Скачать книгу

Hofes zur Zeit König Ludwigs II. Erfolge haben konnte. Er stammt aus einer Familie , in der die Abenteuer zu Hause sind. Selbstmord, Zweikampf, Entführung usw. wechseln in bunter Folge.

      Auf König Ludwig hatte er zunächst durch sein anziehendes Äußere gewirkt: er war ein blonder, frischer Mensch von munterem Wesen. Das Wohlgefallen des Königs nutzte er in weitgehendster Weise aus. Er stieg schnell zum Oberstallmeister und Oberjägermeister und hielt sich in seiner Stellung, indem er dem König einerseits durch seine Neigung zu Gewalt Furcht einflößte, anderseits ihm durch seine Gewissenlosigkeit bequem war. Der König brauchte einen Mann, der keine Schwierigkeiten kannte, aus allen Verlegenheiten Auswege wußte und ihm freundlich lächelnd seine goldenen Wagen baute. Einen Mann, der auf die höchste Alphütte goldene Möbel bringen ließ, wenn "Ludwig XIV." daselbst soupieren wollte.

      Holnsteins Bedeutung für Deutschland lag darin, daß er im Jahre 1870 Ludwig II. bewegte, König Wilhelm die Kaiserkrone anzutragen. Er hätte allerdings wohl auch unter Umständen den König Frankreich in die Arme getrieben, wenn dieses Land damals in München einen Mariani zum Vertreter gehabt hätte.

      Durch seine Ehe mit der einzigen Tochter der Baronin Gumppenberg (einer Tochter aus morganatischer Ehe des Prinzen Karl von Bayern) war Graf Holnstein zu viel Vermögen gekommen.

      Bei allen hier ausgezählten Eigenschaften halte ich Holnstein doch für einen Menschen von nicht erloschener weicher Empfindung. Er könnte vielleicht auch als Typus eines Slawen gelten.

      Ich bin völlig davon überzeugt, daß der Kampf, an König Ludwig den Judas zu spielen, ein großer in ihm gewesen ist und daß er in einem Gefühl von Dankbarkeit und Zugehörigkeit gelitten hat. Persönlich habe ich mich von ihm ziemlich ferngehalten. Seine politische Bedeutung für Deutschland und Preußen lag hinter ihm, als ich nach München kam – und menschlich hatte ich keine Berührungspunkte mit ihm.

      Das dritte Mitglied der Kommission, der Reichsrat Graf Törring-Seefeld, ist ein vornehmer, langweiliger, magerer Mann von nüchternem Verstand. Das Motiv, sich der Kommission anzuschließen, lag wohl, wie bei den beiden anderen, nicht nur in der Absicht, das sinkende Schiff rechtzeitig zu verlassen, sondern auch sofort das neue Admiralschiff zu besteigen, und zwar hatte er den Wunsch, sich auf Grund einiger Urkunden in den Kreis der bayerischen Standesherren erheben zu lassen. Er wurde darin von seiner ebenso hochmütigen wie originellen Gattin – geborene Gräfin Paumgarten – eifrig unterstützt. Es ist dieses die Frau, die im Jahre 1871 mit französischen gefangenen Offizieren in ihrem Palais "à une bonne revanche" angestoßen haben soll.

      Baron Washington ist ein großer, starkknochiger, ehrlicher und sehr einfacher Mann, der aus pekuniären Rücksichten die dornenvolle Stellung des Kammerherrn angenommen hatte, die man ihm antrug.

      Legationsrat Dr. Rumpler aus dem Ministerium des Äußern trägt den Kopf mit den straffen Haaren und das bebrillte, glatte, blasse Gesicht tief in den Schultern – er gleicht einem gutmütigen Mephistopheles. Ich kenne ihn persönlich wenig. Hingegen war mir Medizinalrat Dr. von Gudden gut bekannt. Als Vorstand der "zwanglosen Gesellschaft", der ich als Mitglied angehöre, hatte ich Gelegenheit, diesen hervorragenden, liebenswürdigen und klugen Mann kennenzulernen. Er genoß als Irrenarzt einen großen Ruf, und sein ruhiges, klares Wesen war, wie der sanfte, stete Blick seiner Augen, wohl dazu angetan, besänftigend auf seine irren Patienten einzuwirken. Er war ein sehr großer, starker, blonder Mann. Die Treuherzigkeit eines großen Hundes lag in seinem Wesen.

      Sein Assistenzarzt Dr. Müller, der den seit langen Jahren wahnsinnigen Prinzen Otto, den einzigen Bruder des Königs, behandelte, war mir vor dem Eintritt der Katastrophe nicht persönlich bekannt.

      Ich hatte am 9. Juni in Starnberg wenig Ruhe, denn wir standen vor einem Ereignis, das Bayern in die größte Wirrnis stürzen konnte. Die Partei des Königs war trotz seines Wahnsinns stark genug, um dem Ansinnen des Prinzen Luitpold mit Gewalt entgegenzutreten –, wenn der König die Energie finden sollte, nach München zurückzukehren und in einer Proklamation sich an sein Volk zu wenden.

