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an wen es auch immer sei. Man sollte ihm ein Land suchen, wo er schrankenloser Herrscher sein konnte.

      Professor von Löhr gab sich dazu her, Reisen zu machen, um ein solches Land zu finden. Auf den Kanarischen Inseln, im Griechischen Archipel reiste er umher und schrieb dem König Berichte. Mit Recht erhob man später harte Klage gegen Löhr, der den Wahnsinn des unglücklichen Monarchen benutzte, um schöne Reisen zu machen und sich die Schilderungen von der "Augsburger allgemeinen Zeitung" zahlen zu lassen.

      Vor der Büste der Königin Marie Antoinette verbeugte sich der König stets wie vor einem Heiligenbild – aber er grüßte auch mit tiefer Verehrung stets eine besondere Tanne, einen gewissen Zaun am Wege zwischen Leoni und Ammerland – und er umarmte auch stets eine bestimmte Säule im Vestibül des Linderhof.

      Die Persönlichkeit, die in anderer Weise die Phantasie des wahnsinnigen Königs beschäftigte, war der deutsche Kronprinz. Seitdem die Kriegslorbeeren von 1870 als Feldherr auch der bayerischen Truppen um sein Haupt und nicht um dasjenige König Ludwigs gewunden worden waren, erfüllte unversöhnlicher Haß den unglücklichen Fürsten. Als bei dem Einzug der bayerischen Truppen im Jahre 1871 das Volk dem Sieger von Wörth und Weißenburg überschwenglich zujauchzte, während der König nur den üblichen Beifall friedlicher Tage fand, hatte sein Haß noch eine Steigerung erfahren. Jetzt, in den dunklen Stunden des Wahnsinnes, sann er auf Rache, aber der Gedanke, den Kronprinzen töten zu lassen, schien ihm nicht ausreichend zu sein. Er beauftragte Hesselschwert, eine Bande zu dingen, die den Kronprinzen aufheben und in einen Turm bringen sollte, den er sich am Ammersee hatte bauen lassen. Hier sollte der Kronprinz grausam gemartert werden. Man sollte ihm die Augen ausstechen, ihn an den Rand des Todes bringen – ihm aber das Leben lassen, damit die unaufhörliche Sehnsucht nach Frau und Kindern seine Qualen vermehre. Diese Bande sollte später auch sämtliche Volksvertreter beseitigen, um alsdann das absolute Regiment wieder herstellen zu können.

      Die Gedanken des Mordes und der Gewalt beherrschten den König, sobald irgendeine Person seinen Unwillen erregte. Und er versenkte sich in solche Gedanken mit der ganzen Zügellosigkeit seiner wahnsinnigen Phantasie.

      Als einst die Frau eines Mannes, der kompromittierende Briefe des Königs besaß und deshalb von Graf Holnstein nach Amerika geschickt worden war, nach Hohenschwangau kam und auf Grund jener Schriftstücke einen neuen Erpressungsversuch beabsichtigte, befahl der König, ihr zu sagen, er wolle sie spät am Abend jenseits des Alpsees empfangen. Sie solle dann unterwegs, mitten auf dem See, in das Wasser gestürzt werden.

      Solche Befehle gab er mit allen Details, und in diesem Falle fuhr er wirklich an den verabredeten Punkt, voller Spannung die Ausführung seines Befehls erwartend. Man sagte ihm, die Frau sei entflohen. In Wirklichkeit aber hatten die Zahlung neuer Summen und ernstliche Drohungen die gefährliche Person bestimmt, Hohenschwangau zu verlassen.

      Diese und ähnliche Vorgänge wiederholten sich von Monat zu Monat, und Graf Holnstein war an der Grenze angelangt, da es nicht mehr möglich war, durch Schmerzensgelder, Verschickungen, Versprechungen, Amtsbeförderungen und Drohungen den Schein der Vernunft des Königs zu erhalten. An allen Enden blickte die trostlose Wahrheit heraus.

      Unter diesem, schließlich die ganze Umgebung des Königs belastenden Druck hatten seine Diener ihre Aussagen gemacht und war das Schriftstück entstanden, das die Handhabe zu der Entmündigung des Königs bilden sollte.

      Der entscheidende Schritt aber wurde immer noch durch die Furcht der Prinzen des bayerischen Hauses vor der gewalttätigen Natur des Königs aufgehalten. Es war nicht nur die Erwägung, daß ein Schritt gegen die Majestät dem Gedanken des Königtums einen zu erheblichen Schaden zufügen könnte.

      Ein Brief, den ich schon im September 1885 an Herbert Bismarck schrieb, kennzeichnete auch in dieser Hinsicht die Situation, wie sie jetzt unaufhaltsam eingetreten war. Ich füge ihn hier ein, da er durch seine Details ein getreues Bild der herrschenden Stimmung zu geben vermag.

