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begeht eine Torheit. Wenn ich Kaiser wäre, ginge ich sicherlich nicht fort von hier. Allerdings würde ich die Grenzen der Absperrung gegen ein zudringliches Publikum etwas weiter stecken.

      August Eulenburg 27 und Knesebeck 28 waren im Schloß. Ich hatte eine prächtige Wohnung mit reizendem Salon und schönem Blick auf den Wald. Diese herrliche Stille! –

      Um 9 Uhr Souper mit den Majestäten. Wir unterhielten uns über allerhand wichtige Dinge. Ein großer Stuck- und Marmorsaal, von dem man direkt auf die weite Säulenterrasse tritt nach der Seite von Kassel, ist mit Teppichen belegt und mit den schönsten, aus dem Schlosse zusammengesuchten Empire-Möbeln (braun mit Bronze) mit roter, blauer und gelber Seide bezogen, möbliert worden.

      1. August 1896.

      Ich wurde durch den Jubel der kleinen Prinzen geweckt, die auf dem Platz vor dem Schloß Rad fuhren.

      Um 12 Uhr ging ich mit dem Kaiser allein im Park spazieren. Herrlicher Sonnenschein, wunderbare Bäume – ich war hingerissen von soviel Schönheit. Wir begegneten nur wenig Menschen auf dem Wege zum kleinen Tempel auf der rechten Höhe, also gegenüber der Löwenburg. Mir wird diese Promenade sehr denkwürdig bleiben, sehr entscheidend für vieles wird sie sein. Wie war der Kaiser gütig, klug, einfach und klar. Ich hatte das Gefühl, daß wir uns noch näher traten als zuvor.

      Um 1 Uhr Diner en famille mit den Prinzen. Der kleine Kronprinz machte eine lebhafte Unterhaltung mit mir. Lustig, kindlich und schnell von Auffassung. Nach dem Essen packte der Kaiser seine Geschenke aus Norwegen für die Kinder aus. Das Prinzeßchen sah reizend in der lappländischen Tracht aus. Auf der Terrasse spielte ich mit den Prinzen Ball, dann schlug die Scheidestunde.

      Ich fuhr mit Dr. Leuthold zur Bahn nach Kassel und mit Lunker 29, der zu seiner Frau nach der Schweiz fährt, bis Friedelhausen, wo der Schnellzug für mich hielt.

      Schwerin 30 war auf der Bahn. Es regnete. Er sah entsetzlich elend aus. Im Schloß fand ich Louise Schwerin und die reizenden drei Kinder. Nach einem leider nur zu kurzen Aufenthalt von wenigen Stunden bei den lieben Freunden in dem schönen Friedelhausen brachten mich beide Schwerins bis Gießen. Dort fuhr ich verspätet ab und hatte in Frankfurt eine große, höchst fatale Aufregung wegen meiner verschwundenen Handtasche mit allen meinen wichtigen politischen Papieren! Im letzten Augenblick fand sie sich. Ich hatte sie beim Umsteigen zwei Beamten übergeben, die damit verschwanden.

      Ich hatte mir überlegt, daß ich die Nacht in Aschau sein könnte, wo einen Besuch zu machen ich mir längst vorgenommen hatte. Und welche Freude machte ich meinem guten Kistler 31 damit. Er holte mich abends von Prien ab und brachte mich in sein reizendes Elternhaus, das an Wiesen unter Birnbäumen in dem von herrlichen Fels- und Waldbergen umrahmten Tal gelegen ist. Ich schreibe diese Zeilen in dem hübschen Fremdenzimmer des ersten Stockwerkes. Vater Kistler ist leider total verändert, er ist ein magerer, kranker, alter Mann geworden. Ich fürchte, daß sein Leiden unheilbar ist. Wir aßen in dem hübschen Eßzimmer zu Abend.

      3. August 1896.

      Ich verlasse morgens Aschau und treffe unterwegs Bülow 32, der vom Semmering kommt, um mich zu sehen. Wir fahren zusammen nach Hallstadt, wo wir in dem entzückenden Hotel Seeauer, nach nicht endenwollenden politischen Gesprächen, nächtigen. Leider regnet es.

      4. August 1896.

      Morgens fahre ich allein nach Aussee, wo mich die alten Hohenlohes 33 sehr freundschaftlich empfangen. Die Fürstin nicht ohne Stichelei, denn ihr Mann hat ihr natürlich mehr von der scheußlichen Kanzlerkrise 34 erzählt, als gut war. Die Unterhaltungen sind ganz unbeschreiblich schwierig, und was ich erreichte, wohl genug, um zufrieden zu sein. – Jedenfalls mehr Konzession an den Kaiser, als ich erwartet hatte, aber ich war wie zerschlagen. Die ewigen Krisen und Schwierigkeiten, durch die ich gegensätzliche Naturen lotsen soll, um Frieden zu halten, – dazu die große Sehnsucht nach den Meinen – das zermürbt mich schließlich ganz, und ich war bei der Rückkehr nach Hallstadt mehr tot als lebendig. Lange kann es so nicht weitergehen, meine Kräfte und Spannkraft lassen sichtlich nach.

