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Bülow und leitete schon eine ganze Reihe von Jahren die Münchener Gesandtschaft.

      Er war im Jahre 1816 geboren, also ein Herr von 65 Jahren. Ich meldete mich, den 31 Lebensjahre von ihm trennten, bei diesem liebenswürdigen Vorgesetzten, und der Altersunterschied hinderte uns nicht, bald gute Freundschaft miteinander zu schließen, die wir nicht nur während der Dauer eines sechsjährigen dienstlichen Zusammenlebens, sondern darüber hinaus uns treu bewahrten.

      Werthern war ein Original. Körperlich und geistig beweglich wie ein Jüngling, trug Kleider von seltsamem Schnitt und Hüte von merkwürdiger Form. Er war ein Mann von liberalen Anschauungen und hatte seinen Verkehr fast ausschließlich in der Gesellschaft der Münchener Gelehrten- und Künstlerwelt, zu der auch ich mich mit meinen Anschauungen, Neigungen und Anlagen gezogen fühlte.

      Die sogenannte bayrische "erste" oder Hofgesellschaft war dem Grafen Werthern ein Greuel. Stark antikatholisch (sogar antikirchlich), stand er diesen Kreisen, denen er durch seine vornehme Geburt zugehörte, fast gegensätzlich gegenüber, was bei mir allerdings nicht der Fall war. Ich hatte auch in diesen Kreisen meinen Anhang, wenngleich in jenen Jahren immer noch eine innerliche Verbissenheit die aristokratischen Kreise von der preußischen Gesandtschaft trennte.

      Das Gefühl einer festen Zugehörigkeit zu dem neuen Deutschen Reich war damals nur in jenen Kreisen der Kunst und Wissenschaft zu finden, denen sich Graf Werthern angeschlossen hatte, und zwar so fest, daß er von der Hofgesellschaft kaum mehr als ein Mitglied betrachtet wurde.

      Daran war sehr wesentlich aber die Haltung schuld, die er, bald nach dem Kriege von 1866 in München zum Gesandten ernannt, dort eingenommen hatte. Seine Politik in den schwierigen Jahren nach 1866 war in Bayern so erfolgreich gewesen, daß bei dem Ausbruch des deutsch-französischen Krieges Schwierigkeiten in politischer Hinsicht in Bayern kaum noch zu überwinden waren mit Ausnahme des Königs, den zu gewinnen andere Kräfte mit Erfolg tätig waren.

      Die Münchener altbayrische Aristokratie verzieh dem Grafen Werthern dieses Wirken von 1866 bis 1870 nicht, und auch um mich bewegten sich diese Kreise noch nur wie Katzen um einen heißen Brei.

      Immerhin muß ich sagen, daß man mich und meine Gattin gern sah – während dieses von meinem geistvollen und gütigen Freunde Werthern nicht behauptet werden konnte.

      Als der Schwiegersohn Bismarcks, Graf Kuno Rantzau, durchaus den Münchener Gesandtenposten erhalten sollte, setzte ich mich so energisch für Wertherns Verbleiben in München ein, daß die Regierung Bayerns und der Prinz-Regent für die vorläufige Erhaltung Wertherns einen Schritt in Berlin taten.

      Das hat mir mein alter Freund niemals vergessen.

      Noch nach seinem Rücktritt 1888 suchte er mich gern in Liebenberg auf und bewahrte mir bis zu seinem Tode 1895 seine treue Freundschaft, die mir stets wertvoll geblieben ist.

      Graf Werthern nahm alljährlich zu Anfang des Monats Juni einen Sommerurlaub nach seinem schönen Beichlingen, um dort den privaten Interessen und Geschäften seines Hauses nachzugehen. Erst Anfang Oktober kehrte er nach München zurück. In der Zwischenzeit hatte ich selbständig die Geschäfte der Gesandtschaft zu führen.

      Um meiner Familie die Sommerzeit in der Stadt zu ersparen, mietete ich stets in dem nahen Starnberg ein Quartier, wo wir am Ufer des herrlichen Sees glückliche Zeiten verlebten.

      Der sehr tüchtige und vortreffliche Vorstand der Gesandtschafts- Kanzlei in München, Hofrat Schacht, brachte mir eilige Sachen zur Unterschrift nach Starnberg oder rief mich telegraphisch nach München, wenn meine Anwesenheit dort erforderlich war.

      Das Jahr 1886 sollte jedoch in dieser Hinsicht eine bemerkenswerte Störung erfahren.

      Welcher Art diese war, habe ich in den nachfolgenden Mitteilungen als eines der seltsamsten Erlebnisse meines an merkwürdigen Erlebnissen reichen Lebens aufgezeichnet.

      I.

      Aus dem Privatleben König Ludwigs II. und die finanziellen Schwierigkeiten.

