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hat mir gerade noch gefehlt!« rief er und warf die Zeitungen auf einen Schreibtisch. »Diese verdammten Zeitungsfritzen! Das müßt ihr lesen … hier … Die Bestie vom Bisamberg hat wieder zugeschlagen! Grauenvoller Sexualmord in Stammersdorf! Polizei unfähig und hilflos! … nach dem siebten Überfall der Bestie …!«

      Chefinspektor Fichtl blieb gelassen. Er kannte diese Pressemeldungen, sie regten ihn nicht mehr auf. »Wir werden ihn schon kriegen, Hofrat«, meinte er nur.

      Dieser Satz beruhigte den Hofrat natürlich nicht, doch er hörte wenigstens auf zu schimpfen und wechselte das Thema. »Hat sich der Neue noch nicht gemeldet, dieser Inspektor Brucker?« fragte er nervös.

      »Der tritt seinen Dienst doch erst morgen an«, antwortete Fichtl ruhig.

      Der junge Peter Brucker hatte den einjährigen Lehrgang für Kriminalbeamte und die vorgeschriebene Abschlußprüfung eben erst bestanden und war von der Personalabteilung dem Sicherheitsbüro zugeteilt worden. Was außergewöhnlich war, denn das SB ist eine Art Elitetruppe bei der Kripo, und man mußte zuvor auf den Bezirks-Kommissariaten seine Meriten erworben haben, um dorthin versetzt zu werden. Es war Chefinspektor Fichtl gewesen, der seinen ganzen Einfluß geltend gemacht hatte, diesen Brucker in seine Abteilung zu bekommen. Das aber wußte Hofrat Putner nicht.

      »Da ist die Personalakte des jungen Herrn«, sagte er anklagend. »Na, da haben wir ja einen schönen Fang gemacht! Ich habe die Akte gelesen. Neigt zur Oberflächlichkeit und Unpünktlichkeit, steht da drin. Und als sehr eigenwillig wird er beschrieben, und von seinen Vorgesetzten nimmt er wenig Notiz, steht da. – Ich verstehe nicht, wie man uns einen solchen Typen überlassen kann!«

      Die Kriminalbeamtin kicherte leise. Sie kannte den Grund von Fichtls Bemühungen. Indigniert verließ der Hofrat das Büro, jetzt lachte Biggi laut. »Bin schon echt neugierig auf deinen Schützling, Chef.«

      »Daß du dich bloß nicht verliebst in den Brucker«, grinste der Chefinspektor, »so wie ich vor einem Jahr.«

      Vor einem Jahr war im 12. Wiener Gemeindebezirk ein Großkaufhaus überfallen worden, kurz nach Ladenschluß. Der unbekannte Täter war mit fast einer Million Schilling geflüchtet. Chefinspektor Fichtl recherchierte am Tatort. Er fluchte, weil gar kein Anhaltspunkt, keine Spuren zu finden waren. Ein dunkel gekleideter Mann mit dunkler Brille war plötzlich wie aus dem Boden gewachsen vor den Kassierern aufgetaucht und hatte mit einer Pistole gedroht, die Geldsäcke geschnappt und war darauf sofort wieder verschwunden. Als die Kassierer den Alarm auslösten, war von dem Täter nichts mehr zu sehen. Nur eine Zeugin, eine ältere Dame, wußte zu berichten, daß auf dem Parkplatz vor dem Kaufhaus, gerade als die Alarmsirenen zu heulen begannen, ein Auto wegfuhr. Es war schon dunkel, und ihr fiel auf, daß der Fahrer die Autoscheinwerfer nicht eingeschaltet hatte. Kennzeichen und Automarke konnte die alte Dame nicht angeben. Ein rotes Auto war es, mehr wußte sie nicht. Diese Nachricht war über Funk an alle Polizisten durchgegeben worden. Es wurden Straßensperren errichtet, und Polizeistreifen kontrollierten alle roten Autos in der Umgebung des Tatortes. Die Chance, den Täter zu finden, war gering.

      Als die Tatbestandsaufnahme schon beendet war und Fichtl und seine Leute im Kommissariat Niederschriften und Berichte tippten, kam der diensthabende Wachkommandant herein und flüsterte Fichtl etwas ins Ohr. »Der Täter sitzt bei uns im Wachzimmer«, sagte er. »Geld und Tatwaffe sind sichergestellt, er ist geständig.«

      Chefinspektor Fichtl glaubte zu träumen.

      Unten im Wachzimmer deutete ein junger Polizist namens Peter Brucker auf einen gefesselten Mann, dann auf die Geldsäcke und eine Pistole. »Das ist der Trottel«, sagte der junge Polizist freundlich. Er hatte den Räuber festgenommen. Fichtl ließ sich den Sachverhalt von ihm unter vier Augen berichten.

