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Königskrise einen lethargischen Charakter angenommen.

      Das liegt an Prinz Luitpold, dem es an Energie fehlt und dessen Unsicherheit sich dem Ministerium mitteilt.

      Während dieser Schwankungen ist Frankenstein tätig, um das Ministerium Lutz zu Fall zu bringen – nicht etwa, um sofort ein neues Ministerium zu bilden, sondern um aus einem Abenteurerministerium – denn nur ein solches würde jetzt zustande zu bringen sein – als Retter und Phönix aufzutauchen. Ein Ministerium Frankenstein aber bedeutet im Lande Bayern nichts anderes als Sieg reichsfeindlicher Interessen. Ich bin überzeugt, daß Frankenstein in Berlin die schönsten Versprechungen machen wird: er ist zu eitel, um nicht dort eine gewisse Rolle spielen zu wollen. Aber er hat noch eine zweite, persönliche oder Familien-Eitelkeit, die stets den Wert seiner reichstreuen Versprechungen paralysieren wird. Seine fürstliche Gemahlin und die durch das Band des Georgsordens mit ihm verbundene hochadelige schwarze Verwandtschaft haben in seinem Leben eine unüberwindliche Bedeutung.

      Diese unlösbaren und von ihm zu einem Kultus erhobenen Familien-Verbindungen und Traditionen machen es auch unmöglich, daß er je hier als reichstreu angesehen werden kann. Auch das zufriedene Lächeln, das alle reichsfeindlichen Leute aufsetzen, wenn von einem solchen Ministerium gesprochen wird, zeigt mir nur zu klar, was für uns Frankenstein bedeutet. Rechne ich hierzu die alte und unlösbare Intimität von Windhorst und Frankenstein und gedenke ich einer übergroßen Zärtlichkeit zwischen dem französischen Gesandten Mariani und Monsignore Aiuti von der Nuntiatur, der dreimal wöchentlich mit ihm diniert und zugleich sehr gute Beziehungen zu Frankenstein unterhält, so steigen in mir allerhand Zukunftssorgen auf.

      Nicht ohne Absicht haben die Franzosen einen ihrer ausgezeichnetsten Diplomaten nach München gesetzt, und dieser hat sehr richtig erkannt, wo er den Hebel ansetzen muß, um Deutschland unbequem zu werden.

      Daß wir einmal unter Ludwig III. ein ultramontanes Ministerium erleben werden , ist wohl zu erwarten, aber unter der Regentschaft Luitpolds ist es noch nicht nötig. Besonders da der Prinz 100 Jahre alt werden kann – denn er hat eine eiserne Gesundheit. Lutz sagte mir, daß ihn Prinz Luitpold sechsmal das bündigste Versprechen habe aussprechen lassen, daß er für den Fall der Regentschaft das jetzige Ministerium beibehalten wolle. Ein liberales Ministerium aber bedeutet hier: unzweideutige Gemeinschaft mit dem Reiche. Alle liberalen Elemente im Lande sind gut deutsch und der Partikularismus, der hier im katholischen Lande ganz besonders bösartige Formen annimmt, wird nur durch eine liberale Regierung nachdrücklich im Zaum gehalten."

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      Ich suchte in jenen Tagen häufig die Gelegenheit, mit dem Minister Freiherrn von Crailsheim , dem in seiner Stellung als Minister des kgl. Hauses in erster Linie die wichtigsten Entschließungen zufielen, die Lage zu besprechen und drängte zu einer Entscheidung; denn alles Zögern enthielt eine Gefahr. Reichsfeindliche, ultramontane Elemente konnten die Zügel der Regierung ergreifen – oder gar eine Revolution konnte Bayern bedrohen.

      Herr von Crailsheim sagte mir später, daß mein Drängen zu der Entscheidung insofern von großem Einfluß auf die Entwicklung der Dinge gewesen sei, als die Minister meine freundschaftlichen Beziehungen zu Herbert Bismarck kannten und in meinem Auftreten die Interessen der Reichsregierung sahen. Dieses Interesse allein habe vermocht, das Ministerium in seiner ganz außergewöhnlich schwierigen Lage zum Ausharren zu bewegen. Was aber neben der Unentschlossenst der Berechtigten die Entscheidung ernstlich hemmte, war der Umstand, daß die Aussagen, die bisher über den Geisteszustand des Königs von einigen Leuten seiner Umgebung gemacht worden waren – trotz des Gutachtens berühmter Irrenärzte, die an der Geisteskrankheit des Königs nicht zweifelten –, nicht genügend erschienen, um darauf eine Staatsaktion zu gründen. Das Ministerium mußte aber des Hochverrats schuldig sein, wenn die Beweise für die Notwendigkeit einer Aktion gegen den König nicht überwältigend waren.

