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sie konnte wieder lachen.

      Peter Bruckers Gedanken kreisten ständig um drei Punkte: Zum einen mußte der Täter eine Bißwunde an einer Hand haben. Das stand fest. Zum anderen lag da Biggis Bluse mit den Blutflecken in seiner Schreibtischschublade, und eventuell konnte man in der Gerichtsmedizin die Blutgruppe des Täters bestimmen. Aber wie sollte er die Bluse einer Untersuchung zuführen, wenn er keine Erklärung für die Blutflecken liefern konnte? Er hätte ja einen Bericht dazu abgeben müssen, und eine erlogene Geschichte konnte er nicht bringen. Aber die Wahrheit konnte er auch wiederum nicht sagen.

      Zum dritten war da dieses Feuerzeug. Er war inzwischen in Rosy’s Bar gewesen. Viel war es nicht, was er dort erfahren hatte. Dabei hatte ihn Rosy, die Wirtin, gar nicht unfreundlich behandelt. Die Stammgäste des Lokals nannten sie allgemein nur »die finstere Rosy«, denn bei ihr war alles finster. Ihr Gesichtsausdruck, ihre Fingernägel, die Bar, und wahrscheinlich auch ihre Unterwäsche. Von der finsteren Rosy hatte er erfahren, daß sie vergangene Weihnachten fünfzig Exemplare dieses Feuerzeugs gekauft und an Stammgäste verschenkt hatte. Natürlich konnte niemand wissen, ob solche Feuerzeuge nicht wieder weiterverschenkt wurden. Daß der Täter also unbedingt Stammgast in Rosy’s Bar sein mußte, war sehr fraglich.

      Ausführlich besprach er mit Biggi das Resultat seiner Ermittlungen. Sie machte nun wieder Dienst, wenn auch mit Halstuch. »Weißt du«, sagte Peter zu ihr, »manchmal glaube ich, es wäre das gescheiteste, wenn ich dem Chef alles beichte. Ohne ihn kommen wir jetzt nicht weiter.«

      Biggi stimmte zu. »Überlaß die Beichte mir«, sagte sie, »ich kenne ihn schließlich länger.«

      Chefinspektor Fichtl war ein wenig verwundert, als beide ihn nach Dienstschluß um eine Aussprache baten. Dann hörte er der Kriminalbeamtin aufmerksam zu. Sie verschwieg nichts, erzählte alle Einzelheiten. Als sie geendet hatte, war gespanntes Schweigen im Raum. Fichtl zündete sich eine Zigarette an. »Das ist ja eine schöne Geschichte«, murmelte er.

      Seine Zigarette war schon halb ausgeraucht, als er schließlich meinte: »Das wichtigste ist jetzt, daß das alles unter uns dreien bleibt.« Er sah Biggi in die Augen. »Dann war dein Köderspiel nicht umsonst. Dann kriegen wir dieses Schwein. Von jetzt ab arbeiten wir zu dritt.«

      Große Erleichterung bei den beiden, besonders bei Brucker.

      »Auf den Schrecken brauche ich jetzt einen Schnaps«, sagte Fichtl.

      »Ich auch«, sagten Biggi und Peter wie aus einem Munde.

      Die Saufbruderschaft an der Theke im Schwarzen Adler war bei weitem nicht vollzählig. Fichtl saß mit Binder in einer Ecke, und sie beobachteten kartenspielend die Herrenrunde. Es war keiner dabei, der eine Verletzung an einer Hand hatte oder einen Verband trug. Aber es fehlten ja auch noch die nach Ansicht des Chefinspektors »großen Vier«, die eigentlich Verdächtigen. Die Männer an der Bar unterhielten sich lautstark über Politik. Ein dicker älterer Mann, der seinen Hut nie abnahm, erklärte seinen Freunden weise, warum Deutschland den Zweiten Weltkrieg verloren hatte. Und welche Fehler Adolf Hitler gemacht hatte.

      »Entweder mit Weihrauch oder mit Knoblauch hätte er sich verbünden müssen«, dozierte er immer wieder. Mit Weihrauch war die Kirche, mit Knoblauch waren die Juden gemeint. Und weil er weder mit Weihrauch noch mit Knoblauch zusammengearbeitet hatte, der Adolf, hatte er unterliegen müssen. Die meisten der Anwesenden stimmten zu, auch der Wirt. »Er war halt ein sturer Hund, der Adi«, sagte er. Schnell wurde das Thema gewechselt, man diskutierte nun über Hunde. Jeder kannte irgendein ganz gescheites Hundevieh, klüger manchmal als ihre Herren. Die Hundegeschichten wollten kein Ende nehmen, und mit jedem Bier wurden die Hunde intelligenter und auch gefährlicher.

      Fichtl und Binder hatten sich schon das vierte Bummerl ausgespielt, sie waren am Bauernschnapsen. Fichtl sagte gerade einen Vierziger an und drehte zu, als er einen der Hundeliebhaber sagen hörte: »Den Polacek Ferdl, den hat unlängst einer gebissen.« In der Runde ging diese Bemerkung unter, doch Fichtl war wie elektrisiert.