      München, September 1885.

      "... Aus meinen Berichten werden Sie über die hiesigen Zustände das Nähere erfahren haben. Einiges möchte ich Ihnen privatim mitteilen.

      Die Verhältnisse an dem Hofe des Königs werden immer komplizierter und die Gemüter von Tag zu Tag erregter. Ich habe mich, um orientiert zu bleiben, mit dem einzigen Mann angefreundet, der einen richtigen Einblick in die Privatangelegenheiten des Königs haben und seiner psychopathischen Entwicklung folgen kann, soweit es die Sprünge eines nicht mehr normalen Hirnes gestatten. Es ist der Kabinettsvorstand, Ministerialrat Schneider, ein ruhiger, gewissenhafter Mensch und unermüdlicher Arbeiter. Durch seine Hand geht alles, was an den König herantritt, und alles, was vom König kommt. Die persönlichen Vorträge, die noch im vergangenen Jahre Ministerialrat Ziegler, sein Vorgänger, dem Könige – hinter einer spanischen Wand stehend – zu halten hatte, haben aufgehört. Alles wird schriftlich abgemacht und durch die zur Dienstleistung bei dem König kommandierten Chevauxlegers überbracht. Schneider sieht die Situation sehr ernst an, denn seine unaufhörlichen Beteuerungen, daß der König seinen Regentenpflichten mit Weisheit und Einsicht nachkäme, lassen erkennen, daß er seinen Herrn nicht mehr für normal hält.

      Die durch den König schwer gekränkten Prinzen unternehmen keinen Schritt aus Furcht vor dem Zorn des Tyrannen, der sie unzweifelhaft nach Lindau, Bamberg oder Würzburg verbannen würde, wenn sie ihm Vorstellungen wegen seiner Schuldverhältnisse machen würden. Den Mut aber, einem solchen Befehl zu trotzen und einen Bruch herbeizuführen, haben sie nicht.

      Die Minister warten auf eine Klage gegen die Kabinettskasse und halten den Prinzen Luitpold für denjenigen, der Abhilfe schaffen soll.

      Schneider sagt, daß die Einstellung der Bauarbeiten – wenn der Tagelohn ausgeht – oder der Eingang der Klage bedenkliche Folgen für die Sinnesart des Königs haben würde. (Er glaubt also an den Ausbruch des Wahnsinns.)

      Das Leben des Königs, das immer einsamer wird, und die Art seines Verkehrs mit den Chevauxlegers, die er bald als Freunde behandelt, bald mit Ohrfeigen zur Türe hinauswirft, sprechen für Schneiders Ansicht.

      Von Bedeutung für die weitere Entwicklung der Verhältnisse wird jedenfalls der Eingang einer Klage, d. h. der Moment sein, wenn die Hofkasse aufhört zu funktionieren.

      Dieser Augenblick kann noch hinausgeschoben werden, wenn der König die Verwaltung der Hofkasse einem gewissenlosen Menschen überträgt, denn Prinzen und Minister würden zufrieden sein, wenn ihnen energische Entscheidungen noch eine Weile erspart bleiben.

      Von Seite des Volkes wird kaum etwas geschehen, wenn auch die Erregung eine wachsende ist. Seit den Zeiten der Lola Montez ist in Bayern keine ähnliche Stimmung gewesen, und schrieben wir 1848, so hätten wir in München schon Unruhen gehabt.

      Um Majestätsbeleidigungen aus dem Wege zu gehen, werden in den Bierkneipen die bösesten Geschichten auf den Namen "Huber" erzählt. Die Chevauxlegers spielen dabei eine schlimme Rolle ..."

      Die Furcht der Prinzen vor dem König wurde durch seine Rücksichtslosigkeit und sein hochfahrendes Wesen immer neu genährt.

      Als noch während des regelmäßigen Winteraufenthalts König Ludwigs in der Residenz im Jahre 1882 oder 1883 die Familientafeln stattfanden, hatte einmal Prinz Luitpold seinen Herrn Neffen bei einer solchen festlichen Gelegenheit – der einzigen Gelegenheit, wo die Mitglieder der Familie den König sahen – angeredet. Nach Beendigung der Tafel erschien ein General- Adjutant des Königs bei dem alten Prinzen, um ihm im Allerhöchsten Auftrage mitzuteilen, daß es unschicklich sei, die Majestät ungefragt anzureden.

      Kein Prinz und keine Prinzessin durfte ihren gegenwärtigen Aufenthalt für länger als zwölf Stunden ohne Genehmigung des Königs verlassen. Da aber Mitteilungen an König Ludwig oft tagelang in den Bergen nicht anzubringen waren, entstanden für die hohen Herrschaften bisweilen höchst ärgerliche Situationen.

      Furcht aber verträgt sich selten mit Liebe,

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