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wiedergab, hielt ich für erforderlich zum Verständnis der sich zu einer grauenvollen Katastrophe entwickelnden Ereignisse, die ganz Europa in Aufregung versetzten.

      II.

      Das Entstehen der Krise.

      Im März 1886 trat ich eines Morgens in das Zimmer des Gesandten Grafen Werthern. "Soeben war der Flügeladjutant Dürkheim bei mir", sagte er. "Er legte mir drei Briefe des Königs vor, in denen er Dürkheim beauftragt, in England Geld für ihn zu beschaffen. Der Herzog von Westminster und andere seien in der Lage, die verlangte Summe vorzustrecken. Wenden Sie sich zur Vermittlung der Bekanntschaft an den Botschafter Hatzfeldt (Prussien), schreibt der König wörtlich, aber Dürkheim zieht es vor, durch meine Vermittlung an Hatzfeldt zu gehen."

      Graf Werthern fuhr fort, daß er eine abweisende Antwort von Hatzfeldt besorgen wolle, da man unmöglich die Kalamitäten um eine Schuldenlast erhöhen dürfe. Über diesen Vorfall berichtete der Gesandte nach Berlin. Er hob in seinem Bericht hervor, daß der Inhalt des königlichen Briefes durchaus logisch sei, daß Graf Dürkheim von der völligen Geistesklarheit des Königs überzeugt sei und daß sich die Gerüchte über die ernstlich angegriffenen Geisteskräfte des Königs möglicherweise als böswillige Erfindung derjenigen Partei darstellten, die dem Hause des Prinzen Luitpold bzw. der ultramontanen Partei gefällig sein wollte.

      Diese Meinungsäußerung des Gesandten, der ich deshalb nicht zustimmte, weil sie dem Bilde entgegenlief, das ich mir nach meinen Informationen von dem Geisteszustand des Königs machen mußte, langte zu einer Zeit in Berlin an, als Fürst Bismarck einen eigenhändigen Brief von König Ludwig selbst erhalten hatte, in dem der König den Kanzler bat, ihm einen Rat über die Art zu erteilen, wie er die Verwirrung seiner Finanzen lösen könne.

      Der Fürst, unter dem Eindruck der Vernunft, die sich in dem Schreiben des Königs aussprach, die auch durch den Bericht Wertherns eine Bestätigung zu erhalten schien, aber auch mit der Absicht, ein Ende der unhaltbaren Zustände herbeizuführen, gab dem König den Rat, sich an die Kammern mit dem Auftrag zu wenden, eine Ordnung der Geldverhältnisse herbeizuführen.

      Ob es dem Fürsten Bismarck bekannt war, daß der Unwille und Widerwille innerhalb der Häuser des Landtages bereits zu mächtig geworden war, um von dieser Seite einen Erfolg erhoffen zu können, und ob es ihm bekannt war, daß die Minister seit langer Zeit alles daran setzten, um die Kammern aus dem Spiel zu lassen, da sie von dieser Seite die Herbeiführung einer akuten Krise befürchteten – weiß ich nicht. Jedenfalls war der Rat nicht geeignet, die Klärung zu schaffen, die der König erwartete.

      Durch den Rat des Fürsten aber, den der König sofort befolgte, wurde tatsächlich der drohende Stein ins Rollen gebracht. Minister von Lutz sagte mir: "Der Reichskanzler hat uns eine böse Sache eingerührt, ich weiß nicht, wie wir da hinauskommen werden." –

      Der König befahl – wie mir Lutz vertraulich mitteilte –, es solle eine Einwirkung auf die Volksvertretung erfolgen und an diese das Verlangen gestellt werden, "zur Erfüllung der Untertanenpflicht des Volkes und um diesem wieder die Allerhöchste Gunst zuzuwenden", die Mittel, nicht nur zur Deckung der Schulden der Kabinettskasse, sondern auch die Mittel zum Weiterführen der vom König befohlenen Bauten zur Verfügung zu stellen.

      Das Ministerium trat daher mit den Kammern in vertrauliche Fühlung und Besprechung, die aber, wie zu erwarten war, ein negatives Resultat hatte, indem ein Zweifaches konstatiert wurde, "einmal, daß eine unrefundierliche Leistung von Landesmitteln an die Kabinettskasse nicht die mindeste Aussicht auf Erfolg habe, und daß zweitens auch eine Kreditvorlage, wonach der Kabinettskasse ein verzinsliches und refundierliches Darlehen vom Staate gewährt werden sollte, keine entsprechende Mehrheit in der Abgeordnetenkammer finden würde".

      Wörtlich berichtet das Vorstehende das Gesamtministerium am 5. Mai 1886 in einer den furchtbaren Ernst der Lage in seiner ganzen Wahrheit darlegenden Vorstellung an den König, ihm aber auch Mittel und Wege zu den nötigen Einschränkungen und Ersparnissen zeigend und mit der Bitte schließend, "behufs persönlichen Verkehrs mit der Welt und mit den jeweiligen Trägern seiner Regierung", in seine Residenzstadt zurückzukehren und "sich selbst Ruhe und Frieden, dem Vaterlande aber Glück und Heil zu bescheren".