      Die Schulden König Ludwigs waren bis zum Frühjahr 1886 lawinenartig angewachsen. Schon im Jahre 1884 hatte der Finanzminister von Riedel, einer der klügsten Männer, die Bayern hervorgebracht hat, eine Anleihe von 7½ Millionen für die kgl. Kabinettskasse zustande gebracht, allein schon am 29. August 1885 beauftragte ihn wieder der König, eine neue Anleihe von 6½ Millionen herbeizuführen. Die Vorstellung des Ministers, in welcher er die bedrängte Lage der Kabinettskasse darstellte, zog ihm einen Verweis darüber zu, daß er es gewagt habe, sich in dieser Frage direkt "an die Majestät" zu wenden. Dieser Verweis aber wurde ihm durch einen Stalldiener überbracht.

      Herr von Riedel antwortete mit seinem Entlassungsgesuch, dem sich, im Fall der Gewährung, die anderen Minister anschließen wollten – aber in einem gnädigen Schreiben bat der König Herrn von Riedel, in seinem Amte zu bleiben.

      So war die Krise der Kabinettskasse immer schärfer geworden, und es standen bereits gerichtliche Klagen gegen sie in Aussicht.

      Unter diesem Eindruck versuchte der König, sich auf Privatwegen Geld zur Deckung seiner Schulden zu verschaffen. Sein langjähriger intimer Vertrauter, der Marstall-Fourier Hesselschwert , mußte nach Regensburg fahren, um bei dem Fürsten Thurn und Taxis ein Anlehen von 20 Millionen aufzunehmen; dann kamen die Kaiser von Österreich und Brasilien, die Könige von Belgien und Schweden, selbst der Sultan und der Schah von Persien, diese letzteren wenigstens in Gedanken und Plan, an die Reihe. Und würden solche Anleihe-Versuche fehlschlagen, so war Befehl gegeben, Leute zu werben, die bei den Banken in Stuttgart, Frankfurt, Berlin und Paris einbrechen sollten.

      Ein anderer Sendbote, aus dem kgl. Stall, war beauftragt, nach Indien zu einem gewissen Nabob zu gehen, zog es aber vor, die Reisediäten in München beim Biere zu verzehren und schließlich zu erklären, der Nabob sei vor seiner Ankunft in Indien an der Cholera gestorben.

      Bei dieser öffentlich allenthalben besprochenen Kalamität gingen die Bestellungen und Aufträge des Königs ihren gewohnten Gang. Namhafte Künstler, wie Hermann Kaulbach u.a. erhielten Aufträge, Skizzen für die Ausschmückung des Schlosses Falkenstein, das auf einem fast unzugänglichen Berggipfel in Tirol gebaut werden sollte, zu liefern. Außerdem lagen Baupläne für ein chinesisches Schloß vor, die der Kgl. Baumeister Prantl entworfen hatte.

      Dieser spielte in den letzten Lebensjahren des Königs eine sehr verderbliche Rolle. Er war das billige Werkzeug bei der Ausführung aller Bauten, die die wahnsinnige Phantasie des unglücklichen Monarchen ersann und wußte sich dabei geschickt in der Gunst des Königs zu erhalten, indem er diesem Vorschüsse aus seinen riesigen Einkünften bei der Leitung der Schloßbauten machte. Er bot mehrfach sogar dem König einen Kredit von 1–2 Millionen an – während er doch vor der Übernahme der Kgl. Bauten nicht das geringste Vermögen besaß. Durch diese Art, seine "Treue" zu zeigen, war es ihm geglückt, sich bis zum Lebensende des Königs dessen Vertrauen zu bewahren. Denn noch als der König in den Tagen der Junikrise in Schwanstein über seinen Tod brütete, telegraphierte er an Prantl, ihm zu Hilfe zu kommen. Aber er ließ seinen Herrn im Stich, weil das "Geschäft" zu Ende war.

      Der König beschäftigte sich nicht nur mit seinen Bauplänen, sondern besonders auch mit den Details der Ausschmückung seiner Schlösser . Das erweckte lange Zeit den Eindruck, als befasse er sich ausschließlich mit der Kunst. So entwarf er selbst den Plan für den großen Pfau in Edelsteinen, der als Mosaik den Fußboden des Prunksaales von Falkenstein schmücken und aus Diamanten, Rubinen und Smaragden bestehen sollte, während sein Wert auf mehr als 250 000 M. bemessen war. Es erregte solcher Luxus wohl Kopfschütteln; aber es war sein völlig abgeschlossenes Leben, dazu sein ausschließlicher Verkehr mit Menschen, die tief in ihrer Bildung und sozialen Stellung unter ihm standen, worüber die Bevölkerung allmählich in Unruhe geriet, ohne doch in ihrer großen Loyalität darüber laut zu werden.

      Noch im Jahre

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