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auch beginnen sollten. Der Journalist hieß Franz Wallisch und arbeitete für eine Wochenzeitung, ein tüchtiger Bursche. Er würde allen eine Menge Fragen stellen, auch wie und wo sie von den einzelnen Überfällen erfahren hatten. Die Antworten sollte er auf Tonband aufnehmen, und die Resultate wollte sich Fichtl dann genau anhören.

      Als der Chefinspektor seinen engsten Mitarbeitern von diesem Plan erzählte, zeigten diese wenig Begeisterung. Brucker nickte nur und rieb sich sein noch immer blaues Auge, die Kriminalbeamtin gähnte herzhaft.

      »Was ist denn mit euch los?« fragte Fichtl verärgert. »Eure Schläfrigkeit fällt mir jetzt schon seit Tagen auf. Was macht ihr denn eigentlich in der Nacht …? Habt ihr ein Verhältnis miteinander …?«

      Die beiden lachten. »Aber Chef«, sagte Biggi, »was für eine unsinnige Verdächtigung.« Ihre Stimme klang müde.

      Mit der schläfrigen Müdigkeit der beiden in den Bürostunden hatte es eine besondere Bewandtnis: Sie hatten mit ihrem »Köderspiel« begonnen, wanderten nachts zwischen Stammersdorf und Bisamberg hin und her. Biggi mit quietschenden Schuhen, Peter in Hörweite dahinter. Und vor drei Uhr morgens kamen sie eben nicht ins Bett. Ihr Dienst begann aber schon um halb acht.

      Sie wollten sich gegenseitig nicht eingestehen, daß sie sich mit ihrem »Köderspielen« ein wenig zuviel zugemutet hatten. Denn nicht nur die Folgen der kurzen Schlafzeiten hatten sie unterschätzt. Auch die deprimierende Eintönigkeit dieser halben Nächte machte ihnen zu schaffen. Dieses langweilige Warten darauf, daß endlich etwas passieren würde. Es passierte aber nichts. Alles war ruhig, friedlich. So hofften sie auf die nächste Nacht. Erleichterung überfiel sie, wenn ein Wochenende bevorstand. An Samstagen und Sonntagen blieben sie daheim, weil an diesen Tagen noch nie etwas passiert war.

      Der Ablauf des Köderspiels war jede Nacht der gleiche:

      Peter fuhr mit seinem Auto zur Endstation Stammersdorf, wartete dort auf die letzte Straßenbahn. Biggi stieg in der Innenstadt, am Schottenring, in diesen letzten 31er, grell geschminkt, in einem kurzen Lederrock, dünner Seidenbluse. Ohne Büstenhalter, die Brüste wackelten im Takt des Ratterns der Straßenbahn. Wurde sie angesprochen, gab sie abweisende, schnippische Antworten und sah dann zum Fenster hinaus. Niemand hätte in dieser aufgemotzten Tussie eine Kriminalbeamtin vermutet. Wirklich niemand.

      An der Endstation stieg sie aus, ging zielstrebig Richtung Bisamberg. Nicht, bevor sie den wartenden Peter gesehen hatte. Denn er hatte ihr eingeschärft, sofort per Taxi wieder heimzufahren, sollte er einmal nicht da sein. Es konnte ihm ja etwas dazwischengekommen sein, ein Unfall oder so.

      Eine Stunde dauerte dann der Hin- und Rückweg. Peter hörte in dieser Zeit nur das Quietschen ihrer Schuhe, und ab und zu das Zirpen der Grillen.

      Wieder in Stammersdorf, stiegen sie in Peters Auto, und er fuhr sie nach Hause. Beide einsilbig, in gedrückter Stimmung. Die Frage drängte sich auf, wie lange das noch so weitergehen sollte.

      Es geschah am darauffolgenden Dienstag: Biggi hatte ihre Wanderung aufgenommen, Peter folgte in Hörweite. Alles war ruhig. Er hörte nur das Quietschen ihrer Schuhe und das Zirpen der Grillen. Es war Neumond, die Gegend war sehr finster.

      Ganz plötzlich hörte das Geräusch ihrer Schuhe auf. Peter blieb stehen, lauschte. Nichts rührte sich.

      Er begann zu laufen, zog seine Taschenlampe heraus, blieb wieder stehen, horchte. Kein Geräusch.

      Wieder lief er ein paar Schritte. Links von dem Pfad war eine Böschung, es ging etwa drei Meter schräg abwärts in ein Feld.

      Er schaltete die Taschenlampe ein, leuchtete herum. »Biggi!« schrie er in plötzlicher Panik. »Biggi, wo bist du?«

      Er hörte ein leises Jammern, es kam von links hinter ihm.

      »Biggi!« schrie er wieder. »Biggi!« Er rannte zurück, leuchtete die Böschung abwärts.

      Dann sah er sie im grellen Lichtkegel. Sie lag im Feld, drehte sich jetzt zur Seite.

