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mit Löchern zum Blasen versehener Stängel Schilfrohr. Das war also die Schalmei, auf welcher der im Grünen Versteckte gedudelt hatte.

      »Hat man auf dem Falkenstein so viel freie Zeit, dass man wie ein Affe auf die Bäume klettert und wie ein Starmatz zwitschert?« redete ihn Eike an.

      »O, ich hätte nichts dagegen einzuwenden, Herr, wenn ich noch mehr Freiheit hätte, um zu tun, was mir beliebt,« erwiderte der andere keck und unverfroren.

      »So bist du gewiss der Wilfred Bogner,« sagte Eike, worauf der richtig Erkannte zustimmend nickte. »Nun, ich kann dir von deinem Überfluss an Muße ein Erkleckliches abnehmen, ich habe Arbeit für dich.«

      »Ach du lieber Gott! Da seid Ihr wohl gar der Ritter Eike von Repgow?« fragte der erst so Fürwitzige nun erschrocken.

      »Du lieber Gott! Ja, der bin ich, wenn du’s mir zugutehalten willst,« sprach Eike belustigt.

      »Darum hat auch der Neck im Ziehbrunnen vor drei Tagen so grausam rumort, und nun ist —«

      »Und nun ist das Unheil da, willst du sagen; danke für den freundlichen prospectus!« lachte Eike. »Der Herr Graf hat mich wohl dem Herrn Sekretarius schon angekündigt?« .

      »Ja freilich, Herr! Ich weiß Bescheid, schreiben soll ich,« gab Wilfred kleinlaut zur Antwort.

      »Richtig! Jetzt komm’ mit und geleite mich durch Umwallung und Tor zu deinem gnädigen Burgherrn,« gebot Eike.

      Er schwang sich in den Sattel, denn er wollte nicht wie ein Säumer mit seinem Packtier, sondern ritterlich hoch zu Ross in die Burg einziehen.

      Wilfred schlich de und wehmütig wie ein geprügelter Hund hinter dem Reiter her. Sie mussten über die Zugbrücke und dann mehrere Tore durchschreiten. Gleich hinter dem ersten enteilte einer der Burgmannen, wahrscheinlich, um die Ankunft des Gastes zu melden.

      Im Burghofe wies Eike zum Brunnen hin und sagte:

      »Nun horche mal hinab, ob der Neck da unten nicht singt vor Freude, dass ich gekommen bin.«

      Wilfred beugte sich über den Rand des Brunnengemäuers und tat so, als ob er dem Befehle Folge leistete.

      »Ich höre nichts,« sprach er mit einem boshaften Grinsen.

      Eike sprang aus den Bügeln, ein Knecht nahm ihm das Pferd ab und schnallte den Mantelsack los. Als Eike sich umwandte, trat ihm aus einer Tür Graf Hoyer mit ausgestreckten Armen entgegen.

      »Bist du endlich da, Eike?« rief er freudig, »mit welcher Ungeduld haben wir deiner geharrt! Komm’, die Gräfin erwartet dich oben.«

      Als Eike sah, dass der Knecht sein Pferd in den Stall brachte, fragte er:

      »Auf welche Weise kann ich den Braunen morgen nach Hause schicken?«

      »Den lass’ nur hier,« erwiderte der Graf. »Er soll bis an den Bauch im Stroh und bis über die Naslöcher im Hafer stehen. Ein tüchtiger Reiseklepper!« fügte er hinzu, das starkknochige Tier musternd.

      »Ich habe viele Meilen zwischen Rhein und Elbe mit ihm zurückgelegt,« sprach Eike, »bin bei Schöffen, Schultheißen und Bauermeistern mit ihm gewesen, und er hat bei mancher Unterredung aus dem Stegreif über Land und Lehnrecht die Ohren gespitzt.«

      Sie stiegen eine steinerne Wendeltreppe hinan. Oben führte der Graf den Freund in ein reich ausgestattetes Empfangsgemach, und Eike stand, betroffen, sprachlos vor Staunen, einer schönen, jungen Frau gegenüber.

      »Auch die Burgfrau heißt den Gast ihres Gatten will kommen,« sagte sie, nicht steif und hoffärtig, aber doch etwas gemessen und sichtlich selber überrascht über die stattliche, fast jugendliche Erscheinung des Ankömmlings, den sie sich ganz anders gedacht hatte.

      Eike konnte ihr nur mit einigen kurzen, verbindlichen Worten danken, auf die sie erwiderte:

      »Ich möchte Euch, ehe Ihr hier Platz nehmt, Euer Losament zeigen, Herr Ritter von Repgow. Bitte, folgt mir.«

      Sie schritten alle drei, die Gräfin voran, durch einen langen, schmalen, mittels zahlreicher Luken erhellten Gang, den Fräuleingang geheißen, wie der Graf erklärte, zu dem nach seinen Angaben höchst behaglich eingerichteten Zimmer. die Gräfin öffnete die Tür und lud mit einer Handbewegung den Gast zur Besitznahme ein.

