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      »Von einem wichtigen Für nehmen soll man nicht vorher sagen: ich will das tun, sondern nach dem Vollbringen: ich habe es getan. Denkst du nicht auch so, Hinrik Warendorp?«

      Zweites Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Als sich in der Frühe Graf Hoyer und Eike zum Morgenbrot trafen, das sie wieder im Garten an dem selben Tisch einnahmen, an dem sie gestern Abend gesessen hatten, und Eike den Falkensteiner fragte, wie er geruht hätte, erwiderte dieser:

      »In der ersten Hälfte der Nacht ganz gut, aber nachher hat mich dein Gesetzbuch doch ein paar Stunden Schlaf gekostet, denn es lag mir schwer wie ein Alp auf der Brust, und ich musste fort und fort daran denken.«

      »Nun, ein großer, dickleibiger Foliant wie das corpus juris Justinians wird es nicht werden, Herr Graf,« lächelte Eike. »Ich werde mich kurz fassen, dass es handlich ist und Schöffe, Schultheis und Fronbote es in der Tasche mitnehmen können, wenn sie sich zur Dingstatt begeben.«

      »Ich bin sehr neugierig darauf,« gestand der Graf, »und schlage vor, dass wir uns hier beim Frühmahl nicht lange versitzen, sondern bald aufbrechen und du mich ein Stück Weges begleitest. Das Gescheiteste wäre, wenn wir selbander langsam zu Fuß wanderten, wobei du mir dein sonderbares Vorhaben in aller Gemächlichkeit auseinandersetzen könntest. Ich schicke meinen Leibknecht mit den Pferden voran, und dein Ross kann sich derweilen noch ausruhen, denn du hast heute noch einen weiteren Ritt zu deiner Nachtherberge als ich nach dem Selketal und zur Burg hinauf.«

      Diesem Vorschlage stimmte Eike gern zu, und als sie ihr Frühstück, bei dem sie von dem Buche nicht sprachen, beendet hatten, machten sich die Herren zu ihrem Gange bereit und traten ihn wohlgemut an.

      Alsobald sie auf der Landstraße sanft ansteigend den Saum des Waldes erreicht hatten, blieben sie stehen, wandten sich um und schauten noch einmal zurück.

      Da lag in geringer Entfernung das große Gehöft des Gasthauses am Scheideweg in der Maienpracht seiner Blütenbäume so malerisch vor und unter ihnen, dass sie sich von dem fesselnden Anblick kaum trennen konnten. Aus einem Schornstein wirbelte blauer Rauch kerzengerade in die Höhe, denn es regte sich kein Lüftchen, und die Flügel der Windmühle auf dem Hügel da rechts harrten vergeblich der treibenden Kraft. Auf dem Hofe, den man von hier aus übersehen konnte, spannten die Fuhrleute ihre Gäule an die Wagen, und ihr Reden und Rufen hallte durch die Stille deutlich zu den Rastenden herauf. Von den Dörfern in der Umgegend führten die Hirten ihre Herden auf die Weide, und über die lachenden Fluren streckte sich weit und breit der Friede eines gesegneten Wohlstandes.

      »Vorwärts!« gebot der Graf, und sie schritten wieder fürbass und in den frühlingsduftigen, taufunkelnden Wald hinein, wo das junge Laub der Sträucher und Bäume, von den Sonnenstrahlen hell durchleuchtet, mit dem frischesten, saftigsten Grün alle Wipfel und Zweige füllte, dass unten auf Gras und Moos scharf begrenzte Lichter und Schatten wechselten. Und nicht lautlos war es in Geäst und Gebüsch. Muntere Vogelstimmen erklangen ringsum.

      Amseln flöteten, Pirol und Kuckuck riefen, Finken schlugen, und Grasmücken sangen lockende, werbende Liebeslieder.

      Nachdem die Wanderer, mit vollen Zügen die wonnesame Waldluft atmend, eine Zeitlang schweigend nebeneinander hergegangen waren, begann Graf Hoyer:

      »Nun sprich, Eike! Aber fang’ von vorn an, wie der Plan des neuen Gesetzbuches in deinem Kopf allmählich gereift ist. Entstanden ist er also, wie du gestern sagtest, infolge des Ungerichtes, das dein Vater einst über sich ergehen lassen musste.«

      »Nein, Herr Graf! Der übel verlaufene Rechtshandel meines Vaters war nur der Anstoß zu meinem Besuche der hohen Schule in Bologna,« entgegnete Eike. »Dort erst, je mehr ich mich in das Studium vertiefte, sah ich ein, dass das römische Recht nun und nimmer unserem Volke frommen kann. Aber ich war damals schon alt und gewitzt genug, um auch die großen Schäden und Mängel unserer eigenen Rechtsverhältnisse zu erkennen und dass sie einer gründlichen Wandlung dringend bedürften. ‘Gewalt fährt auf der Straße, und Fried’ und Recht sind sehre wund’, singt Walter von der Vogelweide.