      »Hast du das gehört?« fragte er gespannt.

      Binder nickte. »Hoffentlich in die Hand«, sinnierte er. »Soll ich mir den Ferdl vorknöpfen?«

      Fichtl überlegte.

      »Wart noch damit«, sagte er. »Ich hab’ da so eine Idee.«

      Der Postenkommandant legte die Karten weg, die beiden hörten auf zu spielen. »Schon wieder eine Idee?« grinste Binder. Fichtl wußte, worauf sein Partner anspielte: auf die eher mißglückte Sache mit dem Journalisten und den Interviews.

      An dem Journalisten Wallisch lag es nicht, der hatte seine Sache ganz ausgezeichnet gemacht. Auch bei seiner Meinungsumfrage im Schwarzen Adler. Fichtl hatte sich die Tonbänder mehrmals angehört, er war enttäuscht. Seine Hoffnung, daß sich irgendeiner seiner Hauptverdächtigen verplappern könnte, hatte sich nicht erfüllt. Im Gegenteil. Alle hatten dem Pressemann ihre Entrüstung über die »Bisambergbestie« ins Mikrofon geschrien, die Einführung der Todesstrafe verlangt, die Polizei wegen ihrer Unfähigkeit kritisiert, nichts Neues also. Wallisch hatte darauf natürlich einen Stimmungsbericht in seiner Zeitung veröffentlicht, der auch Stellungnahmen der Beamten von der Sonderkommission enthielt. Einziges Resultat der ganzen Aktion war eine weitere Verschlechterung des Arbeitsklimas, und Hofrat Putner war wütend. Er wäre noch wütender gewesen, hätte er gewußt, daß sein Chefinspektor der Initiator der Pressekampagne war.

      »Ich weiß schon«, lächelte Fichtl jetzt, »meine Idee mit den Interviews ging ordentlich daneben. Aber wie wäre es jetzt mit der Tollwut?«

      »Tollwut?« fragte Binder mit einem Seitenblick auf Fichtls Weinglas. »Bist du schon besoffen?«

      Der Chefinspektor winkte ab. Dann erklärte er: »Wenn Binder in seiner Gemeinde das Gerücht ausstreute, daß es in der Gegend tollwutverdächtige streunende Hunde gäbe und daher Schutzimpfungen angebracht wären, dann könnte man ja abwarten, ob der Polacek einen Arzt aufsuchen würde. Allein der gebissene Täter weiß ja, daß es kein Hund, sondern eine Frau war. Ginge er also nicht zu einem Arzt, wäre dies ein weiteres Indiz für seine Schuld.«

      »Na, du hast Ideen«, sagte Binder, wußte aber nicht recht, was er davon halten sollte. Allein, alle Überlegungen erwiesen sich in der nächsten Minute schon als gegenstandslos. Denn der Polacek kam herein, gesellte sich zu seinen Freunden. Seine Hände waren unverletzt, aber er hinkte leicht. Und den nächsten Gesprächen der Männer an der Theke war zu entnehmen, daß der Polacek in eine Wade gebissen worden war.

      Man war also wieder um eine Hoffnung ärmer.

      »Wie wäre es mit einer neuen Idee?« grinste Binder anzüglich, und Fichtl fluchte leise in sein Weinglas. Die Aufregungen der beiden sollten an diesem ereignisreichen Abend aber noch nicht zu Ende sein. Denn fünf Minuten später kam Leopold Kucharsky in die Gaststube, der Aushilfskellner und Cousin des Wirts. Er trug einen Verband an der linken Hand.

      Er grüßte und ging zuerst wie gewöhnlich in die Küche, um sich umzuziehen. Die beiden Alten sahen sich bedeutungsvoll an. Als der Wirt nachschenkte, fragte der Postenkommandant beiläufig: »Hat er sich weh getan, der Poldl?«

      »Ja«, meinte der Wirt. »Beim Geschirrabwaschen hat er sich geschnitten. Schon vorige Woche.«

      Es wurde Mitternacht, der Wirt ging schlafen, und der Leopold übernahm das Geschäft. »Bitte jetzt keine Idee«, sagte der Postenkommandant leise. Er meinte es ernst.

      »Was schlägst du vor?« fragte Fichtl.

      »Na das Einfachste, das Naheliegendste. Ich schnapp’ mir den Kucharsky, bring’ ihn zum Amtsarzt und lass’ die Wunde untersuchen. Wenn er feststellt, daß es kein Schnitt, sondern eine Bißwunde ist, dann haben wir ihn.«

      Fichtl dachte nach.

      »Und wenn der Doktor es nicht mit absoluter Sicherheit feststellen kann? So was gibt’s ja auch. Dann haben wir unseren besten Trumpf umsonst ausgespielt. Der Leopold bleibt bei seiner Behauptung, und die Sache ist vermurkst.«

      Johann Binder seufzte. Mit dem Chefinspektor Fichtl zusammenzuarbeiten, meinte er, wäre wirklich

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