      Am 10. Juni, in frühester Morgenstunde, klopfte mein Diener an die Tür meines Schlafzimmers. "Herr Bahnhof-Inspektor Hartmann wünscht den Herrn Grafen einen Augenblick zu sprechen"; sagte er. Ich sprang in dem Bewußtsein, daß nur eine ernste Nachricht Hartmann bewegen konnte, so früh zu kommen, eilig aus dem Bett.

      "Die ganze Kommission ist vom König eingekerkert und mit dem Tode bedroht", teilte er mir in großer Erregung mit, "der ganze Schwangau ist in Aufruhr, die Baronin Truchseß läßt in Hohenschwangau Sturm läuten –, von den Bergen strömen immer neue Bewaffnete zu. Ich habe die Depeschen, die Starnberg passierten, gelesen und teile Ihnen trotz Verbotes das Faktum mit, da die Folgen unabsehbar sind und Sie in Berlin zeitig Bescheid haben müssen."

      Ich dankte dem gut deutsch gesonnenen Manne, mit dem ich seit meinem alljährlichen Aufenthalt in Starnberg in den besten freundschaftlichen Beziehungen stand, kleidete mich eilig an und fuhr mit dem nächsten Zug nach München, wo ich dem Gesandten Graf Werthern Mitteilung von dem Ereignis machte und für eine Meldung nach Berlin Sorge trug. Die Stadt war völlig ruhig – noch war kein Gerücht von der Einkerkerung der Kommission in das Volk gedrungen. Prinz Luitpold nur befand sich in seinem Palais in unbeschreiblicher Erregung.

      Ich erfuhr später, daß der Prinz völlig fassungslos gewesen sei und nur schwer zu bewegen, die Proklamation von der Regentschaftsübernahme zu erlassen. Auf die dringende Vorstellung des Ministers von Lutz war dieses schließlich geschehen, so daß, als ich München nach einigen Stunden wieder verließ, die Proklamation an den Straßenecken angeschlagen wurde. Zahllose Menschen standen in Gruppen auf den Straßen, das Ereignis der Regentschaftsübernahme besprechend, dessen Tragweite sie bei Unkenntnis von der Verhaftung der Kommission nicht einmal in seiner ganzen Bedeutung ermessen konnten.

      Bei aller Gefahr trug die Einschließung der Abgesandten einen unwiderstehlich komischen Zug für den nicht Beteiligten. Nachdem durch Monate hindurch in Hangen und Bangen das Ereignis der Entmündigung des Königs vorbereitet und nach allen Richtungen erwogen worden war, zogen die sieben Schwaben aus und wurden gefangen! Vielleicht gar von der Baronin Truchseß!

      Wer aber war diese seltsame Dame, die im Schwangau die Sturmglocken läuten ließ?

      Es ist zum Verständnis der kritischen Lage, die eingetreten war, erforderlich, daß ich von der Persönlichkeit und dem Charakter der Baronin Esperanza von Truchseß-Wetzhausen, geborene von Sarachaga y Uria, zu der ich und meine Familie in sehr freundschaftlicher Beziehung stehen, einiges mitteile, ehe ich die sich überstürzenden, fast romanhaften Ereignisse der nächsten merkwürdigen Tage niederschreibe.

      Ihre Großeltern Sarachaga, den vornehmsten baskischen Familien angehörend, gerieten bei dem napoleonischen Feldzug in Spanien in die größte Bedrängnis. Der Großvater verlor sein Leben in den Guerillakämpfen, und die Großmutter, die den Schutz eines französischen Generals, eines geborenen Badensers (dessen Name mir entfallen ist) angerufen hatte, wurde von diesem mit ihren Kindern nach Karlsruhe geschickt, da Spanien für die Sicherheit der Familie keine Garantie gab. Nach Beendigung des Krieges heiratete der General die Witwe, und die Kinder Sarachaga erhielten ihre Erziehung in Baden.

      Sein Sohn, der Vater der Baronin, trat in militärische Dienste und war als eleganter schöner Offizier eine bekannte Persönlichkeit in Karlsruhe. Er vermählte sich mit der Tochter des russischen Gesandten, Fürsten Lobanow, und dieser Ehe war die Baronin Esperanza entsprossen. In jenes berühmte Duell, das über Deutschlands Grenzen hinaus Aufsehen erregte, wurde auch Sarachaga verwickelt. Der jüdische Bankier Louis von Haber hatte sich öffentlich der Gunst der Großherzogin Stephanie von Baden (geb. Beauharnais- Leuchtenberg, Adoptivtochter Napoleons I. gerühmt. Zum Beweis seiner Behauptungen sollte die Großherzogin an einem bestimmten Ballabend ein Bukett tragen, das er hatte binden lassen. Als die Großherzogin den Saal betrat, hielt sie in der Tat das Bukett in der Hand. Infolge dieses Ereignisses entstand eine Reihe blutiger Duelle, die verschiedene Opfer forderten. Unter diesen befand sich auch der Vater der Baronin Truchseß, Sarachaga.

      Nach

Скачать книгу