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darauf, und als sie auch Schatte aufheben wollten, war er verschieden. Mit zwei Toten kehrten sie langsam nach dem Regenstein zurück.

      Bock ritt vor dem Wagen, die vier Knechte dahinter. Als sie nachmittags auf dem Burghofe anlangten, war es ihnen, als wankte und bebte der Felsen unter ihren Füßen. Wehklagen erfüllte die Luft. Als Gräfin Oda die Wahrheit erfuhr, brach sie ohnmächtig zusammen. In der Nacht gebar sie ein Knäblein. Ursula und Eilika pflegten sie, und Mutter und Kind blieben am Leben.

      Nach drei Tagen ruhte Graf Albrecht neben seinem Bruder Siegfried im Kreuzgange zu Michaelstein. –

      Ein Sturm der Entrüstung ging durch das Land und schrie zum Himmel über die fruchtbare Tat. Der Graf von Regenstein tot! die hohe Eiche gefällt, die den Gau beschattet, allen Wettern getrotzt, die Bedrängten beschirmt hatte! Vom Harze, von Hackel und Huy, von Städten und Dörfern blockten die Menschen nach dem Regenstein, ob sein stolzer Felsenbau noch ragte, oder ob er von dem Falle des gewaltigen Mannes in seinen Grundfesten erschüttert, in die Tiefe versunken wäre. Mit Fingern wies man auf die Mörder, aber als den Anstifter der Bluttat nannten alle Zungen den Bischof Albrecht von Halberstadt, der zwei Tage danach den Petershof verlassen hatte und auf einem seiner Schlösser, vermutlich in Gröningen oder auf dem Falkenstein hauste. Umsonst erbot er sich zu einem Reinigungseide. Niemand glaubte an seine Unschuld, zumal er die Mörder in seinen Diensten behielt. Er hat den Eid auch nie geschworen. –

      Am Abend des Tages, da Graf Albrecht ermordet wurde, erschien auf dem Schlosse zu Quedlinburg ein Bote aus Halberstadt und überbrachte der Äbtissin einen Brief des Bischofs. Darin stand in lateinischer Sprache: »Was du gewünscht hast, ist geschehen; ich erwarte deinen Dank. A.«

      Ein wildes Frohlocken blitzte in Juttas dunklen Augen auf, das Blatt bebte in ihrer Hand. »Er ist tot, und sie ist Witwe; ich bin gerächt!« kam es haßerfüllt von ihren Lippen.

      Aber in der Nacht, als sie sich auf ihrem Lager hin und her warf, bald in einem kurzen, unruhigen Schlafe, bald in langen, qualvollen Stunden des Wachens in Schuldbewußtsein und Gewissensangst, da nahten ihr Träume und Gesichter von sinnverwirrender Art. Graf Albrecht kam geschritten in seiner blühenden Kraft Hoheit, streckte ihr die Hand entgegen und sagte mit lächelndem Munde: »Komm, Geliebte! Du sollst mein eigen sein.« Aber als sie wonnebebend seine Hand ergriff, da fuhr sie schaudernd zurück, denn es war eine kalte Totenhand; durch seinen Panzer rieselte rotes Blut, seine Augen wurden starr und bohrten sich mit grausigem Blick in die ihren, und mit einer Grabesstimme sprach er: »Du hast mich vom Herzen meines Weibes gerissen, mich morden lassen durch den Bischof, deinen Buhlen; vor Gottes Thron will ich dich verklagen.« Ächzend erwachte sie und lag lange mit offenen Augen im Dunkeln. Dann wieder erschien ihr im Halbschlummer des Bischofs jugendlich schlanke Gestalt in der Tracht des fürstlichen Junkers von der Wartburg. Mit heißen Augen sah er sie an und flüsterte: »Was du gewünscht hast, ist geschehen; ich habe deinen Willen getan, jetzt tue den meinen, du hast mir dein Wort gegeben.« Immer näher kam er ihr, umschlang sie und küßte sie. Ihr war, als schwebte sie mit ihm, wie auf Wolken getragen, weit hinweg, bis sie plötzlich wie nach einem jähen Sturze wieder erwachte. Kopf und Busen brannten ihr, sie fühlte, wie ihr das Blut in den Schläfen pochte und glühend durch die Adern rollte. Sie schlief nicht wieder ein, und in ihrem Hirne jagten sich wilde Gedanken und verzweifelte Entschlüsse.

      Als es heller Tag war, stand ihr Plan fest; sie hatte sich in einem bitteren Herzenskampfe ihren Weg bis zu den letzten Schritten vorgezeichnet.

      Sie kleidete sich ganz schwarz, und das anschließende Trauergewand verlieh der vollendeten Schönheit ihres Wuchses einen unsagbaren Reiz. Aber sie war über Nacht eine andere geworden. Ihre edelgeformten Züge waren streng und marmorkalt; kein Lächeln schwebte mehr um den üppigen Mund, und die dunklen Augen hatten den ernsten Blick eines unbeugsamen Willens.

