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Bischof werdet, Herr, empfehle ich mich Euch als Tonsor; unterm Krummstab lebt sich’s lustig.«

      Ein frecher Bursche! dachte Eike und forschte weiter, ob er auch Federn geschnitten hätte.

      »Auch das,« erwiderte der Schreiber ungeduldig, »Gänsefedern und Rabenfedern, spitze und breite, je nach Bedarf, und Pinsel hab’ ich auch nebst Farben und Goldpigment, alles fix und fertig.«

      »Schön!« sprach Eike, »hier hast du Papier. Nun setze dich und schreibe, was ich dir vorsage; ich möchte deine Handschrift sehen.«

      Der Schreiber nahm Platz, und Eike diktierte: »Zwei Schwerter ließ Gott auf Erden, zu beschirmen die Christenheit. Dem Papste ist gesetzt das geistliche, dem Kaiser das weltliche. Dem Papste ist auch gesetzt, zu beschiedener Zeit auf einem weißen Rosse zu reiten, und der Kaiser soll ihm den Stegreif halten, auf dass der Sattel sich nicht wende.«

      »Ei, dann möchte ich lieber Papst als Kaiser sein,« meinte Wilfred, als er die Zeilen beendet hatte.

      »Hüte dich, dass du nicht einmal rückwärts auf einem Esel reiten musst, statt des Zaumes den Schwanz des Bruder Langohr in der Hand,« duckte Eike den Vorlauten, während er das Geschriebene betrachtete.

      Wilfred schwieg, kaute an der Feder und dachte: Hoppla! Der gelehrte Ritter dünkt sich wohl im kuralischen Sessel zu fahren; da wird es noch Tänze geben zwischen uns.

      »Mit deiner Schrift bin ich zufrieden, sie ist gut,« lobte Eike.

      »Das Papier ist aber auch gut,« erklärte Wilfred.

      »Hat ein großes Handelshaus in Lübeck für mich aus Burgund bezogen,« berichtete Eike.

      »Aus Burgund? Da war ich auch einmal auf meinen Wanderfahrten. Der Wein dort ist köstlich und billig, wenn man ihn nicht bezahlt,« lachte Wilfred, dem das übermütige Vagantenblut noch in den Adern prickelte.

      Sie schichteten und ordneten weiter, wobei Wilfred die Aufschriften der Bündel las, Namen von Gesetzen und Rechten, Willküren, Weistümern und Regesten, die er noch niemals in seinem Leben gehört hatte. Ihm graute davor, sich in sie hineinfinden und mit ihnen vertraut machen zu sollen. Das kann eine recht erbauliche Sache werden, sagte er sich, wo bleibt da meine schöne Mußezeit? Und es war so hübsch ruhig und· friedlich hier auf der Burg, ehe dieser aus der Art geschlagene Ritter auf den unglücklichen Gedanken kam, hier, ausgesucht hier auf dem Falkenstein ein Gesetzbuch schreiben zu wollen.

      Als sämtliche Schriftenbündel in dem Bücherrück übersichtlich untergebracht waren, sprach Eike zu seinem Gehilfen:

      »Ich irre wohl nicht, wenn ich annehme, dass dein dringendstes Arbeitsbedürfnis für diesen Vormittag gestillt ist.«

      »Ich bin jederzeit zu Euren Diensten, Herr,« erwiderte Wilfred höflich und zugleich erfreut über die damit kundgegebene Absicht des Gestrengen, die Kramerei einstellen und die Schreiberei noch nicht beginnen zu wollen. Trotzdem fügte er mit erheucheltem Pflichteifer hinzu:

      »Es ist aber noch lange nicht Mittag.«

      »Weiß wohl,« sagte Eike, »aber zu dem, was ich jetzt zu tun habe, kann ich deines Beistandes entraten. Ich muss mir die zunächst benötigten Schriftstücke aussuchen und zurechtlegen, und dabei kann mir niemand helfen. Du bist also vorläufig deines schätzbaren Dienstes ledig.«

      Nach einer stummen Verbeugung verließ Wilfred das Zimmer mit einer bemerkenswerten Geschwindigkeit.

      Er wollte sich nach seinem im Turm befindlichen Kämmerlein hinaufbegeben und tat dies ganz leise, denn er scheute die auf dem Wege dahin leicht mögliche Begegnung mit einem, dem er lieber auswiche. Der Ritter Dowald von Ascharien, von dessen überraschender Ankunft gestern Abend er gehört hatte, war derjenige, mit dem er ein Wiedersehen vermeiden möchte, denn die beiden konnten sich von einem, allerdings schon einige Zeit zurückliegenden, für Wilfred aber sehr unrühmlichen Abenteuer her. Das sollte ihm nun freilich nicht gelingen. Aufwärts schleichend vernahm er zu seinem Schrecken schon ganz nahe die schweren, hallenden Schritte des noch höher im Turm Wohnenden die Wendeltreppe herabkommen, und gleich darauf standen sie sich gegenüber. Nun konnte er dem Gefürchteten nicht mehr entrinnen. Zum Umkehren war es zu spät, das hätte wie feige Flucht ausgesehen, und an ein schattenhaft stilles Vorbeihuschen war auch nicht zu denken, weil des Ritters feiste Gestalt den engen Treppengang von Wand zu Wand ausfüllte.

