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Die wichtigsten Werke von Julius Wolff. Julius Wolff
Читать онлайн.Название Die wichtigsten Werke von Julius Wolff
Год выпуска 0
isbn 9788027225194
Автор произведения Julius Wolff
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Dann führte man ihn an die Grenze des zuständigen Bezirkes, lieferte ihn aber nicht dem Fronboten aus, sondern band ihn mit einem Zwirnsfaden an den Grenzpfahl und überließ ihn dort seinem Schicksal, das ja nun die in der Hand hatten, deren Gerichtsbarkeit er damit übergeben war. Sobald sich aber die Häscher entfernt hatten, löste der Angebundene mit Leichtigkeit seine dünnen Fesseln und entsprang, aller Strafe frei und ledig, und kein Hahn krähte danach.«
»Das gehört in das Fremdlingsrecht, Eike,« bemerkte der Graf.
»Werde mich hüten, einer solchen Art von Rechtspflege irgendwelchen Vorschub zu leisten,« versetzte Eike. »Aber hört von einem anderen Brauche, der für die tief eingewurzelte Heiligkeit des Hausfriedens ein beredtes Zeugnis gibt. Ehemals war es in Dörfern und einsamen Gehöften allgemeine Sitte, nachts die Haustür auszuhängen und den Eingang für jeden, den es danach gelüsten sollte, frei und offen zu lassen. Niemand wagte es, die Schwelle zu überschreiten, so hoch und unverbrüchlich ehrte man dieses blinde Vertrauen.«
»Ein schöner Zug deutschen Volkslebens,« sagte der Graf, »aber ich lasse mein Außentor lieber nicht offen stehen, obwohl ich gegenwärtig keinen bösen Feind zu fürchten habe.«
»Des Ritters Dowald von Ascharien wegen, denkst du. Ja, der könnte vielleicht einmal bei Nacht und Nebel einreiten,« lachte die Gräfin.
»Richtig! Der brächte das fertig, wenn er wüsste, dass die Brücke nicht aufgezogen ist.« —
Es war spät geworden und beinahe dunkel. Aber sie wollten auf dem Altan weder Fackeln noch Kerzen haben; die silbernen Trinkgeräte blinkten noch sichtbar genug, und der Becher fand auch ohne Beleuchtung unfehlbar den Weg zum Munde. Trotzdem und obgleich es windstill und auch noch warm war, riet die Gräfin bald zum Aufbruch um ihres Gatten willen, dessen Herzen ein noch längeres Trinken schädlich werden konnte.
»Schon?« meinte der Graf, »es sitzt sich so wohlig hier, und ich bin in Eurem scharfen Geplänkel kaum zu Worte gekommen. Auch ist uns Eike noch manches Wichtige schuldig geblieben; vom Lehnsrecht, vom Land-, Stadt- und Weichbildrecht hat er uns bis jetzt noch gar nichts gesagt.«
»Das kann er ein andermal nachholen,« erwiderte die Gräfin, »heute hat er uns aus seinem reichen Wissen schon die Hülle und Fülle geboten. Wir werden stets mit Freuden seinen weiteren Mitteilungen lauschen und dürfen darauf hoffen; nicht wahr, Herr von Repgow?«
»Gewiss, Frau Gräfin! Ich bin jederzeit gern bereit dazu,« versicherte Eike. »Nur möchte ich Euch nicht mit Aufdeckung zu vieler Einzelheiten ermüden. Ich kann Euch doch nicht alle Kapitel meines Buches in endloser Reihe vorführen mit den unzähligen verschiedenen Rechten, die ich dazu gesammelt und den Anschauungen und Anforderungen der Gegenwart gemäß bearbeitet und ausgebildet habe.«
»Ich füge mich, für heute sei es genug,« sagte der Graf und sträubte sich nicht länger gegen den Vorschlag seiner Gemahlin, sich zur Ruhe zu begeben. Unten im Garten wartete schon Folkmar mit einer Laterne, um für die Herrschaften die Pfade zur Burg hinein genügend zu erhellen.
Sie erhoben sich vom Tisch, alle drei der Freude voll über diesen so schön verlebten Abend, und traten, als könnten sie sich noch nicht trennen, an die Brüstung, von wo aus jedoch nichts mehr zu sehen war als die oberen Umrisse der Berge, wie sie sich matt vom Himmel abzeichneten. Im Tal und über allen Wipfeln und Gipfeln träumte die von Sternenglanz durchflimmerte Frühlingsnacht.
Sechstes Kapitel.
Die Tage auf der Burg zogen einer wie der andere gleichmäßig vorüber, und zwischen den gräflichen Wirten und ihrem Gaste waltete fröhliche Eintracht. Eike war rastlos an der Arbeit und diktierte Wilfred bald aus dem Kopf in die Feder, bald ließ er ihn Abschrift machen von dem, was er selber schon im Ausdruck fertig mit vielen Änderungen und Verbesserungen zwischen den Zeilen zu Papier gebracht hatte.