      Sie ging nicht zu dem gemeinsamen Frühmahl der Kapitularinnen, sondern blieb in ihrem Gemach und schrieb zwei Briefe. Einen an den Bischof von Halberstadt und einen an die Äbtissin des Jungfrauenklosters Walbeck in der Grafschaft Arnstein, das dem Hochstifte Quedlinburg unterstellt war. Ehe sie mit dem zweiten fertig war, trat mit verstörtem Gesicht die Kanonissin zu ihr ins Zimmer und sagte tief erregt: »Jutta, bereite dich, Entsetzliches zu hören! Graf Albrecht ist erschlagen!«

      »Ich weiß es, Adelheid,« erwiderte die Äbtissin dumpf.

      »Du weißt es schon?« frug die Kanonissin erstaunt. »Ach, ich sehe, du führst Schwarz; aber woher –«

      »Still! höre mich an und rede nichts dagegen, denn es wäre vergeblich,« sprach die Äbtissin mit einer düsteren Ruhe. »Ich gehe fort von hier. Frage mich nicht wohin. Den anderen werde ich sagen, nach der Wartburg, wo ich der Landgräfin einen Besuch gelobt hätte. Die Scholastika soll mich begleiten, und ich werde dafür sorgen, daß sie schweigt.«

      »Aber das Geleit –«

      »Ich reise unter bischöflichem Geleit, das mich in zwei Tagen von hier abholen wird. Du allein magst heute schon erfahren, daß ich niemals wiederkehre.«

      »Jutta! was bedeutet dies alles?«

      »Es bedeutet – – nein! jetzt nicht! laß mich, Adelheid! von dir gehe ich nicht ohne Abschied. Sende mir die Scholastika her; sonst will ich niemand sehen!«

      Die Kanonissin warf einen besorgten Blick auf ihre Freundin und ging schweigend ab.

      Zwei Tage danach ritt die Äbtissin mit der Scholastika unter bischöflichem Geleit von dannen, aber nach Thüringen führte die Straße nicht, die sie zogen.

      In der dritten Woche kehrte die Scholastika allein zurück, sagte niemand, wo sie mit der Äbtissin gewesen war, brachte aber einen Brief derselben mit, des Inhalts, daß die Gräfin Jutta von Kranichfeld ihr Fürstenamt mit Stab und Kreuz niederlegte und dem Kapitel des freiweltlichen Stiftes auf ewig Lebewohl sagte mit der Anzeige, daß sie aus der Welt geschieden und in das Kloster Walbeck eingetreten sei, um hier als Nonne ihr Leben in Gebet und Buße zu beschließen. Zu ihrer Nachfolgerin empfahl sie den Konventualinnen die Thesauraria Gräfin Luitgard von Stolberg, die auch bald darauf zur Äbtissin gewählt wurde. –

      In dem natürlichen Drange, den Ermordeten zu rächen, begannen nun Albrechts Brüder unter Bernhards Oberbefehl den Kampf mit dem Bischof, nachdem sie sich der Bundesgenossenschaft des Grafen von Mansfeld versichert hatten. Aber der Bischof war ebenso stark gerüstet wie die Regensteiner, und nun stand ihm kein Albrecht mehr im Felde gegenüber. Darum hatte er seinen großen Gegner so lange mit ränkevollen Verhandlungen hingehalten und war dem offenen Kampfe so lange ausgewichen, bis es ihm, dank dessen unseligem Zögern, gelungen war, den einzigen, den er zu fürchten hatte, aus dem Wege zu räumen. Denn was er nie gewagt hätte, solange Graf Albrecht lebte, das tat er jetzt; er ging von der Verteidigung schnell zum kühnsten Angriff über und schlug die Regensteiner überall, wo er sie traf. Er erstürmte Burg Gersdorf, fiel dann in die Grafschaft Mansfeld ein, sie mit Feuer und Schwert schrecklich verwüstend, zog darauf wieder nach Norden, nahm Emeresleben und Schwanbeck im Sturme und endlich auch das noch niemals eroberte Crottorf. Danach erzwang er den Frieden.

      Er hatte sein Ziel erreicht, die unbeschränkte Herrschaft im Gau, die ihm streitig zu machen kein ebenbürtiger Gegner mehr vorhanden war. Keiner von allen Grafen und Herren wagte es noch, sich gegen ihn zu erheben; sie beugten sich alle vor ihm, seit ihrer aller Stolz und Stern, Albrecht von Regenstein, dahin war. Von der Oker bis zur Bode und darüber hinaus bis tief in den Schwabengau hinein erstreckte sich nun sein Gebiet als ein selbständiges, geschlossenes Fürstentum Halberstadt, das, von diesem bedeutendsten und kriegerischsten aller Halberstädter Bischöfe gegründet, drei Jahrhunderte bestanden hat.

      Die Übermacht des Regenstein'schen Grafenhauses war für alle Zeiten gebrochen, aber es war ihm doch ein immer noch sehr ansehnlicher Besitz geblieben, den Bernhard für Albrechts jungen Sohn bis zu dessen Mündigkeit ohne weitere Einbuße klug und friedliebend regierte. In diesem Sohne fand Gräfin Oda den einzigen Trost in ihrem unendlichen Schmerz, aber den Gemahl und das an seiner Seite genossene kurze Glück konnte sie nie vergessen. Ihr rechtmäßiges Erbe, die Grafschaft Falkenstein, hat sie nie erhalten. Bock und Eilika blieben bei ihr auf dem Regenstein bis an ihres Lebens Ende, und von keinem andern lernte der junge Graf reiten und fechten, als

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