Скачать книгу

halten können, für eine, den Aufmarsch der deutschen Armee nur einige Tage verzögernde oder störende Aktion des Königs, jede beliebige Summe zahlen würden.

      Man hat, wie ich oben bemerkte, hinter dem Angebot aus Paris das Haus Orleans vermutet. Ich habe meine Gründe, zu behaupten, daß die französische Regierung jenen Versuch machte, den König zu gewinnen.

      Der französische Gesandte in München, Mariani, ein sehr kleiner, magerer, schielender Mann mit spärlichem schwarzen Vollbart, der Typus des geschmeidigen intrigierenden Franzosen, hatte wohl den Gedanken einer solchen "Bestechung" angeregt. Es lag dieser Gedanke nahe – und Mariani war schlau genug, um ihn praktisch zu verwerten. Königin Isabella, die selbst stets in Schulden steckte, seit sie, verbannt, das Palais Basilewsky in Paris bewohnte, schien ihm wohl eine durchaus verwendbare Mittelsperson zu sein.

      Als mir Minister Crailsheim von dieser Besorgnis Mitteilung machte, drängte ich auf schleunige Entscheidung. Es durfte nicht sein, daß Frankreich auch nur für eine Stunde zu glauben berechtigt wäre, daß ein deutscher Bundesfürst überhaupt in der Lage sei, Verpflichtungen in dieser Richtung einzugehen.

      Herr von Crailsheim stimmte meiner Auffassung bei, kam aber immer wieder auf die alte Ansicht zurück, daß der erste Schritt zu der Entmündigung des unglücklichen Königs durch den Prinzen Luitpold zu machen sei.

      Ich erklärte ihm, daß, wenn bei einer das Ansehen Deutschlands gefährdenden Lage Prinz Luitpold zögern würde, einzugreifen, er die Verantwortung gegenüber den andern Bundesfürsten, d.h. gegenüber ganz Deutschland, zu tragen haben werde.

      Einige Tage darauf teilte Herr von Crailsheim der Gesandtschaft das Gutachten der ärztlichen Autoritäten an der Hand eidlicher Aussagen aus der Umgebung des Königs mit.

      Es war von größter Bedeutung, daß es möglich gewesen war, gerade in diesen Tagen die Beweise für den Wahnsinn des unglücklichen Königs so zu vervollständigen, daß die Agnaten und das Ministerium bei der geplanten Entmündigung des Königs vor der Volksvertretung durch das erdrückende Material, welches das Gutachten enthielt, gerechtfertigt erscheinen mußten.

      Die Aussagen der obengenannten Personen – des Kabinettsrats Ziegler, des Stallmeisters Hornig, der Diener und Stalleute des Königs usw. – stellten unzweifelhaft die völlige geistige Störung des Königs fest.

      Der Inhalt des geheimen Aktenstückes, das ich in Händen gehabt habe und das dazu bestimmt war, einer Kommission des Reichsrats und der II. Kammer vorgelegt zu werden, erschreckt durch die Ungeheuerlichkeiten der Handlungen und Äußerungen des Königs, erregt aber auch dadurch das höchste Erstaunen, daß seine Umgebung fähig war, durch Jahre hindurch Verhältnisse zu verschweigen, die völlig anormal und unhaltbar waren. Wohl fällt es ins Gewicht, daß die Freigebigkeit des Königs seiner Umgebung das Leben angenehm gestaltete und daß die Habgier reiche Nahrung fand. Daß aber körperliche Mißhandlungen, die in zwei Fällen den Tod des Geschädigten zur Folge hatten, daß grausame Strafen und das völlig wahnsinnige, sinnlose Leben des Königs nur als Gerüchte und in unbestimmter Darstellung in das Volk dringen konnten, spricht für eine ganz außergewöhnliche Diskretion aller Beteiligten.

      In erster Linie kommt das in einem solchen Falle etwas zweifelhafte Verdienst dem Oberstallmeister Graf Holnstein zu. Der "Roßober" – wie er im Publikum genannt wurde, hatte den Befehl über das kolossale Material von Menschen, Pferden und Wagen, das der König im Gebirge brauchte. Er gab mir die Höhe seiner ihm untergebenen Stalleute auf etwa 200 an. Ihm gingen alle Klagen über den König zu. Er vertuschte, was zu vertuschen ging, zahlte und besorgte die Schmerzensgelder, expedierte unbequeme und drohende Elemente nach Amerika und hielt diesen tollen Hof, so lange er zu halten ging.

      Von preußischem Standpunkt aus hatten wir uns über diesen jahrelangen Aufschub der Katastrophe nicht zu beklagen, da die reichsfeindlichen ultramontanen Bestrebungen in Bayern während der Regierung König Ludwigs stets zurückgedämmt wurden.

