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Das Leben am Hofe. Philipp zu Eulenburg
Читать онлайн.Название Das Leben am Hofe
Год выпуска 0
isbn 9788075838612
Автор произведения Philipp zu Eulenburg
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
Ich war am 1. Mai 1896 mit meiner Gattin von Wien nach Pest aufgebrochen. In meiner Begleitung befanden sich Prinz Lichnowskv, Sekretär Kistler, mein Leibjäger, ein Diener und zwei Kutscher nebst Pferden und Galawagen. Alles logierte im Hotel Royal.
2. Mai 1896.
Es findet die Eröffnung der auffallend schönen Ausstellung statt, deren Mittelstück die genaue Nachbildung der alten Burg des ersten Königs Ungarns, Stephan, ist, die sich inmitten eines Teiches sehr malerisch ausnimmt. In der Nähe sind dort auch die Gräber sowie die angeblichen Funde nachgebildet, aus denen sich die älteste Geschichte der Magyaren als Eroberer Ungarns ergeben soll.
Als Vertreter des Deutschen Reiches wurden mir überall die größten Ehren erwiesen.
Bei dem offiziellen Rundgang durch die Ausstellung, die in jeder Hinsicht sehenswert und geschmackvoll arrangiert war, litt man sehr durch die Hitze, und bisweilen entstand unbequemes Gedränge, wobei dann in ungarischen Worten der Vorstand des Komitees entsetzlich schimpfte. Leider verstand ich kein Wort davon, denn bei keiner Gelegenheit lernt man Land und Leute besser kennen, als wenn geschimpft wird. Jedes Volk wendet dabei seine besonders lieben Worte an. Die ungarische Sprache brachte mich häufig in diesen festlichen Tagen zur Verzweiflung, besonders weil die Schriftsprache mit keinerlei anderer europäischen Sprache Verwandtschaft hat.
An einem der durch Dejeuners, Diners, Soireen, Bälle und andere Lustbarkeiten und Schaustellungen überreichlich angefüllten Tage fand ich, in mein Hotel zurückgekehrt, auf dem Tisch eine Einladungskarte, natürlich in ungarischer Sprache. Ich studierte daran herum und glaubte zu meinem Schrecken zu entdecken, daß es sich um ein Diner handle, das in kaum einer Stunde stattfinden würde. Auch meine Frau war sehr erschreckt, ich beschloß schnell, zu dem Markgrafen Palavicini, einem ungarischen Großgrundbesitzer, zu gehen, der in demselben Hotel über uns logierte.
»Um Gottes willen, lieber Graf«, rief ich ihm zu, »sagen Sie mir, wo wir heute dinieren sollen? Es scheint, daß wir kaum noch Zeit haben, dazu Toilette zu machen!« Ich reichte ihm die Karte.
»In diesem Fall brauchen Sie allerdings keine Toilette zu machen«, sagte er, »die Karte zeigt die Eröffnung der Rindviehausstellung an und ladet zum Besuch derselben ein.«
»Ach so!« sagte ich laut und setzte hinzu: »Ich bitte vielmals um Entschuldigung, daß mein unerhörter Mangel, die ungarische Sprache nicht zu sprechen, Anlaß zu Verwechslungen geben mußte, die mir nach dem unendlich liebenswürdigen Empfang, der mir zuteil wurde, peinlich sind!«
Palavicini war vernünftig genug, diese kleine Spitze lächelnd anzuhören, ohne pikiert zu sein. Da er aber in Wien sein großes Palais hat und dort mehr lebt als in Pest, empfand er selbst den Unfug peinlich, der jetzt mit der »Nationalsprache« getrieben wurde.
An einem der Festtage wurde im großen Opernhause die Oper »Tell Wilmosch« gegeben 24. Die Handlung spielte in den Karpathen, und der alte Melchthal starb rührend in einer Pußte, von Hirten, die ihre weißen Hemden als echte Patrioten über die Hosen gezogen hatten, herzlich beweint und besungen.
An Gräfin Eulenburg (Mutter).
Pest, 4. Mai 1896.
Ich denke inmitten dieses unerhörten Trubels so viel an dein stilles Leben in Mühlbad. Aber es ist doch merkwürdig interessant. Das Gala-Theater am 2. Mai, die große Messe in der Mathiaskirche zu Ofen am 3. Mai früh brachten eine solche Entfaltung von prachtvollen Kostümen, Schmuck und Farben, wie man es sich nicht träumen lassen kann.
Gestern, am 3. Mai, war die Gala-Auffahrt zu der Mathiaskirche oben in Ofen. Herrlich! Welche Equipagen! Welche Pracht an Wagen, Livreen, Pferden, und welche Farben!