      5. August 1896.

      Morgens fahre ich nach Ischl.

      Aus einem Brief an den Kaiser.

      Wien, 7. August 1896.

      ... Kaiser Franz Joseph wollte mich um 12 Uhr am 5. August empfangen, und ich fuhr bei strömendem Regen zur kaiserlichen Villa, wo mich Flügeladjutant Graf Alberti empfing und direkt zum Kaiser führte. Se. Majestät lud mich in seinem Arbeitszimmer sofort ein, Platz zu nehmen, und begann nach Ew. Majestät Ergehen, nach dem Befinden Ihrer Majestät, der Kaiserin und dem Verlauf der Reise zu fragen und sprach mit der innigsten Teilnahme von dem traurigen Schicksal der tapferen Besatzung der »Iltis«. Dann ging der Kaiser sehr schnell auf die Politik über 35. – Die übrige Unterhaltung betraf gleichgültige Dinge. Über die russischen Pläne bezüglich des Wiener Besuches habe ich bereits telegraphisch berichtet.

      Nach der Audienz, die etwa eine Stunde währte, machte ich den anwesenden Mitgliedern der kaiserlichen Familie meine Aufwartung und besuchte Fürstin Dietrichstein (sehr russisch). Sie ist voller Aufregung über die Wiener Entrevue. Da ihr Sohn, Graf Albert Mensdorff, bei der Botschaft in Petersburg ist, weiß sie allerhand Klatsch. Die Anstrengungen des Botschafters Liechtenstein, eine Verständigung mit Rußland herbeizuführen, konnte man aus den Erzählungen der Fürstin herausriechen.

      Albert Mensdorff, der ein ganz gescheiter Mensch ist, der Augapfel der Mutter, und als Enkel einer Koburg-Gotha in London als Verwandter behandelt wurde (aber als Sohn des Ministers Mensdorff von 1866, Preußen nicht liebt), hat von der Kaiserin Alix auch besondere Gnadenbeweise erhalten, und das macht die alte dicke Dietrichstein halb verrückt vor Russenglück. Ihr ältester Sohn ist mit einer Dolgorouki verheiratet. Übrigens ist in Wien der Gedanke, den Zaren in Schönbrunn zu logieren und zu amüsieren, aufgegeben – wie die Dietrichstein sagt: aus Angst vor einem Attentat – wie ich glaube, weil Lobanow 36 es unbequem findet, hin und her fahren zu müssen. Die Fürstin glaubt, ebenso wie der Kaiser, daß die Zarin nicht guter Hoffnung ist.

      Um 3 Uhr fand das Diner in der Villa statt. Es geht sehr harmlos bei diesem Sommeraufenthalt zu, denn der Kaiser stand an der Haustür, als ich kam, und plazierte mich auch selbst bei Tisch. Gäste waren Prinz Leopold von Bayern mit Gemahlin (älteste Tochter des Kaisers) und zwei Söhnen. Der älteste 16jährige verlegen im Frack, der jüngere rothaarige verlegen ohne Frack. Erzherzogin Valerie (zweite Tochter des Kaisers) – ganz außerordentlich guter Hoffnung, Hofdame Festetics, Baronin Limpök, Hofdame der Prinzessin Gisela, Graf Paar (Generaladjutant), Graf Bellegarde (Obersthofmeister der Kaiserin) und zwei Flügeladjutanten. Die Kaiserin zeigte sich nicht. Es wurde wieder namenlos schnell serviert. Der Kaiser wird immer ungeduldiger beim Essen. Ich erzählte bei andächtiger Stille unsere Walfischjagd, mußte dann Prinzessin Gisela unterhalten – was mir entsetzlich mühsam war, denn trotz ihrer 40 Jahre ist sie noch immer verlegen wie ein Backfisch aus einem Pensionat und errötet, wenn man ihr sagt, daß man Pflaumen gern ißt.

      Nach dem Diner amüsierte sich der Kaiser sehr über meine Schilderung unseres Abenteuers mit den Franzosen in Norwegen 37, dann wurde ich entlassen, das Fest hatte sein Ende.

      Ich fuhr nun zu der berühmten Frau Kathi Schratt (ich weiß, daß man dafür sehr dankbar ist). Ich unterhielt mich vortrefflich mit der charmanten Dame. »Wie ist jetzt Ihre Tageseinteilung?« fragte ich sie. – »Um 5 Uhr stehe ich auf«, erzählte sie, »dann gehe ich in die Ischl 38 ein Bad nehmen, nachher – gegen 7 Uhr – kommt der Kaiser zum Frühstück und bleibt bis gegen 10 Uhr. Ich begleite ihn bis zur Villa. Darnach ruhe ich und esse, und um 3 Uhr gehe ich mit beiden Majestäten – mag es regnen oder nicht - auf die Berg', 3-4 Stunden lang. Da können Sie glauben, daß ich gern um 8 Uhr zu Bett geh'.«

      Damit hatte mein Aufenthalt in Ischl sein Ende erreicht ...

      Tagebuchnotizen.

      Wien, 13. August 1896.

      Mein Nervenzustand wird immer bedenklicher. Ich habe abends

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