      »Biggi!«

      Mit einem Riesensprung war er bei ihr.

      Ihr Gesicht war blutverschmiert. Sie massierte ihren Hals. Deutete dann in eine Richtung. »Renn ihm nach«, flüsterte sie heiser.

      »Um Gottes willen, Biggi«, rief er, »ist dir was passiert? Du blutest …« Er schob einen Arm unter ihren Kopf, betrachtete sie ängstlich. Sie begann zu husten, ihr Körper vibrierte. Er streichelte ihr übers Haar. »Sag was, bitte sag was«, flüsterte er.

      Sie hustete heiser. Hielt sich ihren Hals. »So renn ihm doch endlich nach«, stöhnte sie dann.

      »Ich lass’ dich doch jetzt nicht allein, Biggi. Du blutest, du bist verletzt, du brauchst Hilfe.«

      »Das ist nicht mein Blut. Ich hab’ ihn in die Hand gebissen.« Ihre Stimme klang eine Spur fester.

      Er dachte nicht daran, jetzt wegzulaufen. Eine Sekunde lang bereute er, dieses Köderspiel organisiert zu haben. Wenn ihr nur nichts passiert ist, dachte er.

      Sie richtete sich jetzt mühsam auf, atmete schwer. »War also alles umsonst«, sagte sie traurig.

      »Ich bring’ dich zu einem Arzt«, sagte Peter. »Kannst du aufstehen?«

      Mühsam rappelte sie sich hoch. »Keinen Arzt«, sagte sie, »es geht schon.«

      Auch ihre Bluse war blutverschmiert, sie mußte ordentlich zugebissen haben. Peter hob ihre Handtasche auf; sie hatte sich geöffnet, und der Inhalt lag verstreut am Boden. Stockend schilderte Biggi den Hergang des Überfalls. Er hatte sie von hinten angefallen, sie brutal gewürgt und die Böschung hinab ins Feld gezerrt. Sie konnte nicht schreien, denn er hielt ihr Hals und Mund zu. Sie wehrte sich verzweifelt und biß ihn in die Hand. Das war genau in der Sekunde, als Peter zu schreien begann. Der Täter sprang sofort auf und flüchtete in die Dunkelheit. »Du bist gerade noch im richtigen Moment gekommen«, sagte Biggi.

      Im Gras sah Peter etwas glitzern, hob es auf, ein Feuerzeug. »Das gehört nicht mir«, sagte Biggi, »das muß er verloren haben.«

      Es war ein billiges Werbefeuerzeug, wie es Geschäftsleute oder Gastwirte an ihre Stammkunden verschenken. »Rosy’s Bar«, las Peter, »Treffpunkt der Gemütlichkeit. Wien I., Sonnenfelsgasse 11.« Er steckte das Ding ein. »Ich krieg’ dieses Schwein, Biggi«, sagte er, und seine Stimme war haßerfüllt. »Ich kriege ihn, das schwör’ ich dir.«

      Sie schleppten sich bis zu Peters Auto.

      Auf seine ständigen besorgten Fragen antwortete sie immer das gleiche: »Es ist nur der Hals, der weh tut. Er hat mir die Gurgel zugedrückt wie ein Irrer. Nein, ich brauche wirklich keinen Arzt, das wird schon wieder.«

      Ein kräftiger Kerl war es gewesen, sein Atem roch stark nach Alkohol. Das war eigentlich alles, was sie zu berichten wußte. Und eine ordentliche Bißwunde müßte er jetzt haben, denn auch ihre Zähne taten leicht weh. Ob es seine rechte Hand war oder die linke konnte sie nicht sagen.

      »Wir kriegen ihn, Biggi«, sagte Peter wieder. Langsam beruhigte er sich.

      Sie waren schon in der Innenstadt, als Peter fragte, ob sie die Nacht bei ihm bleiben wollte. »Ich lass’ dich jetzt nicht gern allein«, meinte er, »versteh mich richtig.«

      Sie verstand. »Besser, du kommst zu mir«, sagte sie. »Du kannst auf der Couch schlafen.«

      Er war zum ersten Mal in ihrer Wohnung. Im Vorzimmer schlüpfte er aus den Schuhen, weil alles so sauber war und gediegen eingerichtet. Sie ging gleich ins Bad, hatte das starke Bedürfnis zu duschen. Die Bluse mit den Blutflecken warf sie ihm zu. »Heb das auf, wegen der Blutgruppenbestimmung«, rief sie. Dann rauschte die Dusche eine ganze Weile. In einen Bademantel gehüllt kam sie ins Wohnzimmer zurück. »So, jetzt geht’s mir besser«, sagte sie.

      Peter betrachtete noch mal genau ihren Hals: starke Blutergüsse, auch Kratzer und Schwellungen. »Ich krieg’ dieses Schwein«, sagte er wieder wütend.

      »Jetzt werde ich ein Schlafmittel nehmen«, sagte sie, »und ein Tee mit viel Rum wird uns

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