      Wachmann Brucker hatte an einer ungeregelten Straßenkreuzung Verkehrsdienst gehabt. Eine Stunde lang hatte er Halte- und Freizeichen gegeben. »Luftmischen« nennt man das bei der Sicherheitswache. Von dem Raubüberfall und der Fahndung nach dem roten Auto hatte er aus seinem Handfunkgerät gehört. Auf dem Weg in sein Wachzimmer mußte er an seinen Wachkommandanten denken, der mit ihm wieder unzufrieden sein würde. Im Rahmen eines sogenannten »Schwerpunktprogramms« sollte unverschlossen abgestellten Autos besondere Aufmerksamkeit gelten. Die hohen Herren Polizeistrategen waren nämlich der Ansicht, daß dieser Leichtsinn an den vielen Autodiebstählen schuld wäre. Der junge Wachmann Brucker teilte diese Ansicht allerdings nicht. Er hatte vor einigen Jahren einen Urlaub auf Zypern verbracht und festgestellt, daß dort kaum jemand sein Auto abschließt. Trotzdem wird selten gestohlen. Weil die Strafe für Diebstahl beträchtlich hoch ist und Diebe geächtet sind. Wachmann Brucker hatte also, im Gegensatz zu seinen Kollegen, noch kein unverschlossen abgestelltes Auto gemeldet.

      Bis er vor einem Wohngebäude eines sichtete, einen roten Opel. Er wollte schon vorbeigehen, als ihm der Raubüberfall im Kaufhaus einfiel. Routinemäßig prüfte er Motorhaube und Auspuff, beides war noch warm.

      Vom Hausmeister des Wohnblocks erfuhr er den Namen des Fahrzeugbesitzers. Ein paar Minuten später läutete er an dessen Wohnungstür. Als geöffnet wurde, grüßte er höflich, murmelte etwas von einer Routinekontrolle und fragte, wie lange der rote Opel schon vor dem Haus stehe.

      Anton Germek, so hieß der Autobesitzer, erklärte überzeugend, daß er den ganzen Tag das Auto noch nicht bewegt habe, und wollte schon die Tür schließen. Das sollte ihm jedoch nicht gelingen. Erschrocken sah er, daß der freundliche Polizist plötzlich eine Pistole in der Hand hielt. Im Nu waren ihm Handschellen angelegt. Die Geldsäcke und die Pistole fand Peter Brucker im Wohnzimmer, Germek hatte ja noch keine Zeit gehabt, beides zu verstecken. Wieso die Polizei ihm so rasch auf die Spur gekommen war, verstand dieser ganz und gar nicht.

      Chefinspektor Fichtl gefiel die Schilderung des Wachmanns ganz ausgezeichnet. Besonders imponierte ihm dessen bescheidene Darstellung, wonach das Ganze purer Zufall war. Er hätte sich ja als Sherlock Holmes aufspielen können, wie das so oft geschieht.

      »Du hörst in den nächsten Tagen von mir, junger Kollege«, sagte der Chefinspektor. Dann befaßte er sich intensiv mit dem immer noch verwirrten Anton Germek.

      Kurz danach erlebte Peter Brucker etwas Erfreuliches: Wegen außergewöhnlicher Dienstleistung wurde ihm ein lobendes Zeugnis überreicht – ein Zeichen besonderer Anerkennung für einen jungen Beamten wie ihn. Fichtl hatte das veranlaßt. Und dann wurde er eines Tages ins Sicherheitsbüro gerufen. Der Chefinspektor hätte mit ihm zu reden.

      Der machte es sehr kurz. »Möchtest du Kriminalbeamter werden?«

      Für Peter kam diese Frage völlig überraschend. »Natürlich möchte ich das«, sagte er. »Die Uniform los sein und mehr Geld verdienen, das wäre nicht schlecht. Aber ich habe doch keine Chance. Soviel ich weiß, kommen auf einen Dienstposten bei der Kripo fünfzig Bewerber. Oder noch mehr.«

      »Bewirb dich trotzdem«, sagte Chefinspektor Fichtl, »alles weitere überlaß mir.«

      »Keine Angst, Chef«, lachte Biggi Herzog. »Ich bin mehr für die reiferen Jahrgänge.« Dann wurde sie ernst. »Willst du den Brucker schon bei der Bisambergbestie einsetzen?« fragte sie.

      Fichtl schüttelte den Kopf. »Zuerst muß er einmal bei uns das Gehen lernen«, sagte er. Dann telefonierte er mit dem Gendarmerieposten der Ortschaft Bisamberg. Er wollte mit dem Postenkommandanten reden. Der war aber im Außendienst. »Dann ruf ich morgen wieder an«, sagte Fichtl und legte auf. »Auf einen Tag wird es wohl jetzt nicht ankommen«, brummte er.

      Am nächsten Morgen klingelte das Telefon, kaum daß Fichtl sein Büro betreten hatte. Es war der Bisamberger Postenkommandant, der meinte, es wäre höchste Zeit, sich einmal zusammenzusetzen. Dieser Meinung war der Chefinspektor ebenfalls und versprach, gleich hinauszufahren, bevor noch irgendein Hofrat oder Gendarmerieoberst etwas anderes anordnen konnte. Fichtl mußte so etwas wie eine Vorahnung gehabt haben, denn kaum war er draußen, kam Hofrat Putner herein und reagierte wie immer ziemlich verärgert, als Birgit Herzog ihm von Fichtls Weggang berichtete.

      »Warum meldet er mir das nicht?« fauchte er. »Immer diese Eigenmächtigkeiten.«

      »Aber Herr Hofrat«, versuchte

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