In der Kirche waren alle Damen in Nationaltracht, mit Edelsteinen überladen. (Es haben die Kleider bis 10 000 Gulden gekostet!)
Gestern, am 3. Mai, war auch ein pompöses Diner bei Graf Géza Szápáry, dann Ball bei Graf Tassilo Festetics.
Heute ist Gratulation bei dem Kaiser und der Kaiserin mit Auffahrt im Galawagen zur Burg, Diner bei dem Handelsminister, Rout bei Graf Louis Apponyi – und so geht es weiter! ...
Ich habe absolut nicht begriffen, wozu man eigentlich dem Kaiser gratulieren soll? Daß ein gewisser Arpad, von dem er nicht abstammt, vor 1000 Iahren Ungarn erobert hat, kann kein Gratulationsobjekt sein, daß dem alten Kaiser das ganze Millennium ein Greul ist, dürfte ebensowenig zum Gratulieren geeignet sein, und der Kaiserin erst recht nicht, daß sich ganz Ungarn amüsiert und der Kaiser nicht, ist auch kein Grund, gerade ihm zu gratulieren, daß ihm aus seiner Kasse diese Festlichkeiten nebst der Deckung unerhört hoher, daraus hervorgehender Schulden mindestens eine Million kosten, ist schließlich doch auch nicht geeignet, ihm einen Glückwunsch auszusprechen. Genug – man gratulierte dem armen Mann, und er nahm freundlich diesen Glückwunsch entgegen, ohne zu sagen: »Schafskopf«.
Mich selbst zog der alte Kaiser in eine so lange politische Konversation, daß alle Gratulanten in weitem Kreise um uns herum wahrscheinlich den Eindruck hatten, es sei unnötig. Leider war es aber durchaus nicht unnötig und auch durchaus keine Gratulation, in keiner Hinsicht eine Gratulation, denn auch mir gegenüber wäre trotz der mir bei dieser festlichen Gelegenheit überall erwiesenen hohen Ehrungen und Auszeichnungen eine Gratulation durchaus nicht angebracht gewesen, denn in Berlin war gerade in diesen Tagen politisch wieder einmal der Teufel los: drohende Minister- und Kanzlerkrise. Zwischen all dem Trubel – essen, trinken, fahren, schwatzen, aus- und anziehen, repräsentieren, gratulieren, hofieren – nahm das Depeschieren und Berichteschreiben überhaupt kein Ende. Ich kann nur sagen, daß ich seither Arpad hasse, der das ganze Millennium verschuldet hat.
Und doch gab es wohl kaum etwas Wunderbareres, Schöneres als die große Messe (die wahrscheinlich auch für Arpad zelebriert wurde – für wen sonst?). Von der ungarischen Rede, die der Fürst-Primas von Ungarn, Kardinal Vaszary, hielt, verstand ich natürlich keine Silbe.
Der Zauber dieser kirchlichen Feier begann mit der Auffahrt in Galawagen des gesamten ungarischen Hochadels über die Donaubrücke und den steilen Weg hinauf bis zum Portal der uralten, in grauem Stein reich gebauten, gotischen Kirche des heiligen Mathias. Jedem der schönen Wagen in allen Farben und gezogen von reichgeschmückten Pferden, entstiegen, tatsächlich strahlend im Glanz von Edelsteinen, die Kirchgänger, von denen heute wohl kein einziger einen wirklich frommen, andächtigen Gedanken gehabt haben dürfte, und niemals ist wohl auch je in der alten, ehrwürdigen Mathiaskirche derart umhergeguckt und geäugt worden wie heute.
Auf der breiten Erhöhung des Hochaltares in den alten, dunklen, gotischen, feierlichen Chorstülen saßen regungslos die Erzbischöfe und Bischöfe des Primates von Gran, die hohe funkelnde Mitra auf den alten ernsten Köpfen und den breiten, von Goldstickerei steifen Mantel um die Schultern. Vor dem mit brennenden Kerzen und Blumen geschmückten goldenen Altare knieten und standen Ministranten und Chorknaben in ihren roten Gewändern. An dem Rand der Erhöhung des Hochaltares aber stand, die in Edelsteinen funkelnde hohe Mitra auf dem Haupt, in seinem reichsten bischöflichen Kleide, die hohe hagere Gestalt des Kardinals Fürst-Primas von Ungarn, Vaszary. Aus dem bleichen, schmalen, bartlosen Gesicht flammten die in Begeisterung glühenden Augen, während er die harten Laute der ungarischen