit fest geschart um die »Burg« steht und das Eigentliche der kaiserlichen Regierung darstellt. Nur im engen Zusammenhange mit dieser Kaste wird man in der Lage sein, zu beurteilen, wie der Wind im Lande Österreich weht. Und was vielen deutschen Vertretern erst nach Jahren – oft überhaupt nicht – gelang, wurde mir, dank der Freundschaft Gabi Hatzfeldts, in wenigen Wochen zuteil.

      Man darf in Wien nicht vergessen, daß der deutschösterreichische Liberale heute noch von der herrschenden Kaste – die auch deutsch spricht wie er – mehr gehaßt wird als alle anderen, unter dem kaiserlichen Zepter vereinigten Nationalitäten: »denn diese, die zu den deutschen Kreisen Österreichs gehören, schielen hinüber zu dem deutschen Reich als Abtrünnige und Hochverräter.«

      So denkt »die Burg«. Und darum wird es immer für den deutschen offiziellen Vertreter eines gewissen Taktes bedürfen, einerseits die deutschen Liberalen Österreichs freundlich zu behandeln, andererseits durch das Benehmen ihnen gegenüber nicht »die Burg« zu verletzen.

      In allen solchen und vielen anderen Fragen konnte ich mich stets auf das kluge und sichere Urteil meiner Freundin verlassen. Sie orientierte mich – als treue deutsche Bundesgenossin - über alles, was in gewissen hohen Kreisen vorging, denen sie durch ihre äußerst vornehme Geburt angehörte, und ich war dadurch in der glücklichen Lage, öfters sowohl Mißverständnisse, wie auch ernstere Machenschaften, die dem deutsch-österreichischen Bündnisse hätten schädlich werden können, auszugleichen, ehe sie öffentlich in Erscheinung traten.

      Bei dieser Bedeutung, die der Verkehr mit meiner alten Freundin, und ihrem, von mir hochverehrten Gatten, während der Dauer meiner amtlichen Tätigkeit in Wien, in den Jahren 1894 bis 1902, hatte, will ich hier Mitteilungen aus einer Aufzeichnung wiedergeben, die in einer meiner familiengeschichtlichen Arbeiten »Die Nachbarin« enthalten sind; sie lauten wie folgt:

      Die Mitglieder der Hatzfeldt-Wildenburgschen Linie, die mir in meinen späteren Lebensjahren liebe teuere Freunde geworden sind, waren der Chef der zweiten Linie des Hauses Hatzfeldt, Fürst Alfred von Hatzfeldt-Wildenburg (geb. 1825) und seine Gattin Gabriele (Gabi), geborene Gräfin von Dietrichstein, Tochter des letzten Fürsten von Dietrichstein (geb. 1825).

      Fürst Alfred hatte das typische, häßliche, bartlose Gesicht dieser Linie Hatzfeldt, rötliche Hautfarbe und helles, straffes, blondes Haar, kaum Augenbrauen, da sie zu lichtblond waren, um bemerkt zu werden, dazu graue, etwas matte Augen. Doch rührte mich seine freundliche, angenehme Sprechweise, und begeisterten mich immer sein phänomenales Gedächtnis und sein Verstand. Uber allem ausgebreitet lag ein rührender Zug von Ergebenheit in sein Schicksal, das durch die Lebensführung seines einzigen Sohnes traurig gestaltet war.

      Dieser, Prinz

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