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daraufhin der Kriminalbeamtin, daß der Innenminister im Falle »Bisambergbestie« die Bildung einer Sonderkommission angeordnet hatte. Offenbar unter dem Druck der Presse sollte eine solche Kommission die Ermittlungen in diesem Fall koordinieren. »Die Zusammensetzung der Sonderkommission steht noch nicht fest, die einzelnen Mitglieder aus Polizei und Gendarmerie werden vom Ministerium bestimmt«, sagte der Hofrat.

      Während er noch einmal seinen Unmut äußerte, klopfte es an der Tür, und ein junger Mann trat ein, grüßte freundlich. Er trug Bluejeans, darüber ein Jeanshemd mit aufgesetzten Taschen, die Ärmel hochgekrempelt. In einer Hand hatte er eine Plastiktasche.

      »Sie wünschen bitte?« fragte der Hofrat knapp.

      »Eigentlich nichts«, lächelte der junge Mann. »Ich soll mich hier zum Dienst melden. Mein Name ist Peter Brucker.«

      Der Hofrat blickte scharf über seinen Brillenrand.

      »Ach, Sie sind der Neue«, sagte er nur. Dann zu Birgit Herzog: »Der Chefinspektor soll sofort zu mir kommen, wenn er zurück ist.« Dann ging er. Unter der Tür drehte er sich noch einmal um. »Haben Sie keine Krawatte?« fragte er Brucker in scharfem Ton.

      »Sogar fünf habe ich«, lächelte dieser, »sogar fünf.« Der Hofrat knallte die Tür zu.

      »Wer war denn dieser Komiker?« fragte Brucker die Kriminalbeamtin. Mit unterdrücktem Lachen sagte sie: »Das war Hofrat Putner, der Leiter des Sicherheitsbüros.«

      »Sieht so aus, als ob er mich nicht mag«, meinte Brucker unbekümmert. »Beruht aber ganz auf Gegenseitigkeit«, lächelte er wieder. »Und darf ich wissen, wer Sie sind?«

      »Biggi Herzog, ich bin Kriminalbeamtin. Leider die einzige.«

      »Tag, Biggi«, sagte er und streckte ihr die Hand hin. »Man sieht Ihnen an, daß Sie mehr kriminalistischen Verstand unter dem Rock haben als der Hofrat im Kopf.«

      Sie wußte nicht, ob sie beleidigt reagieren oder lachen sollte.

      »Bitte fassen Sie das als Kompliment auf«, sagte Brucker.

      Da mußte Biggi doch laut und herzlich lachen.

      Nachdem die Situation nun einigermaßen entspannt war, wollte Brucker wissen, ob es hier so etwas wie einen Schreibtisch für ihn gäbe. »Der Tisch dort in der Ecke«, sagte Biggi, »er wackelt zwar ein bißchen, aber daran gewöhnen Sie sich.«

      Brucker ging in die Ecke.

      »Das also ist mein neuer Arbeitsplatz«, sinnierte er. Der Schreibtisch wackelte wirklich beträchtlich. »Gibt es hier auch eine Dienstvorschrift für Kriminalbeamte?« Die Frage kam einigermaßen überraschend.

      »Dort im Bücherregal, ganz rechts oben, in Leder gebunden«, sagte die Kriminalbeamtin.

      Brucker holte sich das Büchlein.

      Er ging wieder zu seinem Schreibtisch, schob die Dienstvorschrift unter das kürzere Tischbein. »Paßt genau«, sagte er. »Ich hab’ schon immer gewußt, daß eine Dienstvorschrift praktisch anwendbar sein kann.«

      Peter Brucker wurde 1952 in Wien als uneheliches Kind geboren, seinen Vater hatte er nie kennengelernt. Die Mutter sprach wenig über ihn. Sie arbeitete als Verkäuferin in einem Textilgeschäft, und der kleine Peter war tagsüber in einem Kinderhort. Abends holte ihn seine Mutter dort ab. Die Wochenenden und Feiertage verbrachte er ganz bei ihr. Mit sechzehn begann er eine Lehre als Schlosser. Erst ab dieser Zeit vergaß er allmählich den Makel seiner unehelichen Geburt und die hämischen Fragen taktloser Mitschüler nach seinem Vater. Er war ein schlanker, gutaussehender junger Mann mit großem Interesse an Sport. Er spielte Tennis und Fußball in einem Unterklassenverein und träumte davon, einmal ein Profi zu werden.

      Daraus wurde nichts, denn nach Abschluß seiner Lehrzeit fand er eine Stelle in einer Autofabrik und hatte viel zuwenig Zeit für ein geregeltes Training. Drei Jahre arbeitete er dort, dann spielte seine Mannschaft eines Sonntags gegen eine Mannschaft der Polizei. Unter seinen Gegenspielern waren ein paar nette Burschen, zu denen sich eine Art Freundschaft entwickelte. Er interessierte sich für deren Arbeit, und sie rieten ihm, sich doch einfach bei der Polizei zu bewerben. So absolvierte er die Eignungsprüfungen und besuchte dann zwei Jahre die Polizeischule. Anschließend fand er eine Stelle auf einem Kommissariats-Wachzimmer. In der Polizeischule wurde viel Wert auf körperliche Ertüchtigung gelegt, man trainierte hart, sehr zur Freude des jungen Brucker. Seit drei Jahren war er stolzer Titelverteidiger des österreichischen Polizei-Fünfkampfmeisters.