Selten kam bei Tische die Rede wieder auf das Buch und dann nur mit wenigen Worten, weil Eike erregte Auseinandersetzungen über strittige Punkte aus Rücksicht auf die Gräfin vermeiden wollte, so gern er auch ihre oft treffenden Bemerkungen anhörte, die sogar manchmal zu noch größerer Klärung seiner eigenen Ausführungen beitrugen.
Ihre Einwände gegen Eikes Beurteilung mancher Dinge flossen aus zwei verschiedenen Quellen. Einerseits aus der streng kirchlichen Richtung, in der sie von klein auf erzogen war, und andernteils aus den geschichtlichen Überlieferungen ihrer Vorfahren, denn ihre Mutter war der Sprössling einer lombardischen Adelsfamilie. Die Lombarden aber waren seit Menschenaltern die unversöhnlichen Gegner der Hohenstaufen und daher voreingenommen und widerspenstig gegen alles, was die deutschen Kaiser anordneten, begünstigten und beschütztem Diese auch gegen Friedrich II. aufsässige Gesinnung hatte sich auf Gerlinde vererbt.
Die südländische Abstammung verriet schon ihr Äußeres. Sie hatte schwarzes Haar, dunkle, glutvolle Augen und eine ins Bräunliche spielende Hautfarbe.
Aber auch ihre lebhafte Art im Sprechen und Sichgeben deutete auf Heißblütigkeit und Leidenschaftlichkeit als angeborene Eigenschaften der italienischen Rasse. Sie konnte die stolz gebietende Herrin herauskehren, aber auch von heiterer Natürlichkeit und Herzensgüte sein gegen alle Insassen der Burg, die mit nie wankender Treue an ihr hingen und jedem ihrer Befehle freudig gehorchten.
Als sie Gräfin von Falkenstein geworden war, hatte sie das Schloss ausgerüstet mit allem, was das Leben angenehm und genussreich machen konnte, vorgefunden, hatte aber auch das Ihrige getan, diesen Zustand zu erhalten, und der Ausschmückung der Wohnräume noch manches ergänzende und verschönernde Gerät hinzu gefügt. Das größte Gemach in der Burg hieß der Speisesaal, weil die Herrschaften dort zu speisen pflegten, aber die Bezeichnung Saal verdiente es kaum, denn es war nur von mäßigem Umfang, doch immerhin größer als alle anderen. Man hatte bereits Glasfenster auf dem Falkenstein, auch farbige und mit gemusterten Vorhängen versehene. Die Wände der Gemächer waren entweder bemalt mit figürlichen Darstellungen aus der heiligen Legende und dem sächsischen Sagenkreise oder mit kostbaren Geweben, sogenannten ‘heidnischen Teppichen’ aus dem Morgenlande bedeckt. Auch die auf Kragsteinen oder Säulen ruhenden Rauchmäntel der Kamine, in denen beim flackernden Feuer mit Thymian und Wacholder geräuchert wurde, waren mit Malereien oder breiten, bestickten Borten verziert, und von den Gewölben schwebten hölzerne Kronleuchter, aus deren Stacheln dicke Kerzen gespießt waren. Über die schweren Tische und die geschnitzten Truhen waren bunte Tücher gebreitet und Rückelaken über die Lehnen der Sessel, zumeist Gerlindes eigenhändige Arbeit, weil sie sich viel und gern mit kunstfertigen Stickereien beschäftigte
Aber auch in ihrer persönlichen Erscheinung bewies Gräfin Gerlinde erlesenen Geschmack und Schönheitssinn und verstand es, sich gut zu kleiden. Ihre hochgebaute Gestalt mit den herrlichen Gliedern war meist in ein hell schimmerndes Gewand gehüllt, das von einem mit blitzenden Steinen besetzten, vorn lang niederhängenden Gürtel umschlossen war und in weichen Falten zu den Füßen hinabfloss. Das Haar trug sie gewöhnlich aufgelöst, dass es ihr in seiner üppigen Fülle frei über Nacken und Rücken wallte, um die Stirn aber ein Schapel, ein einfaches Band oder einen schmalen Goldreif, im Sommer auch wohl einen Kranz von Blumen oder frischem Laub.
Zu ihrem liebsten Zeitvertreib gehörten außer der Stickerei vornehmlich Gesang und Harfenspiel, die nicht nur ihr selber Freude machten, sondern auch dem Gottesdienst in der Kapelle zustattenkamen. Graf Hoyer duldete nämlich seit Jahren keinen Burgkaplan mehr auf dem Falkenstein, weil er mit dem zuletzt angestellten eine schlimme Erfahrung machen musste, die ihn zur sofortigen Entlassung des Pflichtvergessenen bewogen und ihm dieses allgemein übliche Hofamt verleidet hatte. Seitdem hielt er die sonntäglichen Andachten in der Kapelle selber ab.
Auf einem schönen Kissen von Brokat, in den Blumen ranken mit darin sitzenden Vögeln eingewebt waren, kniete er vor dem Altar und betete seiner kleinen Burggemeinde das Pater noster, das Ave Maria und die Litanei vor, wozu die Versammelten die Responsorien murmelten. Bisweilen kam ein Mönch aus dem Kloster Hagenrode, nahe bei· Harzgerode, und las die Messe.