      Dowald erkannte den zufällig Gestellten sofort und rief höchst verwundert aus:

      »Wen sehen meine Augen? Wie kommst denn du hierher, du spitzbübischer Landstreicher?«

      »Ich bin hier auf der Burg geboren, Herr Ritter, und bin der Secretarius des Herrn Grafen von Falkenstein,« erwiderte Wilfred, der seine Unverfrorenheit schnell wieder gefunden hatte.

      »Ist die Möglichkeit! Der Sekretarius des Herrn Grafen. Gibt es denn hier so viel Tintenkleckserei zu besorgen?«

      »Augenblicklich bin ich der Amanuensis des Herrn Ritters Eike von Repgow.«

      »Ah, das ist der Fremde, den ich gestern Abend hier antraf. Was tut denn der hier?«

      »Wir schreiben hier ein neues Gesetzbuch,« brüstete sich Wilfred, »ein großes Hauptwerk über die sonderbarsten Rechte.«

      »Wir? Wer sind wir?«

      »Na, ich und der Ritter Eike von Repgow.«

      »So! Du und der Ritter. Was du sagst! Also ihr schreibt hier ein neues Gesetzbuch. Das ist ja sehr merkwürdig.«

      »Ich weiß nicht, ob ich Euch das anvertrauen darf, und, Herr Ritter, ich hab’ eine Bitte an Euch,« sprach Wilfred jetzt demütig und bescheiden. »Verratet nichts von der Judengeschichte damals am Kattenbach. Erinnert Ihr Euch?«

      »Ganz genau, hab’ ein gutes Gedächtnis, Wilfred Bogner. Aber ich bin verschwiegen, werde nichts verraten, weder von dem neuen Gesetzbuch noch von der Judengeschichte. Jetzt lass’ mich vorbei, ich will in den Stall, nach meinem Rosse zu schauen.«

      Wilfred musste umkehren und die Stufen hinabgehen bis zu einem Treppenabsatz, der so viel Raum bot, dass die beiden einander ausbiegen konnten.

      »Ein Unglück kommt selten allein,« knurrte Wilfred, als er wieder treppauf stieg. »Erst der Reppechower, für den ich mir die Finger krumm und lahm schreiben soll, und dann der Ascharier, der den verflixten Vagantenstreich von mir weiß. Aber er will ja schweigen, hat er versprochen.« —

      Kurze Zeit nach dieser für Wilfred peinlichen Begegnung trat Graf Hoyer in Eikes Gemach, um sich bei seinem lieben Gaste umzusehen und ihn zu fragen, ob ihm nicht irgendetwas fehle, worauf ihm Eike die Versicherung gab, dass er sich hier vollkommen wohl und behaglich fühle und ihm nichts zu wünschen übrig bleibe.

      Danach begann der Graf unvermittelt:

      »Eike, mir geht etwas im Kopf herum. Wie werden wir den dickfelligen Ascharier wieder los?«

      »Ich habe auch schon darüber nachgesonnen, Herr Graf,« erwiderte Eike, »und mir ist ein Einfall gekommen, der freilich, wenn seine Ausführung missglückte, in das Gegenteil des erstrebten Zweckes umschlagen könnte.«

      »Lass’ hören!« sagte der Graf gespannt.

      Eike fuhr fort:

      »Ritter Dowald sieht mir nicht danach aus, als ob er sich viel aus schriftlicher Arbeit machte.«

      »Der? Nein!« bestätigte der Graf lachend. »Auf einem Sitz hält er nur aus im Sattel oder beim vollen Humpen. Er schlägt eine gute Klinge und führt auch die Lanze tadellos, aber der Gänsekiel taugt nicht für seine Eisenfaust. Worauf willst du denn damit hinaus?«

      »Auf eine List, Graf Hoyer. Sagt ihm, wir könnten uns hier nicht um ihn kümmern, hätten Tag für Tag von früh bis spät mit der Abschrift eines seltenen und berühmten Kodex zu tun, ein äußerst mühseliges Geschäft, weil die alte Handschrift sehr schwer zu entziffern wäre. Was das für ein Kodex ist, braucht er ja nicht zu wissen, darf überhaupt von dem Gesetzbuche nichts erfahren.«

      »Hm! Und du glaubst,

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