      Und er hat wahrhaftig Recht; die widerspruchvollsten Satzungen zur Entscheidung über Schuld und Unschuld laufen bei uns durcheinander und gegeneinander wie die kribbelnden Tierlein in einem Ameisenhaufen. Was ist das für ein jämmerlicher Zustand, dass hinter jedem Grenzstein, in jedem Gau und jeder Stadt ein anderes Recht gilt, so, dass zwischen Mann und Frau, die ehelich zusammenhausen, oft weit voneinander abweichende Bestimmungen zur Anwendung kommen, wenn die beiden aus zwei verschiedenen, noch so nahe belegenen Ortschaften gebürtig sind! Unsere Rechtspflege, das Verfahren vor dem Schöffenstuhl auf der Dingstatt, Gerüste und Klage, Eidstabung, Verfestung und Urteilsspruch liegen im Argen und müssen geändert werden. Dem Volke muss das natürliche Rechtsgefühl und damit auch die Rechtssicherheit wiedergegeben werden in einheitlichen und einfältigen Gesetzen, die sich aus den Erscheinungen und Ereignissen des täglichen Lebens selber entwickeln, statt in verknöcherten Institutionen, starren Paragraphen und verzwickten Kautelen, die dem gemeinen Sinn unfassbar und dunkel sind.«

      Der Graf hatte dem erregt Sprechenden aufmerksam zugehört, nickte beifällig und fragte nun:

      »Und welche Rechtsgebiete hast du dir zur Verbesserung ausersehen?«

      »Alle, mit denen Herr und Knecht, Bürger und Bauer in Berührung kommen und die dem höchsten wie dem Geringsten im Reich an Leib oder Seele gehen,« gab Eike stolz zur Antwort. »Land- und Lehnrecht, Hof- und Erbrecht und was sonst noch mit diesen Gruppen irgendwie zusammenhängt.«

      »Ein weites Feld, eine gewaltige Aufgabe!« sagte der Graf, »wirst du sie lösen können?«

      »Ich hoffe es zuversichtlich, denn ich bin gut gerüstet mit allem für meinen Zweck Wissenswerten.«

      Graf Hoyer schwieg nachdenklich. Dann kam aus seinem Munde die Frage:

      »Hast du deinen Plan außer mit mir noch mit einem andern Menschen besprochen?«

      »Jawohl, mit meinem getreuen Kumpan Hinrik Warendorp, und er hat mir mannigfach dabei geholfen, hat mir, so lange er lebte, eigene Wahrnehmungen und Erfahrungen über alte Volks- und Gewohnheitsrechte in seiner Vaterstadt Lübeck und in Stormarn und Holstein mitgeteilt und mir schriftliche Auszüge aus Urkunden, Handfesten und Verbriefungen gesandt, wie ich mir solche auch selber aus allen Teilen Altsachsens in Menge herbei geschleppt habe.«

      »Und sonst hast du niemand eingeweiht?«

      »Doch! Noch einen,« erwiderte Eike noch stolzer als vorher, »aber Ihr werdet nicht raten, wen.«

      »Nun?«

      »Kaiser Friedrich von Hohenstaufen.«

      »Mensch! Das hast du gewagt?« rief der Graf erschrocken aus, »dem Kaiser hast du’s offenbart? Du selbst ihm selber?«

      »Auge in Auge! Und ich bin froh, dass ich’s getan habe, denn der gewagte Schritt war kein verlorener.«

      »Wie bist du nur an ihn herangekommen? Was sagte er zu deinem kühnen Unterfangen? Wie nahm er’s auf?«

      »Über alles Erwarten huldvoll und gnädig,« versicherte Eike. »Lasst Euch erzählen. Während meines letzten Studienjahres in Bologna hatte der Kaiser einen Reichstag nach Cremona einberufen, um die sich trutzig gegen ihn auflehnenden Städte des lombardischen Bundes gefügig und unterwürfig zu machen und auch um den Kreuzzug endlich in die Wege zu leiten, den er dem Papste Honorius bei Strafe des Bannes hatte geloben müssen. Da nahm ich die günstige Gelegenheit wahr, ritt von Bologna nach Cremona und trug dem groß denkenden Hohenstaufen meinen schon fest aufgebauten Plan freimütig und ausführlich vor. Er schenkte mir geduldiges Gehör und gab mir unverhohlen seine Zustimmung zu erkennen. Ich sehe ihn noch, wie er ernst und hoheitsvoll mir gegenüberstand und, so lange ich redete, den durchdringenden Blick nicht von mir abließ. ‘Du willst’, hub er an, als ich geendet hatte, ‘mit deinem Buche den Sachsen einen Spiegel des Rechtes vorhalten, eines einheitlichen

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