      Ich habe diese Vorstellung bei Minister Lutz gelesen, die bei aller Devotion der Sprache zwischen den Zeilen die stärksten Anklagen gegen den König enthielten und für den Mut des Ministeriums ein glänzendes Zeugnis ablegt. Denn nicht nur ihre Stellung setzten die Minister aufs Spiel, sondern auch ihre Zukunft konnte durch den zu Gewaltakten neigenden König schwere Schädigung erleiden.

      Das Ministerium blieb auf dieses letzte Wort ohne Erwiderung, aber der König diktierte Lakai Meier für Hesselschwert: "Ich habe jene Meldung verworfen, denn jenem Pack kam es gar nicht zu, sich in Sachen zu mischen, die es nicht im geringsten angehen und für die es gar nicht da ist." Und am 11. Mai schrieb der König eigenhändig an denselben Vertrauten: "Ist die Kammer verstockt, dann auflösen, andere her und das Volk bearbeiten, schnell aber! Rasch vorwärts mit dem Schlafzimmer in Linderhof, St. Hubertuspavillon und mit dem Ausbau der Burg von Herrenwörth und Falkenstein. Mein Lebensglück hängt davon ab. Ziegler soll es erschinden, durchreißen, alle Schwierigkeiten besiegen und alle Hindernisse niederreißen, und baldigst ist die Hauptsache."

      Der König gab aber noch in anderer Weise seinem Zorn über das Ministerium Ausdruck. Er beauftragte einen der Brüder Sedlmaier, den Minister Lutz zu ermorden und verbannte den Finanzminister Riedel nach Amerika.

      Oberstallmeister Graf Holnstein erzählte mir, daß Sedlmaier zu ihm gekommen sei, um zu fragen, wie er seinen Auftrag ausführen solle? Er habe ihm die Antwort erteilt, "die Sache auf sich beruhen zu lassen". Ebenso ließ man den König in der Wahnvorstellung, daß Minister Riedel nach Amerika abgegangen sei. In klareren Augenblicken mag wohl der unglückliche König die erlassenen Befehle völlig vergessen haben.

      In jener Zeit hatte der König auch die Absicht, ein neues Ministerium zu bilden und mit der Durchführung Hesselschwert und den Friseur Hoppe beauftragt. Letzterer, eine echte, ziemlich törichte Friseurseele, fühlte sich selbstverständlich durch seine politische Rolle außerordentlich gehoben.

      Ich erfuhr von diesen seltsamen Vorgängen auf direktem Wege durch Friseur Hoppe selbst. Als ich in jenen Tagen sein Geschäft besuchte und zufällig allein in seinem "Salon" war, teilte er mir (im Flüsterton) mit, "daß er dem Justizminister Fäustle seine Entlassung im Auftrag des Königs überbracht habe". "Und was sagte der Minister?" fragte ich. "Nix", sagte Hoppe und fuhr fort: "Ich habe aber seinem Herrn Schwiegersohn angeboten, die Stelle zu übernehmen".

      Die freundliche Absicht des gutmütigen Hoppe, die Familie Fäustle wenigstens bis zu einem gewissen Grade schadlos zu halten, soll, wie ich nachher vernahm, von dem Herrn Schwiegersohn sehr wenig freundlich bewertet worden sein. Meinerseits hatte ich mich dem Vorbild des vortrefflichen alten Herrn von Fäustle angeschlossen. Ich erwiderte auf Hoppes interessante Mitteilung auch "nix".

      Der Zustand dieser Kalamität wurde nahezu unerträglich durch Intrigen, die die ultramontane Partei nun gegen das liberale und reichsfreundliche Ministerium Lutz in Szene setzte, indem sie die Verlegenheiten und die Lähmung desselben benutzte, durch die Unentschlossenheit des Prinzen Luitpold , des ältesten Agnaten, der das Ministerium bewegen wollte, den entscheidenden Schritt – d.h. wohl also die Absetzung – gegenüber dem König zu tun, während dieses allein den Prinzen dafür berechtigt hielt, durch die Stellung des bayerischen Reichsrates und der Kammern, die als wichtigste Faktoren der Regierung nicht ungefragt gelassen werden konnten und die doch wiederum viele Elemente enthielten, die eine Staatsaktion von so großer Tragweite als Hochverrat erklärt haben würden, wenn sie vor dem fait accompli Kunde von der Absicht der Regierung erhalten haben würden. – Dies alles erhielt die Eingeweihten in der lebhaftesten Spannung.

      Zur Beleuchtung der damals herrschenden Zustände mag hier ein Brief Platz finden, den ich an den Grafen Herbert Bismarck richtete und den dieser seinem

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