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Wein verderben.

      Brucker fragte, was er mit »auf diese fünf oder sechs konzentrieren« gemeint hatte.

      »Na, es ist doch sinnvoller«, rief der Alte, »mit diesen fünf oder sechs eine Alibiüberprüfung zu veranstalten, als die Liste der Sonderkommission alphabetisch durchzugehen.«

      Brucker war anzumerken, daß er davon nicht gerade begeistert war.

      Die Sonne schien immer noch, als sie den Berg wieder hinabstiegen.

      In Stammersdorf trennten sich ihre Wege. Fichtl wollte im Schwarzen Adler Binder treffen, Brucker und Biggi fuhren in die Stadt zurück.

      »Gehen wir noch irgendwohin auf ein Glas Wein?« fragte Peter. Biggi war einverstanden.

      In einem gemütlichen Gasthausgarten beschlossen die beiden dann, kommenden Dienstag mit dem »Köderspiel« zu beginnen.

      »Vergiß die quietschenden Schuhe nicht«, sagte Peter, und sie nickte. »Du mußt dich halt aufreizend anziehen und beim Gehen ordentlich mit dem Hintern wackeln«, meinte er, und wieder nickte Biggi.

      Beim zweiten Glas Wein wurde Peter neugierig.

      »Hast du eigentlich irgendeinen eifersüchtigen Freund?« fragte er.

      »Das geht dich einen Dreck an«, antwortete Biggi lächelnd.

      »Es ist ja nur, weil ich dir vielleicht sonst einen unsittlichen Antrag mache«, meinte Peter.

      »Pure Zeitverschwendung«, sagte Biggi. »Merk dir eins: Es gibt zwei Sorten von Männern, mit denen ich nie ins Bett gehe: mit Fußballspielern und mit Berufskollegen. Kennst du dich jetzt aus?«

      Ja, jetzt wußte er Bescheid, der Peter Brucker.

      Die Liste der zu überprüfenden Vorbestraften übertraf alle Befürchtungen des Chefinspektors. Sie enthielt 417 Namen, und alle waren wegen Sittlichkeitsdelikten rechtskräftig verurteilt worden. Schon bei einer oberflächlichen Durchsicht wußte Fichtl nicht, ob er lachen oder fluchen sollte. Er entschied sich für letzteres. Denn die Beamten im Justizministerium hatten auch alle die Männer in die Liste aufgenommen, die wegen Zuhälterei verurteilt waren. Für diese Herren Bürokraten war Zuhälterei eben ein Vergehen gegen die Sittlichkeit.

      Im Fall »Bisambergbestie« war das nun blanker Unsinn, denn Zuhälter fallen höchstens nachts in ihren Puffs, und das viel bequemer, über ihre Mädchen her. Im ersten Moment war Fichtl versucht, zu Hofrat Putner zu stürmen und sich dort auszutoben. Er unterließ es aber. Was hätte er schon erreicht außer einem eisigen: »Die Überprüfung dieser Liste ist eine Anordnung der Sonderkommission. Bitte richten Sie sich danach.«

      Er mußte sich also in seinem Büro austoben, fand die gräßlichsten Schimpfworte für die Herren Theoretiker, diese Juristen. Danach war ihm leichter zumute.

      Biggi und Brucker hatten ihm unbeeindruckt zugehört. Für die beiden war sein Schimpfvokabular ja nichts Neues.

      Die andere Liste aber, nämlich die von Hans Binder, war bei weitem erfreulicher. Ganze vier Männer hatte der Postenkommandant ermittelt, die sowohl zum Bekanntenkreis der Maria Weber gehörten, als auch in der Innenstadt arbeiteten und zumeist abends mit der Straßenbahn nach Stammersdorf fuhren. Interessiert las Fichtl die Namen dieser vier und das, was Binder über sie berichtete:

      Nummer eins war Ferdinand Polacek, den Fichtl ja noch vom Schwarzen Adler in Erinnerung hatte. 35 Jahre alt, unverheiratet, keine Freundin oder Lebensgefährtin. Essen und Trinken war sein ganzer Lebensinhalt; Volksschule, Tanzschule und Führerscheinprüfung seine erreichten Ausbildungsziele. Er galt als harmlos, als gutmütig, außer, wenn er einen Rausch hatte. Da wurde er streitsüchtig, aggressiv. Und in den letzten Monaten waren Räusche bei ihm an der Tagesordnung. Möglicher Grund dafür war der Tod seines Vaters, eines Eisenbahnrentners. Den hatte er immer noch respektiert und gefürchtet, seinetwegen hatte er sich immer wieder zusammengerissen. Diese hemmende Barriere war jetzt weg, denn vor seiner alten Mutter hatte der Ferdl weder Angst noch Hemmungen.

      Er arbeitete als Tankwart in der Innenstadt. Dort durfte er nicht trinken. Um so eiliger hatte er es dann nach Feierabend. Vom weiblichen Geschlecht, so schrieb der Postenkommandant, wird der Polacek nur belächelt oder verspottet, keine läßt sich mit ihm ein. Kein Wunder, wenn man ihn so ansah. Auch geht das Gerücht, daß der Ferdl impotent sei. Letzteres würde ihn eigentlich als Täter ausschließen, denn in allen Fällen fanden Gerichtsmediziner Samenspuren in den Scheiden der Opfer. Auch bei der toten Maria Weber. Sie wohnte übrigens im Nachbarhaus der Polaceks.