      Es war der atheistische König, der ihnen keine Macht und keinen Einfluß ließ. Nicht etwa seine deutsche Gesinnung war der Motor dieser Politik, wie das deutsche Volk sich seit dem Jahre 1870 zu glauben gewöhnt hatte.

      Der Inhalt des Schriftstückes, das den Wahnsinn des unglücklichen Königs feststellte, übertraf alles, was gerüchtweise darüber in die Öffentlichkeit gedrungen war. Die Handlungen und Äußerungen aber, die man gern als Beweismaterial für die Notwendigkeit einer Regierungsänderung öffentlich mitgeteilt hätte, konnte man nicht bekanntgeben, da sie in zu grauenhafter Weise das Bild des Monarchen, das in so idealer Form im Herzen seines Volkes eingegraben stand, zerstört hätten.

      Man entschloß sich später, nur andeutungsweise Mitteilungen zu machen, wohl aber wurde der Volksvertretung von dem wesentlichen Inhalt des Schriftstückes Kenntnis gegeben.

      Am entsetzlichsten berührte den Leser der Haß des Königs gegen seine Mutter, gegen seinen verstorbenen Vater. In wahnsinnigen Halluzinationen vergriff er sich an den Eltern und erzählte mit Genugtuung von seinen abscheulichen Handlungen den Leuten seiner Umgebung, dem Fourier Hesselschwert, dem Stallknecht Sedlmaier und anderen. "Heute", sagte z. B. der König, "habe ich meiner Mutter eine Wasserflasche auf dem Kopf zerschlagen, habe sie an den Haaren zu Boden gerissen und ihr mit den Hacken auf den Brüsten herumgetreten; – jetzt ist mir wohl!" Oder er erzählte. "Ich bin in der Gruft bei meinem Vater gewesen, habe den Sarg aufgerissen und ihn hinter die Ohren geschlagen. – Das geschieht ihm recht."

      Dieser grauenhafte Haß steigerte sich, je mehr er sich in den Gedanken des absoluten Königtums hineinlebte, je mehr Ludwig XIV. sein Idol wurde – denn König Max war der Begründer der Verfassung, der Volksvertretung und damit der Begründer seines, des Königs Ludwigs "Elendes". Die Königin aber war die Frau des "Verbrechers". Die Schamlosigkeit des Königs ging so weit, daß er seiner Mutter vorwarf, ihn nicht aus der Ehe mit König Max empfangen zu haben!

      Anknüpfend an diesen Haß gegen die Mutter muß ich eine Episode aus dem Jahre 1884 erwähnen.

      ####

      Damals drang als Gerücht die Nachricht zu mir, der König habe auf seinen ehemaligen Vertrauten, den Hofstallmeister Hornig (einen höchst achtungswerten Mann), geschossen, und dieser sei nun definitiv aus dem Dienst in Ungnade entlassen. Ich konnte nicht den wahren Sachverhalt erfahren.

      Jetzt erfuhr ich folgendes: Hornig, ein großer starker Mann, befand sich bei dem König in Schloß Berg. Der König ging im Zimmer auf und nieder, in unflätigster Weise seine Mutter beschimpfend. Hornig hörte in Ungeduld zu, bis ihm das Blut vor Zorn in den Kopf stieg. "Ich kann das nicht länger hören!" rief er aus, "so darf ein Sohn nicht von seiner Mutter reden."

      Der König richtete sich wie ein wildes Tier zum Sprung auf, stürzte Hornig entgegen und krallte ihn tief in die Augenhöhle und Backe. Da übermannte in rasendem Schmerz Hornig die Wut. Er faßte den König unter die Arme und warf ihn mit Hünenkraft in eine Ecke des Zimmers an den Boden. Zitternd und feig begann der König um sein Leben zu flehen. "Ich gebe dir, was du willst – verlange, was du magst. Nur töte mich nicht!"

      Hornig verließ den Unglücklichen und sah ihn nicht wieder. Der König wollte ihn erschießen, als er aus dem Schloß ging, fand aber keinen geladenen Revolver – dann ersann er die strengsten Strafen für ihn – bis in dem zunehmenden Wahnsinn andere Phantasien das Bild Hornigs verdrängten.

      Weniger erschreckend, aber nicht weniger überzeugend für die Krankheit des Königs war seine abgöttische Verehrung für Ludwig XIV. und für die beiden ihm folgenden bourbonischen Könige. Gekleidet wie sie, ritt er in Mondnächten spazieren – bisweilen die Krone auf dem Haupt, den Hermelinmantel um die Schultern. Er hielt Hoftafel, an denen er allein als Ludwig XIV. saß, aber er unterhielt sich mit den Phantomen, die er auf den leeren Stühlen sah und denen die Diener in chinesischer Hofetikette servieren mußten.

      Der Gedanke des absoluten Herrschers hatte sich ihm so sehr eingeprägt, daß ihm

Скачать книгу