      Die meisten Diener des Königs verweigerten eine Aussage über seinen Gesundheitszustand. Zumeist, weil sie in einem Wechsel der Regierung ihren Stern sinken sahen, teilweise aus wirklicher Dankbarkeit und Anhänglichkeit, wie sie z.B. der Kammerdiener Meier besaß, dessen Treue trotz der unwürdigen Behandlung durch den König (er durfte sich über ein Jahr nur mit einer Maske zeigen, weil der König seine "widerwärtige Fratze" nicht sehen wollte) – eine außerordentliche war.

      Kabinettsrat von Ziegler, Stallmeister Hornig und einige Stallknechte und Soldaten machten eidliche Aussagen. Letztere führten meistens als Beweis des Wahnsinns Briefe und Äußerungen der Zärtlichkeit an, was auch von anderen Seiten als Material für "Wahnsinn" beigebracht wurde. Doch wollten dieses die Ärzte merkwürdigerweise nicht in dem Gutachten verwerten, das nach der eingetretenen Absetzung des Königs der Volksvertretung vorgelegt werden sollte. Erst nach und nach erklärten sich Diener zu Aussagen bereit, die dem König näher standen, so unter anderen auch der Marstall-Fourier Hesselschwert, der sich früher Freund des Königs nannte und ihn jetzt durch Drohungen einschüchterte. Unter diesen Aussagen befanden sich nun allerdings viele, die den unzweifelhaften Beweis für den Wahnsinn des Königs beibrachten.

      Der Oberstallmeister Graf Holnstein, der mir später mitteilte, daß er mit allen nur erdenklichen Mitteln den eigentlich unhaltbaren Zustand am Hofe König Ludwigs aufrechterhalten, aber bei Beginn des Jahres 1886 eingesehen habe, daß nunmehr unaufhaltsam das Ende hereinbrechen mußte, hatte sich den Ministern völlig zur Verfügung gestellt. Eine Handlungsweise, die ihm von der Partei König Ludwigs schwer verdacht wurde, da alles, was er ist und besitzt, Gnade seines Königs bedeutet. Er versuchte jetzt überall seinen Einfluß geltend zu machen, um Aussagen der Bestätigung für den Wahnsinn des Königs zu erhalten .

      So hatte er auch den Versuch gemacht, den Grafen Dürkheim, Flügeladjutanten des Königs, hierzu zu bewegen. Das war in den ersten Tagen des Juni geschehen, und in denselben Tagen traf ich, im Begriff, von München nach Starnberg zu meiner Familie zu fahren, auf dem Bahnhof mit diesem zusammen.

      Wir kannten uns genau. Er hatte seinen Standort im Schlosse zu Berg, wenn der König in den Bergen weilte, und gemeinsame Fahrten, Besuche des Lawntennis bei der Gräfin Almeida führten uns fast täglich zusammen. Er war sehr erregt, als ich ihm begegnete und unsere Unterhaltung wurde äußerst lebhaft, als er von König Ludwig sprach, gegen den "konspiriert" wurde.

      "Sie sind genau orientiert", sagte er mir, "ich brauche nicht zu schweigen. Aber die Versuche, mich zu Aussagen gegen den König zu veranlassen, werden vergebliche bleiben. Der Kriegsminister hat mich rufen lassen: Ich habe ihm vor Beginn seiner Worte erklärt, daß, wenn er die Absicht habe, mich über den König zu vernehmen, ich diesem eine Meldung machen werde, worauf er mir vom Wetter sprach und mich entließ. Dann hat mich auf dem gestrigen Rennen Holnstein vertraulich unter den Arm gefaßt – obgleich wir keineswegs gut miteinander standen –, und hat mich bewegen wollen, Aussagen über den König zu Protokoll zu geben. Er sagte mir, "wir sollten uns eilen, um die Sache zu Ende zu bringen, damit sich nicht die ›Schweinepreußen‹ hineinmischen". Diese Äußerung, die, wie ich annehmen muß, der Wahrheit entsprach, war natürlich nur darauf berechnet, Holnstein, den er haßt, bei mir zu diskreditieren."

      Als ich Dürkheim bemerkte, daß er vermutlich nichts zu sagen hätte, was den Wahnsinn des Königs bewies, fuhr er fort. "Allerdings nichts! – Aber ich habe die Pflicht, dem König den Hochverrat seiner Minister und Beamten zu melden."

      "Wohin reisen Sie?" fragte ich, innerlich sehr beunruhigt.

      "Nach Steingaden ."

      "Und Sie wollen von dort nach Hohenschwangau hinüberfahren?"

      "Ja."

      Ich fühlte, wie mir das Blut in den Kopf stieg. "Wissen Sie, was dieser Schritt zur Folge haben kann?" fragte ich.

      "Vielleicht die Absetzung der Minister", sagte er.

      "Vielmehr als das", erwiderte ich und setzte ihm auseinander, daß, wenn der König zu gewaltsamen Handlungen provoziert würde, bei dem gegenwärtigen Stand der Dinge die Regierung in München und Prinz Luitpold zu gewaltsamen Gegenmaßregeln

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