      Der zweite auf der Liste des Gendarmerie-Postenkommandanten war ein vierzigjähriger Familienvater, der zur Zeit als Koch in einem Gasthaus in der Innenstadt beschäftigt war. Er hieß Anton Obermoser und hatte früher einmal im Schwarzen Adler gearbeitet. Viermal war er wegen Körperverletzung vorbestraft. Interessiert las Fichtl eine unterstrichene Stelle in Binders Beschreibung, der zu entnehmen war, daß es immer Frauen waren, die der Obermoser verdroschen hatte. Zweimal war es seine eigene Frau, und das Motiv der Rauferei war nicht eruierbar, weil sie sich der Aussage vor Gericht entzogen hatte. Einmal war es eine Kellnerin in der Innenstadt, die sich geweigert hatte, ihm noch Alkohol auszuschenken, und schließlich eine Hilfsköchin, die sehr dagegen war, mit dem Obermoser in der Betriebsküche auch noch andere Dinge zu tun als zu kochen. Natürlich war in allen vier Fällen Alkohol im Spiel, was von den Gerichten wie üblich stets als mildernd gewertet wurde.

      Nummer drei war ein Gastarbeiter aus Jugoslawien, der 37jährige Milan Belkovic, schon seit zehn Jahren in einer Baracke in Stammersdorf wohnhaft und als überaus fleißiger Arbeiter bekannt. Tagsüber war er bei einer Straßenbaufirma beschäftigt, abends pfuschte er privat bei Häuslbauern oder sonstwo, gegenwärtig schon seit Monaten bei der Renovierung einer Hausruine in der Innenstadt. Vorstrafen hatte er keine. Im Gegenteil, vor einem halben Jahr war er im Wiener Prater von einem Zuhälter mit einem Schlagring selbst erheblich verletzt worden. Der Postenkommandant berichtete, daß es der Milan in Stammersdorf bei der Befriedigung seiner sexuellen Wünsche eben recht schwer habe. Im Dorf war er »der Tschusch«, und Frauen oder Mädchen hätten sich ja der Verachtung ausgesetzt, wenn sie sich mit ihm eingelassen hätten. Was also blieb ihm anderes übrig, als ab und zu Prostituierte aufzusuchen? Auch hier war er sparsam und bevorzugte die als billig bekannten Praterhuren. Und bei dem Streit mit dem Zuhälter ging es ja auch um Geld, weil Milan eben für angebliche Sonderbehandlungen nicht mehr zahlen wollte, als er gewohnt war.

      Der vierte und letzte auf Binders Liste war jener Leopold Kucharsky, den Fichtl ja schon im Schwarzen Adler gesehen hatte. Aushilfskellner und Cousin des Wirtes. Viel konnte der Postenkommandant nicht über ihn berichten, außer, daß er ihm »gefühlsmäßig« jede Gaunerei zutraute und daß er ihn seit langem in Verdacht hatte, Haschisch zu rauchen und damit auch zu handeln. Beweise gab es keine. Im Schwarzen Adler half er immer nur spät abends aus, tagsüber saß er in einer Videothek im dritten Bezirk herum und verlieh Pornofilme. Das war alles.

      Es war zwar nicht viel, für den Chefinspektor aber Grund genug, von jedem der vier Männer eine Art Arbeitsakte anzulegen, nur für seinen persönlichen Gebrauch. Er nahm vier Umschläge und schrieb die Namen auf den Pappdeckel, forderte Fotos an, machte zur Sicherheit noch je eine Anfrage in der Datenstation und beim Erkennungsdienst und überlegte, ob und in welcher Form er seine nächsten Pläne Hofrat Putner zur Kenntnis bringen sollte. Lange überlegte er nicht. Wie er fand, war es noch viel zu früh, dem Hofrat etwas zu sagen.

      Die vier Verdächtigen hatten eine gemeinsame Eigenschaft. Sie alle waren Stammgäste im Schwarzen Adler. Und sie trafen sich dort zumeist kurz vor Mitternacht, tranken und diskutierten an der Theke. Wenn der Wirt früher schlafen ging, übernahm sein Cousin Leopold das Einschenken und Abkassieren, was ihn aber nicht daran hinderte, an der geselligen Runde teilzunehmen. Der Chefinspektor hatte nun folgende Idee: Einem befreundeten Journalisten wollte er einen Tip geben, und dieser sollte einige Interviews, eine Art Meinungsumfrage, zum Fall »Bisambergbestie« durchführen. Für die Presse war das ja ein aktuelles Thema. Dabei sollte der Zeitungsmann auch in den Schwarzen Adler kommen. Zu einem Zeitpunkt, wo der Alkohol dort schon die Zungen gelockert hatte. Die Hoffnung Fichtls war dabei, daß sich vielleicht einer der vier verplapperte

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