      Eike, sich darin umschauend und dann an eines der drei Fenster tretend, rief aus:

      »Was? Hier soll ich wohnen? Das ist ja viel zu prächtig für mich. Hier wird mir die Arbeit schwer werden, diese herrliche Aussicht in das Tal vor Augen mit den Bergen und Wäldern und den grünen Wiesen, durch die sich der erlenbekränzte Fluss in gefälligen Windungen schlängelt. Da muss einem ja das Herz aufgehen vor Entzücken, aber die Schreiberei wird dabei zu kurz kommen, gnädigste Gräfin!«

      Mit einem zufriedenen Lächeln antwortete Gräfin Gerlinde auf diese begeisterten Äußerungen:

      »Nicht beeinträchtigen, sondern Eure Arbeit fördern möge der freie Blick in diese schöne Natur, und ich wünsche Euch Heil und Segen dazu hier unter unserem Dache.«

      Dann zog sie sich zurück und ließ die beiden Männer allein.

      Als sie den Fräuleingang wieder durchwandelte, flüsterte sie:

      »Wie ein Gelehrter sieht er eigentlich nicht aus, aber ein Ritter ist er.« —

      »Ich habe deine Verwunderung bemerkt, als du die Gräfin sahest,« begann Graf Hoyer unter vier Augen mit Eike. »Sie ist meine zweite Frau, was ich dir neulich mitzuteilen vergaß. Nachdem mir vor acht Jahren der Tod meine liebe Bertrade entrissen hatte, ward es mir öd und einsiedlerisch hier, denn ich war allein, meine Söhne waren damals schon auswärts. Da, als ich zwei Jahre später auf einer Fahrt durch Franken einmal zu einem mir befreundeten Ritter auf Burg Schwanenfeld kam, wurde mein Herz von einer schnellen Neigung zu einer seiner fünf Töchter erfasst. Ich zauderte nicht und warb um sie. Auch das damals zweiundzwanzigjährige Mädchen besann sich nicht lange und nahm meinen Antrag an, denn die Familie lebte bei geringem Besitz einsam, wie abgeschieden von der Welt, und die Freier blieben aus. Der Brautkauf mit dem Vater war bald geschlossen, und sowohl der Muntschatz wie die Morgengabe und die Leibzucht, die ich zu bestellen gelobte, waren reichlich bemessen. So ward Gerlinde mein Weib, und mich hat es nicht gereut, denn mit ihr kam wieder Sonnenschein und Leben auf den Falkenstein, obwohl wir keinen regen Verkehr mit Standesgenossen haben und ich, der ich so viel älter bin, der noch jungen Frau wenig bieten kann. Ob sich Gerlinde an meiner Seite glücklich und zufrieden fühlt, weiß ich nicht. Dir wird es leicht werden, dich gut mit ihr zu stellen, denn sie ist eine offenherzige, zugängliche Natur und besitzt eine nicht gewöhnliche Geistesbildung. nimm dich ihrer, wenn du Lust und Zeit dazu hast, ein wenig an; sie und ich werden es dir Dank wissen.«

      »Ich werde mich nach besten Kräften um die Huld der Frau Gräfin bemühen,« sprach Eike mit einem verlegenen Lächeln, »aber ich bin in zartem Frauendienst nicht erfahren und geübt, Graf Hoyer, und die Frau Gräfin wird viel Nachsicht mit mir haben müssen, bis ich mir ihre Gunst und Gewogenheit errungen habe.«

      »Auf das experimentum bin ich gespannt, Eike,« lachte der Graf. »Jetzt ruhe dich aus, bis Folkmar dich zum Abendessen ruft; lange wird es nicht mehr dauern. Du bleibst wie du da bist; meine Frau ist nicht anspruchsvoll, und wir drei sind ja Gottlob! unter uns allein, worauf ich mich unbändig freue. Auf Wiedersehen!«

      Damit ging er. —

      »Seine zweite Frau und achtundzwanzig Jahre, wenn ich richtig rechne!« sprach Eike, sich auf eine Ruhebank hinstreckend. »Daher auch die fehlende Antwort, als ich ihm bei unserem Abschied unter der Eiche einen Gruß an seine Gemahlin auftrug, nicht ahnend, dass Frau Bertrade längst nicht mehr unter den Lebenden ist. — Und er weiß nicht, ob sich Frau Gerlinde an seiner Seite glücklich fühlt? Wie ist es nur möglich, so etwas nicht zu wissen! Hat sie es ihm nie gezeigt, ihm niemals unwillkürlich verraten? Da müsste sie ja ein sehr kühles Menschenkind sein, und dagegen sprechen ihre glutsprühenden Augen. — Um ihre Gunst soll ich mich bewerben. Als ob ich nicht andere Dinge im Kopf hätte! Wenn mich der erste, flüchtige Eindruck nicht

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