      Abgesehen vom Sport interessierte sich Peter Brucker vorwiegend für zwei Gebiete. Erstens für das weibliche Geschlecht und zweitens für Psychologie. So selbstverständlich das eine war, so ungewöhnlich war das andere Hobby bei einem jungen Mann. Mit beidem befaßte er sich in Theorie und Praxis gleichermaßen intensiv, wenn auch seine praktischen Aktivitäten bei den Weibern bei weitem überwogen. Mit der Psychologie war das umgekehrt, da hatte mangels praktischer Möglichkeiten die Theorie Vorrang. Immerhin studierte er sehr ernsthaft die Werke von Wertheimer, Köhler und natürlich die von Sigmund Freud.

      Seine Mutter hatte mittlerweile einen Lebensgefährten gefunden. Um die beiden nicht zu stören, und wohl auch, um selbst nicht gestört zu werden, mietete er sich eine kleine Junggesellenwohnung. Sie bestand nur aus einem einzigen Raum und einer Duschkammer, entsprach aber ansonsten all seinen Wünschen. Die Einrichtung bestand aus einem riesigen Bett mit vielen Decken und Polstern, daneben hatte er quer durch das Zimmer eine Hängematte gespannt. An der Wand hatte er ein Regal mit vielen Büchern festgemacht. Das war alles. Kleider, Schuhe und andere weniger wichtige Gegenstände des täglichen Lebens wurden mehr oder minder sorgfältig in den Zimmerecken verstaut.

      Als Chefinspektor Fichtl von dem Gendarmerieposten Bisamberg zurück in sein Büro kam, hatte Hofrat Putner bereits zweimal nach ihm telefoniert. So blieb Fichtl gerade so viel Zeit, seinem Schützling Brukker die Hand zu drücken und eine Zigarette zu rauchen. Dann ging er hinüber in das Büro des Abteilungsleiters. Er blieb fast eine Stunde dort. Biggi Herzog meinte, das verheiße nichts Gutes. Und sie sollte recht behalten.

      Als Fichtl in sein eigenes Büro zurückkam, schenkte er sich erst einmal einen Schnaps ein. Einen doppelten. Er trank langsam und wortlos. Das war bei ihm üblich, wenn er ein ernstes dienstliches Problem hatte. Beim zweiten Glas schilderte er seinen Mitarbeitern die Situation:

      Die Sonderkommission zur »Bisambergbestie« war konstituiert, sie bestand aus sechs Mitgliedern: einem Gendarmeriegeneral, einem Gendarmerieoberst, einem Ministerialrat des Innenministeriums und dem Hofrat Putner vom Sicherheitsbüro, dem Chef des Gerichtsmedizinischen Instituts und zuletzt – und das war für Fichtl das schlimmste – aus einem Psychiater. Die Kommission würde ab morgen täglich um 10 Uhr zusammentreten, um den Stand der Ermittlungen zu diskutieren und die weiteren Fahndungsmaßnahmen zu beschließen.

      Mit anderen Worten: Fichtl mußte Hofrat Putner täglich um 9 Uhr berichten und gegen elf die Weisungen der Kommission in Empfang nehmen. Er hielt überhaupt nichts von dem Ganzen, denn was sollte schon dabei herauskommen, wenn ein halbes Dutzend Theoretiker gescheit und wissenschaftlich daherredet. Leute, die ihre kriminalistischen Kenntnisse aus Lehrbüchern, Fachschriften oder Seminaren geschöpft hatten. Und von denen keiner auch nur einen Fahrraddiebstahl geklärt hatte.

      Dabei hatte der Tag für Fichtl so hoffnungsvoll begonnen. Der Bisamberger Postenkommandant, den er getroffen hatte, hieß Hans Binder und war ein Mann ganz nach dem Geschmack des Chefinspektors. Ein Praktiker, der das Leben und auch die Menschen in seiner Abteilung kannte, dem gesunder Hausverstand über alles ging. Die beiden hatten sich vom ersten Augenblick an gut verstanden. Als Fichtl erzählte, daß nach Ansicht seiner Kriminalbeamtin der Verbrecher eventuell von der Ermordeten erkannt worden war, hatte Binder zustimmend genickt. Beide hatten daraufhin beschlossen, daß der Postenkommandant sich nun auf den Bekanntenkreis der Maria Weber konzentrieren werde. Auch vereinbarte man gemeinsame Nachtstreifen in der kritischen Gegend zu den kritischen Zeiten. Der Erfolg dieses Unternehmens fand sich aber jetzt, da die Sonderkommission das Sagen hatte, in Frage gestellt.

      »Was haben denn die Gescheitwascheln in der Kommission vor?« fragte Biggi, nachdem Fichtl ihr von der Zusammenkunft

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